Mannheim, 07. Dezember 2015. (red/ms) Die Namen wiegen schwer: Mit Bernd Lucke, Hans-Olaf Henkel und Joachim Starbatty referieren gleich drei bekannte Wirtschaftsprofessoren und Europaparlamentsabgeordnete von ALFA in Mannheim. Nach der Abspaltung von der AfD hat die Partei um Aufmerksamkeit zu kämpfen. Ihre bekanntesten Gesichter locken gut 60 Besucher zu einer Klausurtagung. Thema ist „die Eurokrise und der Schaden für die Sparer“. Man hätte nichts gegen mehr Gäste gehabt, sagt Parteivositzender Bernd Lucke. Doch man habe nie mit massenhaftem Zulauf gerechnet: „Es geht in erster Linie um ein Experiment.“

Gut 60 Gäste nehmen an der Klausurtagung teil. Im Anna-Reiß-Saal wäre Platz für einige hundert gewesen. Es referiert der slowakische Ökonom Richard Sulìk.
Von Minh Schredle
Nachdem Frauke Petry auf dem Parteitag in Essen zur neuen Bundesvorsitzenden der AfD gewählt wurde, traten die zahlreiche bekannte Ökonomen aus der Partei aus – darunter auch Hans-Olaf Henkel. Der sagt:
Fast die gesamte wirtschaftliche Kompetenz der AfD ist heute bei ALFA.
Die „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“ hat dennoch Schwierigkeiten, in der Öffentlichkeit Beachtung zu finden. Nach der Gründungsphase ist es ruhig geworden in der Berichterstattung – im Vergleich zur AfD hat die Nachfolge-Partei um Bernd Lucke bislang ganz eindeutig das Nachsehen.
Beide geben sich froh, einander los zu sein.
Der „widerliche Rechtsruck in der AfD“ habe ihn schockiert, sagt Prof. Henkel. Für vernünftige Menschen sei ALFA die einzig wählbare Alternative. Natürlich sagt er das, es ist Wahlkampf.
Dabei schwingt offenbar ein bisschen Frust mit. Denn während die AfD deutschlandweit Umfragewerte erreicht, die am zweistelligen Bereich kratzen oder ihn sogar leicht überschreiten, wird ALFA in vielen Fällen nur unter „Sonstige“ erfasst.
Nichtsdestotrotz ist auffällig, dass insbesondere Professoren der AfD seit dem Essener Parteitag den Rücken zugewandt haben und sich ALFA anschlossen.
Vertreter beider Parteien sprechen gerne in verschiedenen Wortlauten von einer „Entschlackungskur“, mit der man „alle Spinner auf einen Streich“ losgeworden sei. Inhaltlich sind sich die Programme von ALFA und AfD weiterhin sehr ähnlich – die Parteien unterscheidet vor allem der Stil, mit dem sie auftreten.
Es trennt sie der Stil
Veranstaltungen der AfD sind deutlich emotionaler, teils ist der Debattenton merklich rauer, Vorträge beinhalten oft viele einfache und eingängige Parolen – etwa wenn „Merkel muss weg!“ skandiert wird. ALFA fordert das gleiche, formuliert es aber anders. So stellt Hans-Olaf Henkel die Bundeskanzlerin beispielsweise als psychisch Gestörte dar, die am Helfersyndrom leide und dringend therapiebedürftig sei.

Bernd Lucke beim Stadtrundgang mit Dr. Gerhard Schäffner, der für die AfD in den Mannheimer Gemeinderat gewählt worden ist und dort nun für ALFA Politik macht. Archivbild.
Abgesehen von solchen Spitzen gibt sich ALFA betont seriös und stellt sie als „die Professorenpartei“ für Deutschland dar. Man wolle nicht den gleichen Fehler noch einmal begehen und sich von rechts unterwandern lassen, sagt Bernd Lucke:
Wir prüfen jetzt sehr viel sorgfältiger, wen wir in die Partei eintreten lassen.
