Heidelberg/Rhein-Neckar, 07. März 2018. (red/ae) Der Heidelberger Zoo hat im Winter nicht viel zu bieten? Wer das denkt, lässt sich besondere Eindrücke entgehen. Der Zoo bietet auch in der kalten Jahreszeit viele Besonderheiten für Besucher.
Von Alina Eisenhardt
Ich befinde mich in den Tiefen des südostasiatischen Dschungels. Ein Sumatra-Tiger blickt mir direkt in die Augen. Ich bin Gast in der Savanne und betrachte Afrikas einzigartige Tierwelt: Zebras, Blessböcke, Helmperlhühner.

Tiger Tebo. Foto: Zoo Heidelberg
Im nächsten Augenblick befinde ich mich an den Küsten Argentiniens und beobachte Mähnenrobben, die faul am Strand liegen und die Sonne genießen. Ich besuche meine Verwandtschaft – Schimpansen und Flachlandgorillas – in westlichen Zentralafrika.

Mähnenrobbe Jungtier. Foto: Petra Medan
Ich beobachte Fossas aus Madagaskar, syrische Braunbären, Kängurus aus Australien und kleinen Pandas hoch oben im Baum. Ich bewundere eine rund 80 Jahre alte und 250 Kilogramm schwere Seychellen-Riesenschildkröte. Auf meiner Reise entdecke ich Trampeltiere, Schopfhirsche, Stachelschweine und Alpakas.

Riesenschildkröte. Foto: Petra Medan
Moderne Elefanten-WG in Heidelberg
Ghandi ist leicht zu erkennen – er ist etwas haariger und sein Kopf ist viel dicker,
Antje Hoyer, meine Reisebegleitung, reißt mich aus meinen Gedanken. Natürlich spricht sie nicht von Mahatma Gandhi, dem Freiheitskämpfer aus Indien. Sie spricht von dem Elefanten vor uns. Ich befinde mich weder auf einer Safari in Afrika, noch erforsche ich das Tierleben an den Küsten Argentiniens. Ich stehe vor dem Elefantengehege des Zoo Heidelberg. Antje Hoyer, zuständig für Marketing, führt mich und gibt mir einen tiefen Einblick in den Alltag des Tierparks im Winter. Es hat 8 Grad Außentemperatur.

Ghandi – Ludwig
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Im Elefantenhaus herrschen allerdings tropische Temperaturen.
Unsere Elefanten sind in Europa geboren und an kalte Temperaturen gewöhnt. Deshalb können sie auch im Winter nach draußen. Dennoch kommen unsere Arten ursprünglich aus Asien. Sie mögen es am liebsten warm. Diese Bedürfnisse werden berücksichtigt,
sagt Stefan Geretschläger. Er ist Leiter des Elefanten-Afrika Reviers. Im Winter verbringen die Giganten zwar weniger Zeit im Außengehege, doch das Elefantenhaus bietet den Tieren viele Beschäftigungsmöglichkeiten:
Darüber hinaus haben wir durch die wegfallende Arbeit im Außenbereich mehr Zeit die Tiere intensiv über Futtersuche und ein medizinisches Training an unserer Trainingswand zu beschäftigen.
Für die intelligenten Tiere sind die Spiele wichtig. Für Stefan Geretschläger und sein Team eine nötige Maßnahme für die Pflegetätigkeiten, wie zum Beispiel die Blutabnahme. Denn sie arbeiten im geschützten Kontakt mit den Elefanten. Das heißt, sie interagieren nur indirekt, über eine Trainingswand, mit den Tieren.
Ein Tier im Zoo muss sich leider immer dem Menschen unterordnen. Unsere Prämisse ist es, den Tieren eine hohe Lebensqualität zu ermöglichen. Um das soziale Leben und die gebildeten Hierarchien des Elefanten so wenig wie möglich zu beeinträchtigen, betreten wir ihr Revier nicht.
Eine weitere Besonderheit der Heidelberger Elefanten: Sie gehören nicht dem Zoo, sondern werden von anderen Zoos nach Heidelberg geschickt. Es handelt sich quasi um eine “Elefanten-WG” auf Zeit. Das ist der Natur nachempfunden. Denn mit circa fünf Jahre werden junge männliche Elefanten, sogenannte Jungbullen, von den Kühen aus der Gruppe vertrieben und schließen sich zu Jungbullen-Gruppen zusammen.
Früher ein Ort für Tote, heute ein Ort für Leben
Das Elefantenhaus in Heidelberg zählt zu den modernsten der Welt. Einige Gebäude des Zoos sind jedoch älter als der Zoo selbst. Auf dem Gelände befand sich vor der Gründung des Zoos ein Soldatenfriedhof und -lazarett. Ab Mitte der 1920er Jahre begann die Stadt mit dem Bau des Neckarseitenkanals. Dadurch stieg der Grundwasserspiegel in den an den Fluss angrenzenden Bereichen soweit an, dass die im Krieg Gefallenen auf den Ehrenfriedhof umgebettet werden mussten. Seit 1933 bietet der Heidelberger Zoo ein Zuhause für 163 Tierarten (Stand: 2017) und insgesamt 2.701 Tiere.
Der Zoo befindet sich ständig im Umbau. Manche Anlagen sind jedoch sehr alt,
so Antje Hoyer.

