Rhein-Neckar/Mannheim, 07. November 2016. (red/pro) Die Kriminaloberrätin Roswitha Götzmann hat knapp drei Jahre seit dem 01. Januar 2014 die Öffentlichkeitsarbeit (genannt „Ö“) des Polizeipräsidiums Mannheim für die Gebiete Mannheim, Heidelberg und Rhein-Neckar-Kreis geleitet. Zum November ist sie nach Stuttgart ins Innenministerium gewechselt. Zum Abschied haben wir die Polizeibeamtin zu ihrer Zeit im Präsidium interviewt. Wir bedanken uns sehr herzlich für eine immer professionelle und tatsächlich außergewöhnlich gute Zusammenarbeit und wünschen in Stuttgart einen guten Start.
Interview: Hardy Prothmann
Frau Götzmann, Sie sind ins Innenministerium gewechselt. Was erwartet Sie da an neuen Aufgaben?
Roswitha Götzmann: Das weiß ich noch nicht genau. Scherz beiseite – ich bin dort auch für Öffentlichkeitsarbeit zuständig, eine sehr interessante Aufgabe.

Roswitha „Rosi“ Götzmann ermahnt den Fotografen – im Spaß. Aber die freundliche Beamtin kann auch anders, wenn es sein muss. Beim NPD-Bundesparteitag in Weinheim 2015, wo dieses Foto entstanden ist, hat sie persönlich kurzentschlossen einen Randalierer festgenommen, als der stiften gehen wollte: „Die blauen Flecken tun weh“, sagte sie damals, „ab so ischs halt“.
Der Tod von Kindern geht nie spurlos an einem vorbei
Was war für Sie der härteste Fall in knapp drei Jahren als Leiterin der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit des Polizeipräsidiums Mannheim?
Götzmann: Ganz klar, kurz nach meinem Dienstantritt die drei toten Kinder in U 5, 3. Bei aller Professionalität geht einem so etwas immer ganz besonders zu Herzen. Das war ein schreckliches Unglück.
Wenn Sie auf die drei Jahre zurückblicken – wie hat sich die Pressearbeit verändert?
Götzmann: Insbesondere durch die neuen Medien wird alles scheinbar immer schneller. Das Problem: Technisch kann man zwar schneller berichten, aber inhaltlich nicht. Wer erwartet, dass wir kurz nach einer Tat bereits alle wesentlichen Informationen haben zu Tätern, Opfern, Motiv und so weiter, der wird enttäuscht werden. Die Ermittlungen haben immer Vorrang und die dauern die Zeit, die sie dauern. Wir informieren über Fakten und beteiligen uns nicht an Spekulationen.
Der Druck steigt – dem muss man standhalten
Das heißt, der Erwartungsdruck ist höher?
Götzmann: Ja. Aber das muss man aushalten. Auch intern. Viele Ermittler würden am liebsten gar keine Informationen in der Öffentlichkeit sehen – da muss man abwägen, denn die Öffentlichkeit weiß heute viel schneller, dass irgendetwas passiert ist, aber nicht genau was. Wir informieren dann, wenn Fakten vorliegen und Ermittlungen nicht gefährdet werden.
Wie haben Sie die Berichterstattung über den NPD-Parteitag in Weinheim wahrgenommen?
Götzmann: Das war unglaublich, wie viele falsche Informationen hier über das Internet gestreut und einfach übernommen worden sind. Mit einem Mal sollte die Polizei die Eskalation herbeigeführt und angeblich unnötig Gewalt ausgeübt haben. Das ging so schnell, das hat schon ein wenig sprachlos gemacht.
Kampagne mit Falschinformationen
Die Polizei hat ja dann – soweit ich weiß – erstmals eigenes Material gezeigt, um die Vorwürfe zu entkräften.
Götzmann: Für mich war das auch ein Präzedenzfall. Sie müssen bedenken: Das Material ist Teil der Beweismittel, die eigentlich niemals vor Ende der Ermittlungen gezeigt werden. In diesem Fall hatte die Staatsanwaltschaft Teile freigegeben, weil der Druck so enorm auf falschen Informationen beruhte, dass wir hier einfach aktiv werden mussten, um diese Propaganda aus der Welt zu schaffen.
Hat es was genutzt?
Götzmann: Es hat eine weitere falsche Berichterstattung jedenfalls gestoppt. Die „Aufklärung“ wurde allerdings nicht mit der Energie betrieben wie die vorherigen Anschuldigungen. Aber das ist nur meine persönliche Meinung.

