Rhein-Neckar/Stuttgart/Südwesten, 07. Juli 2016. (red/pro) Die ursprüngliche AfD-Fraktion beharrt darauf, die einzig echte AfD-Fraktion zu sein. Der Mannheimer Abgeordnete Rüdiger Klos, der eines von zwei Direktmandaten für die AfD gewonnen hatte, ist nun neuer stellvertretender Fraktionsvorsitzender und hat mit uns exklusiv zum Stand der Dinge gesprochen.
Von Hardy Prothmann
Rüdiger Klos hat nur sehr wenig Zeit. Bereits vorgestern hatten wir ihn angefragt, gestern nochmals Fragen mit Frist bis 15 Uhr geschickt, um 14:38 Uhr ruft er an.

Der Eppelheimer Rüdiger Klos hat aus dem Stand das Direktmandat im Wahlkreis Mannheim Nord gewonnen. Es war zuvor das letzte Direktmandat der SPD. Dr. Stefan Fulst-Blei zog dann über die Landesliste in den Landtag ein. Rüdiger Klos will sich im Mannheimer Norden für eine bessere medizinische Versorgung, insbesondere für Kinder einsetzen, die Verbesserung der Infrastruktur hat er ebenfalls auf dem Programm. Rüdiger Klos ist Sohn eines Deutschen und einer Italienerin. Er spricht fließend italienisch.
Zum Stand der Dinge. Neuer Chef der achtköpfigen Fraktion ist Dr. Heiner Merz. Stellvertreter bleibt Emil Sänze, neuer Stellvertreter ist Rüdiger Klos. Der parlamentarische Geschäftsführer ist Dr. Bernd Grimmer (ehemals Bündnis90/Die Grünen):
Wir sind die einzige und wahre AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag. Herr Professor Meuthen hat keine neue Fraktion. Er hat dies unter einem anderen Namen beantragt und wir halten es für zweifelhaft, dass dem stattgegeben wird. Gleichzeitig bleiben wir für die Rückkehr unserer Kollegen offen und führen bereits sehr erfreuliche Gespräche,
sagt Rüdiger Klos. Zur „Causa Gedeon“ sagt er:
Es ging schon längst nicht mehr um Herrn Dr. Gedeon. Seine Äußerungen waren seit langem bekannt, die Staatsanwaltschaft Konstanz hat seine Aussagen als strafrechtlich nicht relevant beurteilt. Der Mann ist gewählter Abgeordneter und wir haben einen einvernehmlichen Weg gesucht, die entstandenen Probleme zu lösen. Letztlich ist das gelungen, weil Herr Gedeon von sich aus die Fraktion verlassen hat. Nun hat er als fraktionsloser Abgeordneter zu allen Themen Rederecht. Das hat niemand in der öffentlichen Debatte bedacht.
Worum ging es sonst, wenn nicht um die antisemitischen Äußerungen des Dr. Gedeon?
Mir geht es um Sacharbeit. Das habe ich meinen Wählern versprochen und dieses Versprechen halte ich. Aktuell ging es nur noch um Partikularinteressen, die mit Drohungen und Erpressungsversuchen verbunden waren. Diesem Druck habe ich mich nicht hingegeben und deshalb nicht für einen Ausschluss gestimmt, weil man so nicht mit Kollegen umgeht. Dass man andere Lösungen finden kann, zeigt die aktuelle Entwicklung.
Wie beurteilt Herr Klos die aktuelle Spaltung der Fraktion?
Diese Spaltung wird überwiegend von Herrn Meuthen aus eigenen Interessen vorangetrieben. Er hat sich positioniert, ist aus der Fraktion ausgetreten und hat andere aufgefordert, ihm zu folgen. Er treibt die Spaltung voran, indem er die Gründung einer neuen Fraktion verkündet und so tut, als sei das jetzt Fakt. Das ist überhaupt kein Fakt. Frau Landtagspräsidentin Aras hat eine Prüfung angekündigt und wir müssen erstmal abwarten, was diese ergibt. Aus unserer Sicht gibt es uns als einzige AfD-Fraktion und 14 fraktionslose Abgeordnete. Bei uns steht die Tür für Rückkehrer selbstverständlich auf.