Man wolle außerdem die Flüchtlingskrise nicht instrumentalisieren, um auf Stimmenfang am rechten Rand zu gehen. „Man sollte aber nicht vergessen, dass es noch sehr viele andere Probleme gibt, für die wir dringend Lösungen brauchen“ – eines unter vielen sei die Eurokrise, die man noch lange nicht überwunden habe. Im Gegenteil:
Der Schaden für Sparer wird mit jedem Tag größer. Nur die Schuldner profitieren.
Die Stiftung „New Direction“ aus dem ALFA-Umfeld veranstaltete zu diesem Thema eine Klausurtagung im Anna-Reiß-Saal der REM. Neben den Professoren Lucke, Henkel und Starbatty traten dort auch der slowakische Ökonom Richard Sulìk und der Mannheimer Professor für Volkswirtschaft Roland Vaubel als Redner auf.
Moderiert wurde die Veranstaltung von MdEP Bernd Kölmel, dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden und Landesvorsitzenden Baden-Württembergs von ALFA.
Vorlesungsniveau
Die Vorträge waren alles andere als zugangsfreundlich: Den Vortrag von Roland Vaubel hätte er wohl ohne größere Änderungen so auch vor seinen höhersemestrigen VWL-Studenten halten können – als Laie war es schwer, zu folgen.
Doch in der Diskussion zeigten sich die allermeisten Gäste fachkundig und stellten teils hochspezifische Rückfragen an die Referenten. Bernd Lucke sagt dazu:
Uns ist klar, dass wir mit unserer Themenwahl und unserem Anspruch keine Veranstaltung für die Massen ausgerichtet haben. Darum geht es uns heute aber auch gar nicht.
Im Vordergrund stehe ein Experiment: Es brauche mehr Schnittstellen zwischen Politik und Wissenschaft – daher wolle ALFA ein Forum schaffen, auf dem „Politiker, Wissenschaftler und kundige Bürger auf höchstem Niveau offen miteinander diskutieren“:
Wir wollen eine sachliche Debatte für die besten Lösungen.
Der Ansatz klingt spannend. Allerdings war die Diskussion für diesen Anspruch einseitig – es wurden ausschließlich Euroskeptiker gehört. Die stimmten allesamt darin überein, dass der Euro insbesondere den deutschen Sparern schaden würde.
Hauptsächlich verursacht werde der Schaden durch den niedrigen Leitzins von 0,05 Prozent. Davon würden zwar Banken profitieren – die Altersvorsorge durch Kapitalanlagen wie Riester-Renten aber erheblichen Schaden tragen. Dieses Problem würde noch verschärft durch den demographischen Wandel und den Fachkräftemangel. Bernd Lucke sagt dazu:
Viele Folgen aus der Europolitik machen sich heute noch nicht offensichtlich bemerkbar – aber sie werden es in einigen Jahren. Wir müssen den Kurs ändern. Wenn es so weiter geht, wie bisher, werden die Redner von Morgen nur noch über einen Bruchteil der Bezüge verfügen, die ihnen bei einer guten Finanzpolitik zustehen könnten.
Eine Gemeinschaftswährung mache nur dann Sinn, wenn die Wirtschaftskraft der beteiligten Länder auf einem ähnlichen Niveau ist. In Europa wären die Unterschiede aber noch viel zu groß. So wäre der Euro für einige Länder als Währung zu weich, für andere zu hart und für kaum ein Land genau angebracht. Insbesondere Deutschland würde finanziell zu leiden haben, wenn es für die gescheiterte Finanzpolitik anderer Staaten weiterhin Haftung übernehmen würde:
Die Europolitik der Gegenwart ist zum Scheitern verurteilt – und je früher das passiert, desto geringer wird der Schaden sein.
Was während der rund neun Stunden Klausur-Tagung fehlte, war eine Gegenmeinung dazu.