Heidelberg/Rhein-Neckar, 07. August 2012. (red/pm) Eigentlich sollte es am letzten Sonntag im Juli ein sommerliches Open-Air-Konzert werden – die kühlen Außentemperaturen und Windböen zwangen die Mitwirkenden und das Publikum dann aber in den Theatersaal des Augustinums. Das tat der Stimmung jedoch keinen Abbruch: An der Abendkasse drängten noch über 80 Konzertbesucher in den ohnehin schon gut gefüllten Saal. Die Profimusiker der Oekumenischen Philharmonie präsentierten dem Heidelberger Publikum im Stadtteil Emmertsgrund ein anspruchsvolles und zugleich populäres, reines Beethoven-Programm, welches tags darauf auch bei den renommierten Ettlinger Schlossfestspielen zu Gehör gebracht wurde.
Bereits im Eröffnungsstück, der Ouvertüre zur Freiheitsoper „Fidelio“, wurde die exzellente Qualität der Orchestermusiker und die sauber herausgearbeiteten Kontraste in Beethovens Musik deutlich: Warme und weiche Streicherklänge trafen auf virtuose Bläsersoli (Hornsolo: Cornelius Nünchert) und messerscharfe Akzente, sodass der zwischen Resignation und Hoffnung schwankende, verzweifelte Kampf um Freiheit unmittelbar und packend erlebbar wurde.
Die folgende, recht kurze 8. Symphonie wird im Verhältnis zu ihren „großen Schwestern“ eher selten gespielt und aufgrund ihrer heiteren Grundstimmung oft unterschätzt. Aranowski und die Oekumenische Philharmonie näherten sich diesem Meisterwerk mit großer Ernsthaftigkeit und ließen neben dem tänzerischen Schwung auch die darin innewohnenden dramatischen Momente nicht zu kurz kommen. Der feinsinnige Humor kam besonders im Allegretto scherzando zur Geltung, wo man an den metronomisch gackernden Bläsern die Violinen mit vor Stolz geschwelltem Kamm vorbeiziehen hörte.
Im wunderschön musizierten Mittelteil des Menuetts verzauberten zarte Horn- und Klarinettenklänge und antizipierten ein wenig Brahms’sche Melancholie. Das hochvirtuose Finale gab der inspirierten Spielfreude der Orchestermusiker abermals weiten Raum und ließ sie, bei äußerst präzisem Zusammenspiel, den ersten Programmteil fulminant beenden (Paukensolo: Armin Sommer).
Im Hauptwerk des Abends, der berühmten 7. Symphonie, gelang den Ausführenden das Kunststück, den Spannungsbogen über alle vier Sätze und 45 Minuten überzeugend aufrecht zu erhalten: Die kontrastreich und klangschön musizierte Einleitung begeisterte sogleich, und insbesondere die eröffnenden Bläsersoli ließen ob ihrer Klangschönheit aufhorchen (Otto Winter, Oboe – Bruno Guignard, Klarinette – Reinhard Westpfahl, Horn).
„Musik zum Saufen“
Die tänzerische Leichtigkeit des folgenden Vivace wurde von „Primaballerina“ Monika Gajdos (Solo-Flöte) überzeugend in Szene gesetzt und vom Orchester virtuos aufgegriffen. Der berühmte Allegretto-Satz in Form eines Trauermarsches geriet zu einem besonderen „Gänsehaut-Moment“: Im Piano beginnend und sich danach von der Grenze der Hörbarkeit zu einem gewaltigen, verzweifelten Fortissimo aufschwingend, entschwindet die Musik wieder, um nun, in entrückter Schönheit, einen kurzen Blick ins Paradies zu gewähren.
Danach wieder: Starre im vibratolos gespielten Fugato, bruchstückhaftes Aushauchen, offener Schlussakkord. Das alles von der Oekumenischen Philharmonie absolut zwingend und so überzeugend gespielt, dass man sich glatt darin verlieren konnte – ein Konzertbesucher drückte es am Ende derb, aber treffend aus: „Musik zum Saufen.“
Ebenfalls zum Saufen: Die beiden letzten Sätze, das Presto-Scherzo und das orgiastische Finale – so kraftvoll und lebendig dargeboten, dass eine Zugabe unausweichlich blieb: Als Aranowski zur Egmont-Ouvertüre ansetzen wollte, wurde er aus dem Orchester darauf aufmerksam gemacht, dass noch zwei Hörner fehlten. Diese hatten sich, da sie beim vorangegangenen Stück nicht beteiligt waren, auf die Terrasse des Augustinums gesetzt und vor lauter In-die-Ferne-schweifen einfach die Zeit vergessen. Da sie nicht gefunden werden konnten, entschloss man sich, ohne sie anzufangen. Just im Moment des ersten Tons kamen sie erschrocken herbei und bliesen schließlich ihren Part hinter der Szene. Neben großer musikalischer Strahlkraft sind es doch gerade diese kleinen menschlichen Momente eines Konzerts, die dem Publikum noch lange in Erinnerung bleiben werden.