Welche Ziele sich Herr Klos für sich?
Wir brauchen jetzt erstmal Ruhe. Die aktuellen Entwicklungen haben jede Menge Kraft gekostet, nicht nur körperlich. Ich bedaure dieses Durcheinander zutiefst und ärgere mich sehr, weil ich Sacharbeit machen will und dieses Chaos kein Mensch braucht. In Mannheim bin ich jetzt soweit, dass mein Ziel, einen neuen Kinderarzt im Norden unterzubringen, vorangeht. Weiter kümmere ich mich um die Verbesserung der Infrastruktur, wie ich das angekündigt habe. Außerdem würde ich mir wünschen, dass gewisse andere Abgeordnete weniger die Medienbühne suchten und wie ich an Sacharbeit orientiert wären.
Hintergrund: Am Dienstag reiste die Bundessprecherin Dr. Frauke Petry nach Stuttgart und verkündete am Abend zusammen mit Dr. Wolfgang Gedeon, dass dieser die Fraktion aus eigenen Stücken verlasse. Auch Emil Sänze trat bei der kurzen Presseinformation auf.
Zuvor waren der bisherige Fraktionsvorsitzende Prof. Dr. Jörg Meuthen, der Landeschef und ebenfalls Bundessprecher ist, zusammen mit 12 weiteren AfD-Abgeordneten aus der Fraktion ausgetreten und hatte gestern verkündet, dass er die neue Fraktion „Alternative für Baden-Württemberg“ gegenüber dem Landtagspräsidium beantragt hatte. Ob dies möglich ist, ist unklar. Die Landtagsverwaltung will dazu ein Gutachten einholen.
Da es sich um einen Präzedenzfall handelt, ist auch eine gerichtliche Auseinandersetzung vorstellbar, wenn die Gründung einer zweiten Fraktion von über die AfD gewählten Abgeordneten abgelehnt wird, diese aber gegen eine solche Entscheidung klagt.
Mit großer Wahrscheinlichkeit wird die neue Fraktion, wenn überhaupt, frühestens im September gebildet werden können. Die Frage ist außerdem, wie viele dieser angehören. Ausgetretene AfD-Abgeordnete können auch wieder in die alte Fraktion zurückkehren oder keiner Fraktion angehören.
Ohne Fraktionsstatus sind die ausgetretenen Mitglieder aktuell stark geschwächt. Sie erhalten keinen Grundbetrag für die „fraktionelle“ Arbeit. Außerdem fehlen weitere Zuschüsse. In den Ausschüssen haben sie Rederecht, dürfen Anträge einbringen, aber nicht mit abstimmen.
Je nachdem, welche Fraktionen in Zukunft bestehen, ändern sich dann auch wieder die Besetzungen der Ausschüsse.
Soviel ist klar: Die Vorgänge um die Spaltung der AfD-Fraktion zeigen auf, dass es an klaren Regelungen fehlt. Möglicherweise muss man über eine Änderung der Landesverfassung und auch der Geschäftsordnung des Landtags nachdenken, um solche Ausnahmefälle klar zu regeln.
Sicher ist auch: Die aktuellen Vorgänge rauben dem Parlament sehr viel Energie, um Sacharbeit zu leisten. Ob das das Ziel der „Alternative für Deutschland“ war? Der Spitzenpolitiker Jörg Meuthen steht in der Verantwortung, schnell, klar und zuverlässig für sich und seine Getreuen für Ordnung zu sorgen.
Und das Chaos könnte noch größer werden: Alle fraktionslosen Abgeordneten haben Rederecht im Landtag. Die Zeit wird zwar durch die Präsidentin festgelegt, aber das kann noch „lustig“ werden.
Möglicherweise steht sogar noch eine Spaltung der AfD im Südwesten ins Haus. Der Name für eine neue politische Partei wäre schon gefunden: „Alternative für Baden-Württemberg“ (AfBW).
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