Mannheim, 07. Oktober 2015. (red/ms) Dass es nicht allzu rosig mit Mannheims Finanzen aussieht, ist weithin bekannt. Jetzt verdeutlichen allerdings der Haushaltsplanentwurf für die Jahre 2016/2017 und die mittelfristige Finanzplanung bis 2019, wie ernst die Situation wirklich ist: Die Ausgaben der Stadt steigen deutlich schneller als ihre Einnahmen. Wenn es Mannheim nicht gelingt, dieses Problem in den Griff zu bekommen, setzt die Stadt langfristig ihre finanzielle Handlungsfähigkeit aufs Spiel. Um das zu verhindern, muss strukturell gespart werden – und das wird schmerzhaft.
Von Minh Schredle
Das Haushaltsvolumen der Stadt Mannheim umfasst in den kommenden beiden Jahren jeweils rund 1,3 Milliarden Euro. Von diesem Betrag steht der Stadt allerdings nur ein sehr geringer Teil für Investitionen frei zur Verfügung – denn zunächst muss eine Kommune ihren Pflichtaufgaben nachkommen und Geld für laufende Kosten bereithalten.
Allein für die Sozialaufwendungen der Stadt muss etwa ein Viertel des Gesamthaushalts aufgewendet werden – und die Kosten steigen seit Jahren rapide: Im Jahr 2000 mussten “nur” 139,8 Millionen Euro aufgebracht werden. 2014 lag dieser Betrag bei 272,8 Millionen Euro. Bis 2019 werden die Kosten nach den Schätzungen der Stadt auf über 320 Millionen Euro ansteigen.
Auch bei den Personalkosten der Stadt zeigt sich eine bedenklich Entwicklung: Sie sind in den vergangenen zehn Jahren um fast 80 Millionen Euro angestiegen – und es ist kein Ende in Sicht: Nach dem Rechnungsergebnis für das Jahr 2014 lagen die Personalkosten bei 278,2 Millionen Euro. 2019 werden sie voraussichtlich 323,1 Millionen Euro betragen. Das entspricht einer Zunahme von mehr als 16 Prozent in nur fünf Jahren.
Auf die Entwicklung dieser Kosten hat die Stadt nur begrenzt Einfluss. Vieles wird nicht durch die Kommunalpolitik festgelegt, sondern auf Bundes- und Landesebene bestimmt. Beispielsweise die Tarifbestimmung für städtische Angestellte. Was die Stadt allerdings selbst in der Hand hat, ist, welche freiwilligen Personalstellen sie schafft. Beispielsweise gibt es keine zwingende Notwendigkeit für einen Kommunalen Ordnungsdienst (KOD), der den Haushalt mit 34 optionalen Planstellen belastet.
Wo soll das Geld herkommen?
Wie Christian Specht (CDU), Erster Bürgermeister und als Kämmerer zuständig für Mannheims Finanzen, in seiner Haushaltsrede am vergangenen Mittwoch ausdrücklich betonte, sei die Lage “so heiß, wie nie zuvor.” Er sagt zur Entwicklung der laufenden Kosten:
So eine Dynamik können wir uns nicht mehr lange leisten.
Es müsse unbedingt strukturell gespart werden. Denn die Möglichkeiten der Stadt an mehr Geld zu kommen, seien stark begrenzt: Es gebe kaum noch städtische Grundstücke, die man verkaufen könne. Die Rücklagen der Stadt würden schrumpfen. Neue Schulden wolle man vermeiden. Und auf Zuschüsse von Land und Bund habe man nur sehr bedingt Einfluss.
“Einsparungen sind unverzichtbar”
Weitere “Haushaltsstrukturprogramme” sind daher nach Darstellung des Kämmerers vollkommen unverzichtbar: Freiwillige Aufgaben der Stadt sollen darin ermittelt und anschließend gekürzt, beziehungsweise vollständig gestrichen werden.
Das erste Mannheimer Haushaltsstrukturprogramm wurde bereits 2010 auf den Weg gebracht und ist abgeschlossen. In den kommenden Wochen und Monaten soll der Gemeinderat ein zweites Strukturprogramm beschließen, durch das ab 2017 jährlich 15 Millionen Euro eingespart werden.
Doch auch das werde nicht ausreichen, um die Stadtfinanzen langfristig in den Griff zu bekommen, sagt Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD) im Gespräch mit Journalisten. Deswegen werde die Verwaltung ein drittes Haushaltsstrukturprogramm vorbereiten, über das ab dem Herbst 2016 beraten werden soll.
Das Haushaltsstrukturprogramm III soll den Haushalt ab 2018 um zusätzlich 40 Millionen Euro pro Jahr entlasten. Wo genau die Einsparungen vorgenommen werden sollen, ist aktuell noch völlig offen. Klar dürfte dagegen sein, dass es insbesondere bei den freiwilligen Leistungen, die die Stadt erbringt, massive Einschränkungen geben werden muss.
Was ist entbehrlich? Was unverzichtbar?
