Eberbach/Heidelberg/Rhein-Neckar, 07. Januar 2013. (red/pro/tt/PR-Video.de) Polizei und Staatsanwaltschaft haben heute in einer gemeinsamen Pressekonferenz Hintergründe zum Doppelmord in Eberbach erläutert. Wir dokumentieren die Ermittlungsergebnisse.
Am Freitagvormittag, den 04. Januar 2013, wird eine Nachbarin auf das weinende Enkelkind vor dem Haus des getöteten Ehepaares in Eberbach aufmerksam. Die Nachbarin verständigt die Polizei.
Gegen 11 Uhr treffen die Beamten ein und entdecken im Haus die Leichname des 65-jährigen Lehrers und der 56-jährigen Kinderärztin. Der Tatort wird beschlagnahmt und von der Kriminaltechnik untersucht.
Vor Ort treffen die ersten Medienvertreter ein. Die Polizei veröffentlicht am Nachmittag eine erste Pressemitteilung. Die Nachricht verbreitet sich rasch. Die Menschen in Eberbach und Umgebung sind geschockt. Die rund 15.000-Einwohner zählende Stadt gilt als ruhig und beschaulich. Das getötete Ehepaar ist beliebt und durch die kommunalpolitische Tätigkeit ist der Gymnasiallehrer eine im Ort geschätzte und bekannte Persönlichkeit.
Das unverletzte Kind wird umgehend zur medizinischen und psychologischen Versorgung in eine Heidelberger Klinik gebracht.
Am Nachmittag trifft die Tochter der getöteten Frau am Tatort ein. Sie erfährt vollkommen unvorbereitet von der Bluttat. Die Polizei nimmt sie in Obhut und erhält einen ersten Hinweis auf den Täter. Die Tochter wollte der Mutter eine “schreckliche” Nachricht überbringen. Am Mittwoch, den 02. Januar, hatte sie durch die Karlsruher Polizei erfahren, dass sich der frühere Lebensgefährte der Ärztin zu Tode gestürzt hat. Heilbronner Polizeibeamte hatten in der Wohnung des kinderlosen Mannes Kontaktdaten der in Karlsruhe lebenden Tochter seiner früheren Lebenspartnerin gefunden. Die Tochter wollte diese Nachricht ihrer Mutter nicht am Telefon übermitteln, sondern persönlich erzählen.
Auch die Tochter wird umgehend psychologisch betreut.
Polizeibeamte aus Tauberbischofsheim hatten in der Nacht auf den 02. Januar gegen 1:30 Uhr die Leiche eines 59 Jahre alten Mannes gefunden. Neben der Leiche zudem eine Waffe und in einem auf der Autobahn A81 in Fahrtrichtung Würzburg abgestellten Mietwagen eine weitere Waffe und Munition. Der Mann hatte sich eine rund 60 Meter hohe Brücke hinuntergestürzt. Ein Zeuge hatte den Mann gegen 0:07 Uhr noch auf der Brücke gesehen und die Polizei verständigt.
Die Polizei schließt schon am Freitag einen Raubmord aus, weil offensichtlich weder eingebrochen worden ist noch Hinweise auf einen Raub vorlagen. Auch ein Selbstmord wird ausgeschlossen, da keine Waffe am Tatort gefunden worden war. Auch ein politisches Mordmotiv, der Lehrer war seit 2004 Stadtrat der grün-alternativen Liste in Eberbach, wird sehr schnell ausgeschlossen. Es gibt keinerlei Hinweise auf ein möglicherweise rechtsradikal-motiviertes Verbrechen.
Die Kriminalpolizei bildet die 32-köpfige Sonderkommission “Januar”.
Die Ermittler konzentrieren sich schnell bei ihren Ermittlungen auf das persönliche Umfeld des Ehepaares. Auch die drei erwachsenen Söhne des Lehrers werden befragt. Einer der Söhne berichtet den Ermittlern von einem Gespräch mit dem Vater am Samstang, den 29. Dezember 2012, bei dem dieser Sorgen über den Zustand des früheren Lebensgefährten seiner Frau, dem späteren Täter, äußert. Der Mann sei in einer wirtschaftlich desolaten Lage, suche seit längerem wieder Kontakt zur früheren Freundin und sei im Besitz von Waffen. Die Söhne des Lehrers und die Tochter der Ärztin gelten nicht als tatverdächtig.
Durch die Hinweise der Tochter und des Sohnes konzentrieren sich die Ermittlungen nun auf den 59-jährigen Mann, der zuletzt in Heilbronn wohnte.
In der Heidelberger Gerichtsmedizin werden die Leichen des getöteten Ehepaares obduziert. Die Waffen, die bei dem nun als mutmaßlichen Täter geltenden 59-jährigen Mann gefunden worden sind, werden zur balistischen Untersuchung nach Karlsruhe gebracht.
