Ludwigshafen/Frankenthal/Worms/Rhein-Neckar, 07. Januar 2012. Rund 200 Demonstranten haben sich am Samstag in Ludwigshafen gegen Rechtsradikalismus und Rassismus zusammengefunden. In Frankenthal sollen es 70 gewesen sein, in Worms 400. Das Netzwerk gegen rechte Gewalt und Rassismus hatte zum Gedenken an die Opfer der Zwickauer Neonazi-Zelle aufgerufen. Die NPD Rhein-Neckar hatte zuvor eine eigene Demo gerichtlich durchsetzen können – mehrere hundert Polizeibeamte sicherten den Auftritt von 20 Neo-Nazis ab. Einem Journalisten wurde in Ludwigshafen durch die Polizei mit einem Platzverweis gedroht, weil sich ein Rechtsextremer durch das Fotografieren „provoziert“ gefühlt hat.
Von Tilmann Schreiber
Was für ein Aufwand. Hunderte Polizisten sicherten in Ludwigshafen, Frankenthal und Worms die Lage, weil 20 NPD-Anhänger eine „Kundgebung“ veranstaltet haben. Angemeldet sollen bis zu 50 Personen gewesen sein.
Aggressive Stimmung
In Ludwigshafen stellte sich das Grüppchen gegen 12:00 Uhr in der Nähe des Hauptbahnhofs auf, die meisten mit Kappen und Kapuzen auf, den Blick zum Boden, damit man sie ja nicht erkennen kann.
Rund 25 Minuten wird über Megaphon gegen den Euro geschimpft und eine „Verstaatlichung“ des Nahverkehrs gefordert. „Volk“ und „Deutsche“ sind besonders betonte Wörter. Fotografen, die in die Nähe der 20-köpfigen Gruppe kommen, werden sofort angefeindet und beschimpft. Über die Polizei lässt einer der NPDler ausrichten, man wünsche keine Porträtaufnahmen.
Der stellvertretende Vorsitzende der NPD-Rhein-Neckar, Jan Jaeschke (Weinheim), wünscht explizit: „Sie können mich gerne fotografieren.“ Er hält die „Hauptrede“. Geklatscht wird fast auf Kommando. Zwei können nicht klatschen, weil sie jeder eine Fahne in der Hand haben. Die meisten tragen die Haare kurz oder Glatze, die Kleiderordnung ist überwiegend Marke „Ghetto-Look“.
Foto-Journalismus „provoziert“
Im Anschluss an die „Kundgebung“ wird es hektisch. Zwei Teilnehmer haben die Gruppe verlassen und gehen auf einen Fotografen los, der gut zehn Meter entfernt steht. Die Polizei geht dazwischen. Nach ein, zwei Minuten ist die Situation scheinbar entspannt, doch dann nimmt die Polizei die Daten des Journalisten auf, für eine „Anzeige“, denn er sei ja beschimpft worden, dem müsse man nachgehen. Der Journalist will aber keine Anzeige erstatten.
Ein anderer Polizist und ein Mitarbeiter des Ordnungsamts drohen dem Journalisten einen Platzverweis an, wenn er „weiter provozierend“ auftrete. Der Mitarbeiter vom Ordnungsamt, der auf mehrmalige Nachfrage weder seinen Namen nennt, noch sich ausweist, sagt:
„Es gibt auch Persönlichkeitsrechte. Sie dürfen nicht einfach jeden fotografieren. Ich will auch nicht fotografiert werden. Sie dürfen hier nicht einfach so rumfotografieren. Wer weiß schon, ob dann mein Kopf auf einen nackten Körper montiert wird? Das kriegt man nie mehr aus dem Internet raus.“
Danach verlässt der Ordnungsamtmitarbeiter die Szene.
Durch die deutliche Intervention eines weiteren Journalisten entspannt sich die Situation. Er klärt die Polizei auf, dass der Kollege keine Anzeige erstatten will und Beleidigung kein „Offizialdelikt“ ist, das die Polizei verfolgen muss. Ein paar Hinweise auf Presserecht und Kunsturheberrechtsgesetz beenden die Diskussion, weil die Beamten darauf wohl nicht vorbereitet sind.
Friedliche gegen Rechts-Demos
Auf dem Berliner Platz demonstrieren derweil rund 200 Menschen gegen rechten Terror, gedenken der Opfer der „Zwickauer Zelle“, die mindestens neun Menschen ausländischer Herkunft ermordet haben sollen. Zusätzlich sollen zwei Sprengstoffanschläge und 14 Banküberfälle auf deren „Konto“ gehen.
Die NPD-Gruppe fährt nach der kläglichen Vorstellung in Ludwigshafen weiter nach Frankenthal und Worms. In Frankenthal sollen sie nur eine Viertelstunde aufgetreten sein, in Worms hingegen rund 45 Minuten, wie die örtliche Zeitung berichtet. In Frankenthal soll es 70 Demonstranten gegen rechte Gewalt gegeben haben, in Worms 400, nach Darstellung der Wormser Zeitung 500.
Zunächst hatten die Städte die Demos der Rechten verboten – die Verwaltungsgerichte in Mainz und Neustadt hatten diese Entscheidung aber aufgehoben.
Am Ende des Tages bleiben enorme Kosten für einen vollständig überdimensionierten Polizeieinsatz, eine klare Positionierung der Menschen gegen rechte Extremisten und ein schaler Nachgeschmack über das Verhalten der Polizei in Ludwigshafen.