Weinheim/Rhein-Neckar, 06. März 2018. (red/pro) TTT ist die Erfolgsformel für Bild. Das steht nicht für die ARD-Sendung Titel-Thesen-Temperamente, sondern für Tiere-Titten-Tote. Diese Themen gehen immer als Schlagzeile. Ebenso “Kinder”. Sex und Kinder ist regelmäßig skandalverdächtig und wer das wie “aufmacht”, zeigt eindrücklich, wer journalistisch seriös agiert und wer ein Hetzangebot verantwortet. Unser Artikel könnte Sie verunsichern, wem Sie trauen können und wem nicht.
Ui – Sie können erst lesen, wenn Sie zahlen? Sowas aber auch. Tanken Sie für lau? Wohnen Sie fer umme? Schlemmen Sie sich durch den Alltag, ohne zu bezahlen? Reisen Sie for free? Das dürfen Sie – Sie müssen nichts wissen, Sie können sich aus “kostenlosen Quellen informieren”. Sie können “Mainstream” sein und Mitläufer von was auch immer. Das wollen Sie nicht? Ok, dann haben Sie verstanden, dass journalistische Leistung ebenso wie andere Leistungen Geld wert ist. Geld für Information zahlen wollen Sie nicht? Dann bleiben Sie halt doof. Ihre Entscheidung. Menschen, die sich informieren wollen und bereit sind, Information zu bezahlen, sind uns willkommen als Förderer oder bei Steady.
Von Hardy Prothmann
Die Bildzeitung weiß wie immer genau Bescheid: “Kinderschänder-Angst im Spaßbad” “informierte” die Zeitung unlängst.
Das ist Meinung pur – ohne jegliche faktische Substanz. Gab es eine wissenschaftlich anerkannte Umfrage, die diese “Angst” belegt? Möglicherweise “zweifelsfrei”? Nö. Das ist der Bild auch egal – der geht es um den Trigger. Kinder schänden zum Spaß könnte man die Schlagzeile auch dekrypten…
Aktuell haben verschiedene Medien der Region das Freizeit- und Erlebnisbad Miramar als Skandalobjekt entdeckt. Folgt man der Berichterstattung und ist nur ein “durchschnittsverständiger” Leser, könnte man zu dem Eindruck kommen, dass in dieser Anlage “Kinderschändung” an der Tagesordnung ist.
“Kinderschändung” ist ein Begriff, der vor allem von Neonazis gerne benutzt wird. Naja, auch von der Bild. Was jetzt nicht heißt, dass die bei der Bild Neonazis sind, aber doch, dass man dort überhaupt keine Probleme hat, sich neonazistischer Topoi zu bedienen.
Mal abgesehen von irgendwelchen Zuweisungen. Der Gefahrreflex ist dem Menschen immanent, seit er “lesen” kann. “Lesen” kommt übrigens von lateinisch “legere”, übersetzt “suchen, sammeln”. Die frühen Menschen waren Jäger und Sammler, aber auch immer Gejagte. Sie “lasen” Beeren und Früchte auf sowie “Spuren” – der einen Spur sind sie gefolgt, weil die Essbares versprach, vor anderen Spuren sind sie geflüchtet, weil diese darauf hindeutete, dass man selbst “essbar” war. Bis heute ist die typische Lesehaltung ein leicht geneigter Kopf nach unten – auf den “Boden der Tatsachen”. Haben Sie schon mal darüber nachgedacht? Nein – dann machen Sie das.
Spurensuche war noch nie einfach. Weder im Überlebenskampf in Urzeiten, noch später in revolutionären, noch heute in rechtsstaatlichen Zeiten. Spuren sind meist nie eindeutig, müssen verfolgt und überprüft werden.
Aktuell haben sich verschiedene Medien der Region entschlossen, ohne jegliche Überprüfung sofort zum Urteil überzugehen. Angeblich herrscht in einem Freizeitbad, jeder weiß, dass es sich um das Miramar in Weinheim handelt, weil das kommuniziert worden ist, die blanke Angst. Meint jedenfalls die Bild.
Fakten spielen bei solchen journalistischen Skandalisierungen meistens keine Rolle. Für ein Angebot der Dr. Haas-Mediengruppe (Mannheimer Morgen), die Headline24-Portale steht alles zweifelsfrei fest, was aktuell durch die Ermittlungsbehörden noch überprüft wird: Ein “Perverser” hat sich einem 10-jährigen Mädchen unsittlich genähert.
Es kann zutreffend sein, dass es Vorfälle gab, über die die Öffentlichkeit Bescheid wissen sollte – um sich eine Meinung zu bilden und auch, um sich dazu durch eigene Entscheidung zu verhalten.