Klar ist ebenfalls, dass es im Gemeinderat heftige Debatten darüber geben wird, was entbehrlich und verzichtbar ist. Schon beim Haushaltsstrukturprogramm I zeigten sich die Fraktionen und Gruppen bei vielen Einsparvorschlägen der Verwaltung ausgesprochen widerwillig, beziehungsweise ablehend. Und hier wurden “nur” 19 Millionen Euro eingespart. Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz sagt zu den geplanten Einsparungen:
Die Summen von 15 Millionen und 40 Millionen Euro sind extrem ambitioniert, aber erreichbar.
Laut dem Oberbürgermeister seien die Strukturprogramme die einzige Möglichkeit der Stadt, das notwendige Investitionsniveau aufrecht zu erhalten, ohne neue Schulden zu machen – Letzteres wolle man aber vermeiden, da zusätzliche Zinszahlungen für Kredite das Problem der ansteigenden laufenden Kosten nur noch weiter verschärfen würden.
“Investitionsniveau muss hoch bleiben”
Nach Ansicht von Dr. Kurz wäre es der falsche Weg, die Investitionen der Stadt zu stark einzuschränken. Man dürfe bei der Finanzplanung nicht nur die kommenden Jahre, sondern müsse die kommenden Jahrzehnte im Blick behalten. Um zukunftsfähig zu bleiben, brauche die Stadt jedes Jahr etwa 80 Millionen bis 100 Millionen Euro, die sie frei in Projekte, Neubauten und Sanierungen investieren könne.
Wie Erster Bürgermeister Christian Specht mitteilt, sei es in den vergangenen 15 Jahren gelungen, im Durchschnitt 90 Millionen Euro pro Jahr zu investieren. Dieses Niveau müsste man eigentlich aufrecht erhalten, um die zahlreichen Großprojekte zu verwirklichen, die für die nahe Zukunft geplant sind.
Schul- und Straßensanierungen, der Neubau des Technischen Rathauses, die neuen Feuerwachen, der Umbau der Planken, die Sanierung des Nationaltheaters, die Entwicklung des Glücksteinquartiers, der Ausbau des Radwegenetzes, die Konversion und die Bundesgartenschau, um nur einen Teil zu nennen – für die Maßnahmen, die die Stadtverwaltung in den nächsten zehn Jahren umsetzen will, gibt es nach der Finanzplanung von Bürgermeister Specht (CDU) einen Investitionsbedarf zwischen 800 Millionen und einer Milliarde Euro.
Laut Oberbürgermeister Dr. Kurz seien unter den geplanten Maßnahmen auch “viele Investitionen in die Zukunft, die sich erst langfristig auszahlen” würden. Dabei müsse man auch an die folgenden Generationen denken: Ohne weiteren Mehrwert würde Mannheim langfristig seine Attraktivität als Standort verlieren und auf Dauer noch weniger Geld zur Verfügung haben, weil Investoren aus der Wirtschaft andere Städte bevorzugen und dementsprechend Steuereinnahmen ausbleiben würden.
Bitte kein Parteingeplänkel
Die finanzielle Lage der Stadt ist angespannt – aber sicher nicht aussichtslos. Die Stadtverwaltung hat für die bevorstehenden Jahre einen sehr ambitionierten Fahrplan präsentiert: Trotz der zahlreichen kostenintensiven Großvorhaben, die unmittelbar bevorstehen, sollen nicht nur keine neuen Schulden aufgenommen, sondern auch noch Altlasten abgebaut werden. Gleichzeitig will man das bisherige Investitionsniveau aufrecht erhalten. Um das zu erreichen, sind massive Einschränkungen unausweichlich.
Vor diesem Hintergrund bleibt zu hoffen, dass die Landtagswahl im März 2016 die bevorstehenden Haushaltsberatungen des Gemeinderats nicht allzu negativ beeinflussen. Für gönnerhafte Geschenke an die potenzielle Wählerschaft sind keine Mittel vorhanden. Und das letzte, was die Stadt in ihrer aktuellen Lage gebrauchen kann, ist Parteiengeplänkel. Das betont auch Bürgermeister Specht:
Übliche Abwehrmechanismen und parteipolitische Ideologien müssen zurückgestellt werden!
Unter Umständen müsse auch einmal “nein” zu etwas gesagt werden, was man eigentlich gerne gewährt hätte. Man müsse jetzt diszipliniert und parteiübergreifend nach den sachlich sinnvollsten Möglichkeiten zur Stadtentwicklung suchen. Alles andere könne man es sich nicht mehr leisten.
Kein Platz für Egoismus
Wie genau sich die massiven Einsparungen bemerkbar machen werden, ist momentan noch nicht abzuschätzen. Sicher ist, dass es nicht spurenlos an der Stadt vorbeigehen wird. Oberbürgermeister Dr. Kurz sagt dazu:
Es muss weniger Platz für Einzelinteressen, Gruppenforderungen und schlichte Egoismen geben. Die Stadt als Ganzes muss im Blick sein. Projekte müssen sich daran messen lassen, wie sie auf die ganze Stadt wirken.
Das muss nicht nur die Politik berücksichtigen – sondern auch die Bürgerschaft: Bei der Stadtentwicklung muss das Allgemeinwohl über den Interessen des Individuums stehen.