Mannheim/Rhein-Neckar, 06. Dezember 2016. (red/pro) Am 07. Dezember findet in Seckenheim die Trauerfeier für den verstorbenen Landtagsabgeordneten und Stadtrat Wolfgang Raufelder statt. Angekündigt hat sich unter anderem Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Die Stadt Mannheim hat uns – wie andere Medien auch – im Vorfeld auf die Bedingungen einer Berichterstattung und die Regelungen für die Medien hingewiesen. Diese Regelungen sind vernünftig und angebracht. Wir haben uns dennoch gegen eine Berichterstattung entschieden.
Kommentar: Hardy Prothmann
Die Leitfrage, die unsere Berichterstattung immer bestimmt, ist: Handelt es sich um einen Sachverhalt, an dem die Öffentlichkeit ein wesentliches Interesse haben kann, soll, muss und der wichtig für eine demokratisch-gesellschaftliche Meinungsbildung ist? Oder handelt es sich um einen Sachverhalt, der kein öffentliches Interesse begründet, also privat ist?
Unser Beruf ist das Herstellen von Öffentlichkeit – immer informativ, häufig diskursiv. Unser Geschäft ist nicht, Privates öffentlich zu machen. Oft sind wir dabei in einem Dilemma, denn wir tragen die Verantwortung, wo das Öffentliche anfängt und das Private aufhört. Wir fragen uns aber immer verantwortlich, wo fängt das Private an und hört die Öffentlichkeit auf?
Die Trauerfeier für Wolfgang Raufelder wird durch die erwartet hohe Zahl der Trauergäste den Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung annehmen – doch jede Trauerfeier ist aus unserer Sicht eine höchstprivate Angelegenheit. Wer privat daran teilnehmen will und darf, kann dies tun.
Wir müssen für uns abwägen, welche öffentliche Relevanz eine Berichterstattung hat (zur Relevanzbestimmung siehe unseren Beitrag „Die unsägliche Einzelfall-Debatte“).
Aus unserer Sicht haben wir das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit hinreichend bedient. Wir haben eine Nachricht zum Tod von Wolfgang Raufelder veröffentlicht sowie einen Kommentar, in dem wir sein Leben und seine Verdienste gewürdigt haben.
Als öffentlicher Mensch musste sich Wolfgang Raufelder zeitlebens gefallen lassen, fotografiert, namentlich genannt und in seinem Wirken beurteilt zu werden. Umgekehrt nutzen öffentlich agierende Menschen wie er Medien auch, um sich Präsenz und Aufmerksamkeit zu verschaffen. Doch jeder öffentliche Mensch hat wie alle Menschen ein Recht auf Privatheit. In den eigenen Räumlichkeiten, mit Freunden, mit der Familie, in der Freizeit.
Unsere Haltung ist: Journalisten wollen und müssen Öffentlichkeit herstellen. Das ist ihre Aufgabe. Journalisten müssen aber auch Privatheit respektieren. Der Ermessensspielraum ist Definitionssache. Teils gibt es gesetzliche Regelungen, teils nur eigenverantwortliche.
Warum berichten wir also nicht? Der Tod von Wolfgang Raufelder war für viele ein Schock. Er ist nicht verunfallt, nach langer oder kurzer Krankheit oder an Altersschwäche gestorben, sondern hat seinem Leben selbst ein Ende gesetzt. Warum, ist der Öffentlichkeit nicht bekannt und die Trauerfeier wird keine Antwort auf diese offene Frage liefern. Und wenn es eine Antwort geben sollte, muss geprüft werden, ob diese von öffentlichem Interesse ist oder nicht.
Trauerfeiern finden häufig ein enormes Interesse – und Medien, die berichten, eine entsprechende Aufmerksamkeit. Stichwort: Lady Di. Die Trennlinie zwischen nachvollziehbarem öffentlichen Interesse, boulevardeskem Voyeurismus und emotionalen Event-Veranstaltung ist extrem dünn.
Wir verzichten auf eine Berichterstattung, weil wir keinen interessanten Mehrwert zur Meinungsbildung der Öffentlichkeit erkennen können. Wie viele sind gekommen? Wer ist gekommen? Wer hatte was an? Wer hat was gesagt? Wer ist aufgefallen? Das sind alles belanglose Fragen, auf die man keine Antworten suchen und schon gar nicht veröffentlichen muss.
Der Familie wünschen wir Kraft und Frieden. Ebenso den Freunden und Weggefährten – also allen Menschen, die den privaten Wolfgang Raufelder kannten und nun von ihm Abschied nehmen.
Alle anderen Menschen, die ihm das letzte Geleit geben wollen und ihm gedenken, dürfen das und sollen das gerne – privat. Mit guten Gedanken an den Verstorbenen. Ruhe er in Frieden.
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