Wir haben die ersten Meldungen verfolgt, das Thema als relevant eingeordnet, aber bislang – aus Krankheitsgründen vor allem – keine besonderen Recherchen angestellt. Das hat sich nun geändert. Erste Rechercheanfragen sind raus und unsere Berichterstattung wird folgen.
Diese Themenlage ist extrem komplex – gilt es doch viele Rechte zu beachten. Persönlichkeitsrechte von mutmaßlichen Opfern – wie auch von mutmaßlichen Tätern. Denn was, wenn es zu einer Identifizierung käme, letztlich aber herauskäme, dass ein “Täter” keiner war? Davon kann sich niemand “mehr was kaufen”. Eine Identifizierung als “Kinderschänder” bedeutet das gesellschaftliche Aus – auch, wenn die Vorwürfe nicht zutreffen.
Wir betrachten es mit Ekel und Abscheu, wenn beispielsweise auf der Facebook-Seite der Weinheimer Nachrichten erlaubt wird, dass User Forderungen stellen dürfen, die Namen und Fotos von “Tatverdächtigen” sollten veröffentlicht werden.
Ein Tatverdächtiger ist bis zum Urteil kein Täter. Im Fall eines Freispruchs schon gar nicht.
Wenn Medien grundlegende Prinzipien des Rechtsstaats ignorieren – mutmaßlich aus Sensationsgeilheit – dann wird es ganz eng in diesem Land. Das ist so brandgefährlich wie eine Vorabverurteilung durch Schlagzeilen und Mutmaßungen ohne jeglichen Beleg.
Jemand, der pädophile Neigungen zeigt, ist kein Krimineller im üblichen Sinn. Meist sind diese Menschen psychologisch krank. Man kann sie als “Perversen” bezeichnen und damit ihre “Abartigkeit” zementieren – “abartig” haben die Nazis nicht erfunden, aber weidlich genutzt, um “unwertes Leben” zu definieren.
Seriöser Journalismus sollte hier sehr genau differenzieren – sonst ist er verantwortungsloser Boulevard. Der mutmaßlich “Perverse” entscheidet nicht rational, dass er sich heute mal eine Perversion “leistet”, er ist krank. Das entschuldigt nicht die Taten an anderen, die möglicherweise Opfer werden. Aber es ordnet ein. Es gibt, so sehr die Gefühle auch hochgehen, die Möglichkeit einer “ordentlichen” Einschätzung und damit einer ordentlichen Meinungsbildung.
Der Staat muss die Gesellschaft vor solchen Leuten schützen – meist kann er das erst, wenn der “Sündenfall” eingetreten ist. Das gehört zum Lebensrisiko – so schwer das auch individuell zu verstehen sein mag.
Seriöser Journalismus informiert über solche Zusammenhänge – in anderen Medien haben Sie einen solchen Artikel noch nicht lesen können, weil die Bereitschaft zur Selbstreflexion nicht eben weit verbreitet ist. Das ärgert uns sehr, weil wir nicht für Fehler von anderen “mitverhaftet” werden wollen.
Wir werden Ihnen in den nächsten Tagen mit seriösen Mitteln vernünftig eingeordnete Informationen liefern. Wir benennen dabei Fakten und Mutmaßungen exakt.
Anm. d. Red.: Wir stehen außerdem für Transparenz. Das Miramar ist seit vielen Jahren Werbekunde von uns. Wie bei allen Werbekunden ist bei uns – im Gegensatz zu anderen Medien – klar, dass wir zwischen der Geschäftsbeziehung und dem redaktionellen Teil strikt trennen. Als es vor einigen Jahren zu einem folgenschweren Unfall in einer neuen Rutsche kam, hatten wir exklusiv darüber berichtet – es folgte eine bundesweit mediale Aufmerksamkeit. Unsere Leserschaft kann davon ausgehen, dass wir nach gleichen journalistischen Maßstäben gegenüber allen handeln. Das wird auch von unseren Werbepartnern akzeptiert – bei uns gibt es keine “netten” Berichte gegen Geld. Wir haben nur ein einziges Mal eine direkte Kündigung infolge einer Berichterstattung erhalten – durch ein Weinheimer Autohaus, das zu “Pfenning” gehört. Der Vertrag wurde nach einer kritischen Berichterstattung gekündigt – der wirtschaftliche Schaden für uns war journalistisch gesehen irrelevant, auch, wenn er in die Tausende ging. Wir haben eine Währung und die heißt Glaubwürdigkeit.