
Gerhard Fontagnier fordert eine konsequente Erinnerungskultur. Foto: privat
Von Gerhard Fontagnier
Wir sind froh und glücklich darüber, dass wir angefangen haben, uns mit der Rolle der Profiteure und der Rolle der Stadt im Nationalsozialismus zu beschäftigen.
Wir sind auch froh und glücklich darüber, dass wir hier in Mannheim klar und deutlich sind, wenn es gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus gilt Farbe zu bekennen.
Wir sind auch froh, dass unser Oberbürgermeister auch hierbei Rückgrat zeigt.
Wir können ebenfalls froh und glücklich sein, dass hier in unseren Reihen im Gemeinderat keine REP und kein NPDler sitzt, wie es unsere Nachbarstadt ertragen muss.
Damit dies so bleibt, setzen wir uns seit Jahrzehnten und zukünftig aktiv gegen Rechts ein. Aber damit unsere Stadt breit und tolerant bleibt, bedarf es auch klarer Signale in die Stadtgesellschaft. Dafür haben wir als gewählte Vertreter eine sehr große Verantwortung. Denn eine Lehre aus dem Nationalsozialismus ist sicher: nicht zu schweigen wenn Unrecht geschieht oder geschehen ist.
Verantwortung hat aber auch die Presse. Auch sie hat hat bisher zu wenig Fragen gestellt. Wenn wir dann noch über die Zeitung ermahnt werden, Würde gegenüber dem Ehrenbürger zu bewahren, dann ist das unwürdig. Die Würde bewahren heißt aber auch, klare Signale zu senden.
Wir haben erst angefangen, uns mit dem düsteren Kapitel zu beschäftigen. Unsere Stadtgesellschaft, die Schulen, die Verwaltung und wir Kommunalpolitiker müssen eine Erinnerungskultur erst entwickeln. Wir sind froh darüber, dass wir uns heute DAFÜR entscheiden. Wir können aber nicht froh sein, wenn heute die Ehrenbürgerwürde von Heinrich-Vetter bestätigt werden sollte.
Genügt es wirklich zu sagen: „Ja, er hat sich bereichert! Ja, er war NS-Mitglied! Ja, er war der größte Arisierer nach der aktuellen Studie! Ja, er hat jüdische Beschäftigte entlassen und er hat horrende Mieten für die Anmietung von Verkaufsräumen der ‚Verwertungsstelle für volksfeindliches Vermögen‘ in N7 erhalten. Aber, er hat durch sein Mäzenatentum alles wieder gut gemacht?“
Schauen wir doch den Tatsachen ins Auge: Er hätte seine Fehler bekennen können. Er hätte still und zurückhaltend spenden können. Nein – ich kenne keinen Namen der in dieser Stadt öfter auftaucht.
Schauen wir doch den Erkenntnissen ins Auge. Mindestens ein Gutteil des Geldes stammt aus dem legalisierten Raub der sogenannten Arisierung. Und: die Stiftung gibt es vielleicht nur, weil er keine Kinder hatte.
Wenn die Stiftung jetzt plant, mehr zu tun für Integration und Toleranz, dann ist das nur zu begrüßen.
Und: Nein – es geht nicht nur um Heinrich Vetter und es geht nicht nur um Namen. Es geht um Signale in die Stadt und in die Zukunft. Aber an Heinrich Vetter hat sich der Faden aufgezogen. Noch 2010 sollte eine Straße nach ihm benannt werden. Wir warten zum Beispiel immer noch, seit vielen Jahren, auf eine Straße mit dem Namen des Widerstandskämpfers Fritz Salm und die Schülerinnen und Schüler der Peter-Petersen-Schule suchen derzeit zusammen mit der Lehrerschaft einen neuen Namen für ihre Schule. Wo also bleibt der Maßstab im Falle Heinrich Vetter?
Auch wenn uns die Wissenschaftler empfehlen, die Ehrenbürgerwürde nicht abzuerkennen – so sollten wir uns dem nicht vorschnell anschliessen. Erst mit dem Aufbau einer Erinnerungskultur werden wir auch Maßstäbe für Konsequenzen aus den Erkenntnissen diskutieren.
Zum Schluss rede ich nur für mich selbst und mein Gewissen.
Ja, auch ich habe die Gnade der späten Geburt – aber nicht die Pflicht an der falschen Stelle großherzig zu sein und mein Gewissen zu übergehen.
Nur wer viel Geld hat, kann viel Geld spenden. Wenn das Geld aber zu einem Gutteil menschenverachtender Bereicherung entstammt – dann sollte es natürlich umfänglich dafür verwendet werden, dass etwas wie das Naziregime und dessen Hass nie wieder geschieht. Ja, Heinrich Vetter hat mit Geld viel Gutes getan. Ich bin bereit, dafür Danke und Anerkennung auszudrücken. Aber: Ehre wem Ehre gebührt – einen Ehrenbürger sehe ich in Heinrich Vetter nicht. Und eigentlich ist die Vetter-Stiftung eher zum Beispiel die „Samt und Seide“-Stiftung.
Gerhard Fontagnier, Rede im Gemeinderat für Bündnis 90/Die Grünen