Gorilla Bobo. Foto: Zoo Heidelberg
Insgesamt 80 Menschen sind im Tierpark beschäftigt. Rund 25 davon sind Tierpfleger. Die anderen Mitarbeiter sind in Verwaltungs-, Handwerks- und Servicebereichen beschäftigt. Der Zoo finanziert sich zu großen Teilen selbst durch Eintrittsgelder, Patenschaften, Souvenirs und Sponsoren. Rund 35 Prozent der Kosten übernimmt die Stadt Heidelberg.
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Insgesamt werden jährlich gut 500.000 Besucher gezählt. Im Winter sind es weniger. Die Menschen nehmen an, ein Zoobesuch im Winter sei weniger lohnend. Aber ist diese Ansicht berechtigt? Nein, meinen Antje Hoyer und alle anderen Mitarbeiter.
Der Zoo ist leider ein Saisonbetrieb. Dabei sollte man mehrmals im Jahr den eigenen Stadtzoo besuchen, um etwas über die Tiere, die dort leben, zu lernen und sich mit der Arbeit des Tierparks identifizieren zu können. Im Winter sind die Eindrücke anders als im Sommer,
sagt Revierleiter Stefan Geretschläger.

Guira-Kuckuck. Foto: Gerd Löwenbrück
In der kalten Jahreszeit geht es beispielsweise ruhiger zu und damit hat der Zoo eine ganz andere Atmosphäre als im Sommer, wenn die Massen kommen.
Die Tiere kommen in der Regel gut mit kalten Temperaturen zurecht. Sollte es doch einmal zu kühl werden, können sie sich in ihre Innenbereiche zurückziehen. Diese sind auch für die Besucher zugänglich – man kann sich also immer aufwärmen.
Es können auch weiterhin alle Tiere besucht werden. Wir haben keine Tiere, die Winterschlaf halten. Nur wenige halten Winterruhe. Ein Beispiel sind unsere Präriehunde. Sie sind zwar in der kalten Jahreszeit weniger aktiv. Aber selbst sie stecken an warmen Tagen verschlafen ihren Kopf aus den Höhlen,
sagt Antje Hoyer.

Präriehund. Foto: Peter Bastian
Vogelbalz
Nicht zuletzt finden zu dieser Jahreszeit bei manchen Tieren prachtvolle Veränderungen statt.
Die größten Veränderungen finden bei unseren Enten statt. Im Winter beginnt ihre Balzzeit. Um sich darauf vorzubereiten, wechseln sie von ihrem Schlichtgefieder zum Prachtgefieder. Und da das Futterangebot viel besser ist als in der Natur, versuchen manche unserer Vögel rund ums Jahr zu balzen – wie zum Beispiel unsere Guiera-Kuckuck. Das Balzverhalten kann man im Winter besonders gut beobachten,
sagt Simon Borchardt, Leiter des Vogelreviers.