Verabschiedung im Präsidium. Foto: privat
Es gibt immer mehr Gewalt gegen Beamte – werden die auch gewalttätiger?
Götzmann: Nein. Ob und wann unmittelbarer Zwang ausgeübt wird, hängt immer vom Gegenüber ab. Insofern besteht so gesehen ein Zusammenhang – je mehr Widerstand geleistet wird, umso mehr staatliche Gewalt muss auch ausgeübt werden. Dabei wird gerne übersehen, dass die Polizei das Gewaltmonopol des Staates ausübt und niemand sonst.
Wie vor einigen Wochen am Markplatz – da musste die Einsatzeinheit die Kollegen von der Schutzpolizei vor Bürgern schützen.
Götzmann: Ja. Es gibt leider vermehrt die Ansicht, die Polizei handle nicht rechtmäßig und der Bürger könne sich einmischen. Das kann er aber nicht während einer polizeilichen Maßnahme. Wer denkt, dass die Kollegen falsch gehandelt haben, kann sich beschweren oder Anzeige erstatten, aber niemals in einen Einsatz eingreifen.
Der Respektsverlust ist spürbar
Woher kommt dieses Misstrauen?
Götzmann: Wenn ich Ihnen das beantworten könnte. Das sind vermutlich sehr viele Gründe. Tatsache ist, dass es einen spürbaren Respekts- und Vertrauensverlust ins Handeln staatlicher Behörden gibt, das betrifft ja längst nicht nur die Polizei. Das darf uns nicht beeindrucken. Unsere Polizei ist sehr gut ausgebildet und macht ihre Arbeit sehr gut.
Beispiel Neckarpromenade. Die Bürger haben sich massiv beschwert, dass man die Polizei zu wenig vor Ort gesehen habe.
Götzmann: Sehr gutes Beispiel. Wir haben dort in den vergangenen Wochen 43 Haftbefehle durchgesetzt. 43! Und zwar über verdeckte Maßnahmen. Insbesondere Delikte der Rauschgiftkriminalität sind sehr arbeitsintensiv, um Straftäter erfolgreich dingfest zu machen. Das ist uns gelungen – was fehlt, ist der große Auftrieb vor Ort.
Die Polizei informiert nicht nur passiv auf Anfrage, sondern zunehmend aktiv mit Aktionen, Veranstaltungen und öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen wie der Poser-Kontrolle. Wie wichtig ist das?
Götzmann: Das ist sehr wichtig. Auch wir müssen Aufmerksamkeit für uns und unsere Arbeit herstellen und wir müssen versuchen, die Bürger miteinzubeziehen. Beispiel: Einbruchsdiebstahl. Je besser die Bürger informiert sind und wissen, wie man sich durch technische Prävention selbst vorsorgen kann, umso mehr können sie die Wahrscheinlichkeit Opfer zu werden reduzieren.
Die Poser-Kontrollen haben eine riesige öffentliche Wahrnehmung erfahren, aber – und damit schmälere ich den Erfolg nicht, sondern möchte nur in Bezug auf die Drogenkriminalität beispielsweise auf die Unterschiede hinweisen: Die Verkehrsrowdys begehen Ordnungswidrigkeiten oder sogar Straftaten und werden im öffentlichen Raum „aus dem Verkehr“ gezogen und alle bekommen es mit. Bei Einbruchdiebstahl, Sexualdelikten, Rauschgift und anderen Straftaten fehlt diese Öffentlichkeit. Deswegen sind Arbeit und Erfolg hier schwieriger zu vermitteln.

Der Abschied wurde mit einem selbstgemachten Kuchen der Kollegen „versüßt“. Foto: privat
Soziale Medien sind wichtig – aber auch anstrengend
Die Polizei setzt auch vermehrt auf soziale Medien, beispielsweise Facebook. Erfolgreich?
Götzmann: Ich sage mal so, es wird sehr gut angenommen und das gehört heute zu moderner Öffentlichkeitsarbeit dazu. Es macht auch viel Arbeit, weil man das intensiv betreuen muss.
Was werden Sie an Mannheim vermissen?
Götzmann (lacht): Ihre täglichen Anrufe Herr Prothmann. Kleiner Scherz. Es war für mich eine schöne, lehrreiche, aber auch sehr anstrengende Zeit hier. Natürlich vermisst man die Kollegen, mit denen man gut zusammengearbeitet hat. Aber ich freue mich auch auf die neue Aufgabe in Stuttgart.
Anm. d. Red.: Von allen aus der Redaktion gibt es schöne Grüße und den Wunsch auf eine gute Zeit in Stuttgart für Frau Götzmann. Wir haben unendlich oft miteinander telefoniert, uns häufig bei Termine getroffen, der Austausch war immer professionell und die Informationen immer zutreffend. Und es blieb auch Zeit für persönliche Gespräche. Was für „Rosi“ Götzmann gilt, gilt auch für ihre Kollegen. Die Zusammenarbeit mit allen Pressesprechern ist hochprofessionell und unser journalistischen Aufgabe sehr dienlich.
Zur Person:
Roswitha Götzmann (48) stammt aus Stutensee bei Karlsruhe. Seit 01. September 1987 ist sie bei der Polizei von der Pike auf – nach dem Streifendienst und Wechsel zur Kriminalpolizei kam die Ausbildung für den gehobenen und dann höheren Dienst. 2010 hat die Kriminaloberrätin ihren Master gemacht. In Heidelberg war sie drei Jahr Leiterin der Kriminalinspektion 2 Organisierte-/Bandenkriminalität und Rauschgift. Seit 01. Januar 2014 war sie Leiterin von „Ö“, also Öffentlichkeitsarbeit des Polizeipräsidiums Mannheim. Seit 01. November ist sie im Innenministerium Abteilung 3, Referat 35 für Öffentlichkeitsarbeit zuständig.
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