In der Wohnung des Mannes findet die Polizei rund 1.000 Schuss Munition sowie elf Jagd- und Kampfmesser. Die Polizei stellt fest, dass auf den Täter insgesamt sieben Waffen zugelassen sind – vier Faustfeuerwaffen sowie drei Gewehre. Ob alle Waffen vorhanden sind, kann bei der Pressekonferenz heute Mittag um 13 Uhr noch nicht gesagt werden, weil die fehlenden Waffen “ordnungsgemäß” in einem Waffenschrank verschlossen sind, der noch geöffnet werden muss. Ein Abschiedsbrief oder andere Hinweise fehlen. Die Waffen durfte das Mitglied eines Sportschützenvereins legal besitzen. Die Polizei stellt fest, dass der Mann in einer wirtschaftlich prekären Lage war. Der Handwerker war seit Jahren arbeitslos. Vor kurzem war sein Auto zwangsentstempelt worden – eine Zwangsräumung der Wohnung stand bevor.
Die Polizei ermittelt, dass die Ärtzin und ihr Mörder von 1994 bis 2003 ein Paar waren. Nach der Trennung scheint der wirtschaftliche Abstieg des Täters begonnen zu haben. Die vergangenen Jahre findet er keine Anstellung mehr und ist arbeitslos. Die Polizei stellt auch fest, dass der Täter 2004 Mitglied eines Schützenvereins wird und regelmäßig mit seinen Waffen trainiert.
Der Täter versuchte in den vergangen Monaten wieder einen Kontakt zu seinem späteren Opfer aufzubauen. Nach der Trennung war der Kontakt zunächst über lange Zeit komplett abgebrochen. Am 28. Dezember 2012 mietet der Täter ein Auto.
Am Abend des 01. Januar 2013 muss der Täter nach den äußeren Umständen und den rechtsmedizinischen Untersuchungsergebnissen die Eheleute zwischen 20:30 und vor 23:00 Uhr erschossen haben. Die Ermittler gehen davon aus, dass das Enkelkind die Tat nicht miterlebt, sondern bereits geschlafen hat. Der Lehrer hatte gegen 20 Uhr noch einen seiner Söhne zum Bahnhof gefahren.
Danach hat vermutlich der Lehrer den Mörder selbst ins Haus gelassen. Spuren für ein gewaltsames Eindringen gibt es nicht. Der Täter kennt das Versteck für einen Hausschlüssel. Dieser wird dort gefunden. Die Polizei geht nicht davon aus, dass der Täter sich Zugang zum Haus verschafft und dann den Schlüssel wieder ins Versteck gelegt hat.
Insgesamt gibt der Täter sieben Schüsse ab. Die Polizei spricht von einem “dynamischen Tathergang”. Drei Schüsse treffen den Lehrer, einer der Schüsse trifft das Herz. Mit zwei Schüssen tötet der Mann die Ärztin. Ein Schuss trifft das Herz, ein weiterer “Nachschuss” den Kopf der Frau, teilt die Staatsanwaltschaft mit. Der Täter verwendet als Waffe eine SIG Sauer, neun Millimeter, Parabellum. Dieser Waffentyp wird unter anderem vom amerikanischen Militär, aber auch vom Bundeskriminalamt benutzt. Der Name Parabellum leitet sich vom lateinischen Spruch Si vis pacem, para bellum (“Wenn Du Frieden willst, bereite den Krieg vor”) ab.
Die Schüsse fallen niemandem auf, da diese, wenn gehört, vermutlich als “Knaller-Geräusche” eingeordnet werden. Am Tag nach Silvester nicht außergewöhnlich – auch für eine ruhige Wohngegend nicht.
Ob der Täter den Tatort sofort nach der Tat verlässt oder sich noch im Haus aufhält, ist noch nicht bekannt. Die Polizei rekonstruiert die Fahrtzeit vom Tatort zum Fundort der Leiche des Täters. Vermutlich betrug die Fahrtzeit 1 Stunde und 15 Minuten. Damit muss der Täter vor 23 Uhr den Tatort verlassen haben.
Das zweijährige Enkelkind bleibt gut zweieinhalb Tage allein im Haus und versorgt sich vermutlich mit offen stehenden Nahrungsmitteln. Die Polizei geht davon aus, dass es dem Kind am Freitag selbst gelingt, die Haustür zu öffnen. Es setzt sich weinend vor dem Haus in einen Buggy-Kinderwagen.
Am Sonntag, den 06. Januar 2013, stimmen Polizei und Staatsanwaltschaft am frühen Morgen die Ermittlungsergebnisse ab und sind sicher, dass der 59-jährige Mann der gesuchte Doppelmörder ist. An der Ermittlung sind Polizeikräfte aus Tauberbischofsheim, Heilbronn, Karlsruhe und der Polizeidirektion Heidelberg beteiligt. Um 12 Uhr gibt die Polizei eine gemeinsame Pressemitteilung heraus, um die Öffentlichkeit zu informieren, dass der Täter ermittelt worden ist und keine Gefahr mehr von ihm ausgeht.
Am 07. Januar 2013 informieren Alexander Schwarz, Leiter der Staatsanwaltschaft Heidelberg, Oberstaatsanwalt Dr. Michael Krauß, der Siegfried Kollmar, Leiter der Kriminalpolizei Heidelberg sowie der Leiter der Sonderkommission “Januar”, Marcus Winter und Bernd Fuchs, Leider der Polizeidirektion Heidelberg, in einer gemeinsamen Pressekonferenz im Eberbacher Rathaus die Öffentlichkeit über die Ermittlungsergebnisse. Weitere Ermittlungen zum genauen Tatablauf dauern an, ebenso zu den Waffen und möglicher weiterer Details für das Tatmotiv.