Keas brauchen Beschäftigung – sonst suchen sie sich selbst “Unterhaltung”. Foto: Peter Bastian
Und weiter:
Manche Vögel, wie zum Beispiel der aus Afrika stammende Blassuhu, brüten sogar zur Winterzeit. Die Tiere, die im deutschen Winter brüten, kommen in der Regel von der Südhalbkugel. Dort ist es zu dieser Zeit Sommer. Deshalb haben wir unserem Blassuhu eine Wärmeisolierung unter das Nest gebaut. So entweicht keine Wärme.
Beschäftigung gegen Schabernack
Doch nicht alle Vögel sind pflegeleichte Bewohner des Zoos. Das liegt jedoch nicht an den kalten Temperaturen. Eine viel größere Herausforderung ist die Beschäftigung – denn bei Langeweile wird Unfug getrieben.
Besonders intelligente Tiere, die in kleinen Gruppen gehalten werden, langweilen sich schnell. Das sind zum Beispiel Raben oder Keas. Wenn wir sie nicht beschäftigen, dann suchen sie sich selbst Unterhaltung. Es macht ihnen zum Beispiel Spaß, das Silikon aus den Fugen zu ziehen, oder die Botanik zu zerstören. Um das zu vermeiden, lassen wir sie ihr Futter suchen oder führen Klickertrainings durch. So halten wir die Tiere auch fit,
sagt Herr Borchardt.
Antje Hoyer erklärt mir auf unserem Rundgang, dass der Heidelberger Zoo eine besonders hohe Menge und Artenvielfalt an Vögeln besitzt. Beliebt seien vor allem große, bunte oder intelligente Tiere. Einige der Vögel des Zoos sind jedoch sehr unauffällig – und trotzdem ganz besonders wichtig. Antje Hoyer sagt mir dazu:
Viele unserer Vögel werden in anderen Zoos nicht gehalten und nur von Experten erkannt. Diese freuen sich dafür umso mehr. Denn viele unserer Tiere sind vom Aussterben bedroht.
Feldhamster fast ausgerottet
Das Hauptziel des Heidelberger Zoos ist der Artenschutz und -erhalt. Um die Faszination für biologische Vielfalt zu wecken und die Wichtigkeit des Arten- und Naturschutzes zu verdeutlichen, bietet die Heidelberger Zooschule deshalb ganzjährig Führungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene der Zooschule Heidelberg an.

Fossa-Raubkatze. Foto: Heidrun Knigge
Der Tierpark bietet nicht nur Artenschutz innerhalb des Zoo. Er unterstützt auch die Arterhaltung innerhalb des natürlichen Lebensraumes. Gemeinsam mit dem Mannheimer Artenhilfsprogramm für den Feldhamster züchten sie die kleinen Nager nach. Dieser ist in unseren Breiten nämlich fast ausgerottet.
Darüber hinaus fließen unsere Eintrittsgelder anteilig in Tierschutzprojekte. Besonders WAPCA, die West African Primate Conservation Action, liegt uns sehr am Herzen,
sagt Barbara Rumer, die Leiterin der Zoo-Projekte.
Der Heidelberger Zoo gründete 2001 das Projekt WAPCA, um verschiedenen Primatenarten des westafrikanischen „Upper Guinean Forest“ Schutz zu bieten. Diese sind in ihrer Anzahl stark dezimiert. Einige stehen vor der Ausrottung. Die im Zoo gezeigte Roloway-Meerkatze beispielsweise gehört zu den stark gefährdeten Arten.

Foto: Heidrun Knigge
Mein Rundgang ist zu Ende. Mit jeder Menge Wissen verlasse ich den Zoo. Gut zwei Stunden haben mir Antje Hoyer und die anderen Mitarbeiter nun vom Alltag des Zoos erzählt. Welchen Herausforderungen sie und manche Tierarten sich stellen müssen. Ich stelle mir vor, wie unser Planet ohne eine Institution wie einem Zoo Heidelberg aussehen würde. Viele bedrohte Tierarten wären längst ausgestorben. Zurück bleibt das Gefühl, in zwei Stunden die ganze Welt bereist zu haben.
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