Mannheim/Rhein-Neckar, 06. November 2014. (red/ms) Ob Privatperson oder Unternehmen: Kaum jemand ist vom Bahnstreik nicht betroffen – allerdings mit ganz unterschiedlichen Auswirkungen: Für die einen bedeutet er schwerwiegende Einbußen und eingeschränkte Mobilität. Die anderen verdienen daran. Und zwar nicht zu knapp.
Von Minh Schredle
Im Hauptbahnhof Mannheim ist der Betrieb fast komplett eingestellt. Die Gleise sind menschenleer und nur gelegentlich besuchen Kunden eines der zahlreichen Geschäfte. Die ansässigen Unternehmen beklagen „heftige Umsatzeinbußen“.
An einem Streikposten wird kostenlos Kaffee ausgeschenkt – die derzeit größte Attraktion im Bahnhof. Und auch hier versammelt sich nur eine Handvoll Menschen. Aber: „Das sorgt dafür, dass unser Geschäft noch schlechter läuft“, grummelt ein Gastronomiebetreiber.

So menschenleer sieht man den Bahnhof zur Mittagszeit nur selten.
Die Auswirkungen des Streiks beschränken sich nicht nur auf das Bahnhofsgebäude. Ganz im Gegenteil: Kaum jemand ist von dem Streik nicht betroffen. Denn ob beruflich oder im Alltag – Menschen sind auf Mobilität angewiesen.
Belastung für die Arbeitswelt
Nicht zur Arbeit zu erscheinen und den Streik als Grund dafür anzuführen, sei keine zulässige Entschuldigung. Das erklärte Alexander Bredereck, ein Fachanwalt für Arbeitsrecht in einem Interview mit Spiegel Online.

Der kostenlose Kaffee zieht momentan die meisten Besucher im Mannheimer Hauptbahnhof an.
So lange es irgendwie möglich sei, zur Arbeit zu gelangen, läge es in der Verantwortung des Arbeitnehmers, das zu versuchen, sagt Herr Bredereck. Nicht einmal Verspätungen seien durch ausfallende Züge zu rechtfertigen, so lange diese Information rechtzeitig verfügbar ist. Es sind also noch mehr Menschen als sonst aufs Autofahren angewiesen.
Erhöhtes Verkehrsaufkommen
Auf Autobahnen und Bundesstraßen ist das Verkehrsaufkommen auffallend hoch, außerdem hat es außergewöhnlich viele Verkehrsunfälle gegeben. Das teilte uns die Polizei auf Anfrage mit. „Wie viel davon auf den Streik zurückzuführen ist, lässt sich aber kaum messbar überprüfen“, sagte ein Pressesprecher.
Der erhöhte Verkehr in Stadtgebieten hat auch Auswirkungen auf den Nahverkehr, teilte uns Moritz Feier, Pressesprecher der rnv, mit. Insbesondere beim Busverkehr in Heidelberg habe man daher mit „geringfügigen Verspätungen“ zu rechnen.
Außerdem sei durch den Streik die Nutzung des Nahverkehrs insgesamt ein bisschen höher als sonst. „Das lässt sich aber alles noch mit unseren Kapazitäten bewältigen“, sagt Herr Feier. „Bislang gab es keine drastischen Probleme“.
Taxen haben mehr Fernfahrten
Auch die Taxizentralen haben mehr zu tun. Wolfgang Hazemann ist ein Vorstand von Taxi Mannheim. Laut seiner Auskunft gebe es innerhalb des Stadtgebietes zwar nicht „so viel mehr Aufträge als sonst“, dafür seien es aber „deutlich mehr Fernfahrten“:
Eine Person haben wir sogar bis nach Düsseldorf gefahren.
Die ersten zwei Kilometer, die man mit einem Taxi in Mannheim fährt, kosten jeweils 2,50 Euro. Jeder weitere Kilometer kostet dann 1,50 Euro. Wie soll man sich eine Fernfahrt leisten können? Herr Hazemann sagt dazu:
Außerhalb des Stadtgebiets gelten die Regeltarife nicht mehr und der Preis kann frei bestimmt werden. Das ist dann Verhandlungssache.
Im Regelfall würden mögliche Kunden anfragen, wie viel eine Fahrt zu einem bestimmten Ziel kosten würde. Dann einige man sich im Voraus auf einen Festpreis. Dass jemand bis nach Düsseldorf fahre, sei aber ein Sonderfall. Regelmäßiger kämen dagegen beispielsweise Fahrten bis nach Stuttgart vor.
Fernbusse profitieren
Die wohl größten Profiteure des Streiks sind aber vermutlich die Fernbusse: Seit dem 01. Januar 2013 dürfen diese der Bahn Konkurrenz machen – vorher war der Konzern durch Gesetze vom wirtschaftlichen Wettbewerb geschützt.

„Auf Grund des Streiks der GDL ist der Zugverkehr der DB von Do 6.11. um 2 Uhr bis Mo. 10.11 um 4 Uhr beeinträchtigt. Bitte informieren Sie sich !“ – Gern geschehen.
Laut einem Bericht von Die Zeit seien der Bahn dadurch 2013 etwa 40 Millionen Euro entgangen. Gemessen am Gesamtumsatz von knapp 40 Milliarden Euro sollte dieser Betrag allerdings nicht allzu sehr ins Gewicht fallen.
Doch der Fernbusmarkt ist zunehmend am Wachsen. Vor allem dann, wenn die Bahn steikt: „Die Menschen greifen notgedrungen auf Fernbusse zurück, weil es kaum Alternativen gibt, zwischen Städten zu reisen“, sagt Andreas Oswald. Er ist der Pressesprecher der Seite CheckMyBus.de, die verschiedene Angebote für Fernbusreisen vergleicht.
„Monopolstellung angefochten“
Durch die Streiks seien nach seinen Angaben die Zugriffe auf der Seite bis zu fünf mal höher als sonst. Um der Nachfrage gerecht zu werden, müssten Sonderfahrten stattfinden. Herr Oswald bezeichent die Monopolstellung der Bahn als angefochten:
Die Leute sehen, dass Fernbusse eine zuverlässige, komfortable und kostengünstige Alternative sind. Und inzwischen sind alle Großstädte durch ein Angebot vernetzt.
Viele Medien berichten, Fernbusanbieter würden den Streik ausnutzen, um ihre Preise zu erhöhen. Das ist laut Herrn Oswald falsch: Bei fast allen Anbietern gäbe es schon immer ein Kontingent an Tickets zu Sparpreisen und eines für Normalpreise:
Der Streik sorgt dafür, dass die günstigen Tickets schneller vergriffen sind als üblich. Aber deswegen sind die normalen Karten nicht teurer als sonst auch, wenn die Nachfrage entsprechend groß ist.
Die Bahn sollte daran arbeiten, ihr Angebot zu verbessern. Vor allem an den hohen Preisen müsse sich etwas verändern. Ansonsten würden auf Dauer immer mehr Kunden abwandern, sagt Herr Oswald.