Rhein-Neckar, 07. Januar 2017. (red/pro) Die Medienlandschaft erfährt nicht erst seit dem Zusammenbruch der New-Economy-Blase im Jahr 2000 eine Krise nach der anderen. Zehntausende Jobs sind verloren gegangen. Die Zeitungsauflagen kennen seit Anfang der 90-er Jahre nur eine Richtung – nach unten. Neue Angebote (wie das Rheinneckarblog) machen den sogenannten „etablierten“ Medien ebenfalls Druck und Schuld ist an allem das Internet? Stimmt, das Internet steht für die größte mediale Revolution der Mediengeschichte. Aber ganz viel Schuld haben auch die Medien und ihre Macher selbst – weil sie journalistische Standards absenken oder missachten.
Von Hardy Prothmann
Das Rheinneckarblog gibt es seit Januar 2011. Wir gehen also ins sechste Jahr. In dieser Zeit haben wir sehr, sehr häufig absolut exklusive „Stories“ veröffentlicht. Basierend auf harter Recherche – aber auch auf großem Vertrauen unserer Quellen, die uns Hinweise geben, die wir recherchieren.
Quellenangaben stehen für Qualität
Früher gab es einmal die Standesregel, dass Medien, die eine exklusive Story hatten, auch entsprechend genannt werden. Der Medienjournalist Stefan Niggemeier thematisierte im Mediummagazin beispielsweise 2011 die Abschreiberitis selbst in großen Medien, selbst durch sehr bekannte Journalisten und kommt zum Schluss:
Quellenangaben sind nicht nur ein Ausdruck von Fairness und Transparenz, sie sind auch ein Service für den Leser. In einer Zeit, in der sich nicht nur Journalisten Informationen zusammengoogeln können, dienen sie als Wegweiser und bieten dem Interessierten die Chance, tiefer in ein Thema einzusteigen.
Ich erweitere diese Sicht – Quellenangaben sind ein Qualitätsmerkmal. Denn verständige Leser/innen haben durch das Internet nicht nur die Möglichkeit, sich selbst „Informationen zusammenzugoogeln“, sie können auch jederzeit überprüfen, woher Journalisten ihre Informationen haben, sofern diese nicht von Quellen kommen, die geschützt werden müssen. Wenn man die Quellen nennt, kann der Leser erkennen, ob diese ein vertrauenswürdige Quelle ist und damit auch die Güte der Information einschätzen, ohne alles selbst überprüfen zu müssen.
Leider scheinen sich immer weniger Journalisten und Medien an die Standesregel zu erinnern oder sie kennen sie schlichtweg nicht. Denn die meisten Medien schreiben vollständig ungeniert bei uns ab, übernehmen unsere exklusiven Themen und „vergessen“ leider so gut wie immer die Quelle.
Es gibt in der Region einen Journalisten, den ich gerne loben mag. Das ist Ralph Kühnl vom Rhein-Neckar-Fernsehen (RNF). Ich kenne den Kollegen schon sehr lange. Wir tauschen uns immer wieder über Journalismus und Themen aus. Manchmal streiten wir auch ein wenig, aber insgesamt ist der Kontakt von gegenseitigem Respekt und Professionalität geprägt. Und wie es der Zufall will, plane ich gerade einen Text zum Thema „Quellen“, das RNF berichtet in einer Nachricht über einen mutmaßlichen Mordfall in der Region und nennt zum Schluss uns als exklusive Quelle. So gehört sich das. So ist das anständig. So bin ich das vom Kollegen Kühnl gewohnt.
Wenn Journalisten Journalisten beklauen – wieso sollte ein Medienkonsument für etwas zahlen?
Es geht aber nicht nur um Fairness, Transparenz und Qualität, sondern auch um Respekt – vor der Leistung von anderen. Wer also Quellen nicht ordentlich nennt, ist unfair, intransparent, qualitativ schlecht und respektlos. Ja genau, „lieber Kollege“, wenn Sie sich angesprochen fühlen, meine ich auch genau Sie.
Die Folgen sind dramatisch: Denn wenn schon Journalisten andere Journalisten beklauen und plagiieren, warum soll dann noch irgendein Leser, Hörer, Zuschauer unsere Arbeit „wertvoll“ finden und am Ende sogar noch dafür bezahlen? Ist doch alles umsonst und jeder kann sich bedienen: Genau das ist die Botschaft, die von solchen Leuten wie Ihnen („lieber Kollege“) in die Welt getragen wird und dort zum „Standard“ wird.
In meiner Redaktion lernt jeder Mitarbeiter von Anfang an, dass jedes Plagiat und sei es nur ein Halbsatz, zum sofortigen Rausschmiss führt. Zwei Mitarbeiter haben das bereits erlebt. Meine Mitarbeiter sind aufgefordert, alle Quellen, die verwendet wurden, insbesondere mediale zu dokumentieren und diese zu nennen, wenn die Artikel redaktionell ihren Endschliff erhalten. Und selbstverständlich nennen wir andere Medien immer, die durch eigene Leistung eine bedeutende, exklusive Nachricht oder Information vor anderen haben.
Damit stärken wir andere Medienmarken, indem wir unserer Leserschaft mitteilen: Seht her, diese und jene Redaktion hat einen guten Job gemacht. Würden das alle Medienmacher verstehen, würden sich Medien mit hohem journalistischem Anspruch gegenseitig stärken. Leider ist dieses Verständnis noch kaum, auf jeden Fall aber zu wenig zu erkennen.
Journalismus ist Handwerk und muss viel neu lernen
Viele Menschen haben den Eindruck, „die“ Medien berichten alle dasselbe. Kein Wunder – liefern beispielsweise insbesondere Zeitungen sehr umfangreich Agenturmeldungen aus. In welches Blatt man auch schaut – überall dieselbe Nachricht. Und auch hier ist es oft schlechte Übung, einfach ein paar Sätze umzuschreiben, seinen Namen drüber zu setzen und so zu tun, als sei das eine eigene Leistung. Dasselbe wird mit Pressemitteilungen gemacht. Die mit Abstand schlimmsten Plagiatoren sind nicht Politiker, sondern Journalisten. Für wie blöd halten Sie, „liebe Kollegen“, die Leute eigentlich? Haben Sie schon mal drüber nachgedacht, warum es den Vorwurf der „Einheitspresse“ gibt?
Herausragende journalistische Qualität ist nicht nur die exklusive Story, sondern vor allem solides Handwerk. Die Basis sind Kontakte, Recherche und Fact-Checking. Dazu kommt immer entscheidender die redaktionelle Auswahl von Themen und die Verarbeitung zu einem „Hintergrund“.
Journalismus ist längst nicht mehr der „Gatekeeper“ von Informationen – ein Großteil von Informationen, auf die Journalisten früher quasi exklusiv Zugriff hatten, sind heute überall öffentlich einsehbar und durch jeden zu finden, der sich Mühe gibt. Die Prüfung und Einordnung ist das, was guten Journalismus von „Fake News“ und Kopier-Angeboten unterscheidet. Und eben auch die Quellentransparenz und -achtung. Wer das als Medienmacher nicht versteht, beschädigt die gesamte Branche.
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