Mannheim, 07. Mannheim/Rhein-Neckar, 07. März 2016. (red/ms) Die Linke ist Oppositionsführerin im Bundestag und dort die drittstärkste Partei – in der Landespolitik von Baden-Württemberg spielte Die Linke dagegen bislang kaum eine Rolle. Nach aktuellen Umfragen würde sie den Einzug in den Landtag auch am kommenden Sonntag knapp verpassen. Am Freitag trat Bodo Ramelow, der erste und einzige linke Ministerpräsident, in der Mannheimer Lanzkapelle auf und warb für seine Partei. Die Botschaft: „5,1 Prozent sind auch in Baden-Württemberg mindestens machbar“.
Von Minh Schredle
Brandender Beifall bricht los, fast das gesamte Publikum nickt energisch mit dem Kopf. Gerade hat sich Bodo Ramelow für eine „Sozialstaat-Garantie“ ausgesprochen. Und bringt das auf folgende Formel:
Jeder, der hier ist, ist zu allererst einmal ein Mensch – und nicht eine Kategorie!
Lasten verteilen
Der linke Ministerpräsident von Thüringen meint damit nicht nur Flüchtlinge – sondern auch Langzeitarbeitslose, Geringverdienende und Opfer von Diskriminierung. Für eine funktionierende Gesellschaft brauche es sozialen Zusammenhalt, sagt er. Das bedeute, dass jeder die Bereitschaft zeigen müsse, die Last des anderen mitzutragen:
Und wenn jemand mehr schultern kann, warum sollte er es dann nicht tun?
Wieder gibt es dafür die Zustimmung von fast allen 80 anwesenden Besuchern. Kurz vor der Landtagswahl macht der erste und bislang einzige linke Ministerpräsident in der Mannheimer Lanzkapelle Werbung für die Positionen seiner Partei und unterstützt die Mannheimer Kandidatinnen Hilke Hochheiden und Gökay Akbulut (Spitzenkandidatin für die Linke Baden-Württemberg) im Wahlkampf.
Es ist ein sehr emotionaler Vortrag – mit klarer Haltung: Im Vordergrund der politischen Zielsetzung müsse ein gutes menschliches Zusammenleben stehen – und nicht in erster Linie wirtschaftliche Erwägungen. In Thüringen funktioniere das seit seinem Amtsamtritt, sagt er:
Am Anfang waren ja die Sorgen groß, das ganze Kapital würde wie ein scheues Reh nach Bayern flüchten.
Nichts der gleichen wäre passiert. Tatsächlich sei die Arbeitslosigkeit aber deutlich gesunken. Es gelinge, Menschen wieder in das soziale Zusammenleben einzugliedern, Ausgrenzung abzubauen und damit mehr soziale Gerechtigkeit zu verwirklichen. Ein Punkt sei dabei auch die Kinderbetreuung:
Thüringen erstattet 95 Prozent der Kita-Gebühren. Das kostet uns richtig was – aber das ist es uns Wert.
Es sei ein wichtiger Beitrag zur Chancengleichheit – und langfristig würden sich gute Bildungschancen für alle besser bezahlt machen als die Bevorzugung von ein paar Wenigen.
Ähnlich sehe er das mit der „sogenannten Flüchtlingskrise“. Dass man Menschen nicht kostenlos integrieren könne, müsse jedem klar sein. Also müsse man „richtig Geld in die Hand nehmen“. In Thüringen habe die Landespolitik 2014 nur 75 Millionen Euro für die Unterbringung von Asylbewerber eingeplant – 2015 stattdessen fast eine halbe Milliarde Euro. Das bringe Erfolge:
Jeder Asylsuchende, der in Thüringen ankommt, kennt nach zehn Tagen seine Bleibeperspektive.
So stelle er sich einen verantwortungsvollen Umgang mit Menschenleben vor, sagt Herr Ramelow. Es sei hingegen durch nichts zu rechtfertigen, dass zigtausende Menschen seit über zwei Jahren bangen müssten, ob ihr Asylantrag gewährt wird.
Schuld der SPD
Es sei eine bedenkliche Stimmung, die man gerade in Deutschland beobachten könne, sagt Herr Ramelow. Viel Feindseligkeit, viel Hass. Soziales Elend, Armut und Unzufriedenheit. Aber diese Wut dürfe nicht die Schwächsten und Schutzbedürftigsten treffen:
Mal ganz im Ernst: Wer glaubt denn wirklich, dass es ihm finanziell besser gehen würde, wenn keine Flüchtlinge da wären?
Das Geld sei jahrelang an den falschen Stellen gespart worden. Dazu komme eine Riesterrente, die die Ärmsten noch weiter benachteilige und Hartz IV, das „die Gesellschaft gespalten“ habe:
Daran trägt die SPD Schuld. Das darf uns aber nicht daran hindern, den linken Konsens voranzutreiben, für den es eine Mehrheit gibt.
So könne man in Thüringen sehr gut zusammenarbeiten. Unabhängig von den Prozentpunkten, die die Parteien mitbringen, sei es eine „Koalition auf Augenhöhe“. „Auch auf Bundesebene gibt es eine Mehrheit links der CDU,“ sagt er. Und appelliert: „Wir müssen uns auf den Konsens besinnen, wenn wir unsere Ziele verwirklichen wollen.“
Doch aktuell reduziere sich in der Debatte vieles auf Krawall und Hetze, von der nur Extremismus profitiere – ganz besonders im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise werde hier mit Emotionen gespielt:
Es gibt zwar immer neue Vorschläge, die sich „Lösungen für die Flüchtlingskrise“ nennen. Meistens sind es aber keine „Lösungen“, die diesen Menschen helfen, sondern sie im Gegenteil bekämpfen.
Dabei würde zunehmend rassistisch gedacht. So wären „Höcke und die AfD nicht einfach nur ein bisschen Nationalpopulismus“. Aber auch in anderen Parteien werde zunehmend fremdenfeindlich gedacht. Herr Ramelow fragt:
Was ist das denn für eine Zeit, in der ein Linker den Kurs von Merkel verteidigen muss, während Wolf und Klöckner das Gegenteil tun?
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Doppelte Standards
Natürlich müsse man Flüchtlingen erklären, was unsere westlichen Werte ausmache und wie man sich hier zu verhalten habe – aber dann solle man sich bitte auch selbst daran halten und das leben, was man predigt:
Flüchtlingsheime anzuzünden, ist sicher kein Ausdruck von Humanismus – sondern Terrorismus!
Auch in anderen Bereichen gebe es eine Tendenz, selbst das zu betreiben, was man bei anderen verurteilt. Ramelow kommt auf seine Audienz mit Papst Franziskus zu sprechen – der habe sich entsetzt gezeigt, wie die Welt mit Menschen auf der Flucht umgehe. Allerdings habe Papst Franziskus auch vor Doppelmoral gewarnt: Aus 2013 Flüchtlinge in Lampedusa strandeten und Italien eine gerechte Verteilung in Europa gefordert hat, habe Deutschland „Nein“ gesagt.
Frieden für alle
Die Grundhaltung der Linken sei eigentlich sehr simpel, sagt Ministerpräsident Ramelow:
Jeder, der sich friedlich in die Gesellschaft einbringt, hat ein Recht darauf, so zu leben, wie er leben will.
Wieder gibt es begeisterten Beifall. Herr Ramelow macht den Anhängern der Linken Mut: In Thüringen habe die PDS/Linke 1990 schwach gestartet – mittlerweile liege man in Umfragen bei etwa 30 Prozent. Auch in Baden-Württemberg gebe es ein großes Potenzial:
5,1 Prozent sind mindestens machbar.