Mannheim, 06. Juli 2015. (red/pro) Amtsinhaber Dr. Peter Kurz (SPD) hat die Wahl mit 52 Prozent gewonnen und bleibt für weitere acht Jahre Oberbürgermeister seiner Heimatstadt. Gegenkandidat Peter Rosenberger (CDU) erreicht 44,9 Prozent. Die Zahlen sind absolut und relativ zu betrachten. Der Wahlsieger heißt Dr. Peter Kurz – aber er ist zugleich auch der Verlierer. Ob das was mit Gewinnen von Peter Rosenberger zu tun hat? Oder liegen die Gründe ganz woanders? Unsere Analyse.
Anm. d. Red.: Alle Zahlen finden Sie in unserem Artikel „Wahlergebnisse im Überblick“. Die hier veröffentlichten Tabellen zeigen noch Gewinne/Verluste in Prozent und absolut.
Von Hardy Prothmann
Jubel geht anders. Die SPD schnauft durch und ist froh, dass es geschafft ist. Vorne steht eine 5 und 52 Prozent für den Amtsinhaber Dr. Peter Kurz sind ein klarer Sieg über den Herausforderer Peter Rosenberger (CDU), der knapp 45 Prozent erreichte. Beide Lager haben viel Geld, harte Arbeit und enorme Anstrengungen in den Wahlkampf gesteckt. Nur 28,7 der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab – warum fällt es so mager aus?
Euphorie konnte man auf der Wahlparty weder im SPD-Lager noch bei den bürgerlichen Herausforderern erkennen – warum auch? Die Zahlen sprechen Bände. 28,7 Prozent Wahlbeteiligung sind ein Alarmsignal – entweder sind die Wähler politikverdrossen und desinteressiert. Oder sie haben sich dagegen entschieden, der SPD oder der CDU ihre Stimme zu geben.
Absolute Verlierer: Die Parteien
Das ist die entscheidende Analyse dieser Wahl. Diese werden Sie nur hier lesen, weil sich sonst keine Redaktion in der Region traut, unbequeme Wahrheiten zu vertreten. Wahlverlierer sind nicht die „Nicht-Wähler“, wie Partei-Vertreter gerne behaupten. Die absoluten Wahlverlierer sind die Parteien, die immer weniger Menschen erreichen und überzeugen können. Und im Vergleich verliert die SPD am meisten – denn die ist am Ende der Fahnenstange angekommen.
Amtsinhaber Dr. Peter Kurz gewinnt im zweiten Anlauf die Oberbürgermeisterwahl – prozentual mit 52 Prozent sogar „besser“ als 2007, als er 50,35 Prozent erreicht. Tatsächlich hat er aktuell gegenüber der Wahl vor acht Jahren absolut 5.110 Stimmen (12,9 Prozent) verloren. Und das trotz Unterstützung durch Grüne und Die Linke. 2007 hatte Wolfgang Raufelder (Grüne) als Oberbürgermeister-Kandidat 10.495 Stimmen geholt – warum sind diese nicht beim Kandidaten Dr. Peter Kurz angekommen?
Herausforderer Peter Rosenberger hatte im ersten Wahlgang noch 1.080 Stimmen weniger als der Kandidat Ingo Wellenreuther 2007. Prozentuell stand er besser da, absolut nicht. Am Sonntag hat er allerdings 4.687 Stimmen mehr als Herr Wellenreuther geholt (rund 5.800 gegenüber der Wahl im Juni). Er erreicht 44,92 Prozent. Und er gewinnt sechs von 17 Wahlbezirken. Im ersten Wahlgang waren es nur zwei.
Rosenberger räumt ab
Er nimmt dem Amtsinhaber Sandhofen ab, wo er sich um 15,23 Prozentpunkte steigern konnte. Auf der Schönau gewinnt Dr. Kurz, aber Herr Rosenberger holt 8,24 Prozentpunkte mehr – das Plus des Amtsinhabers fällt mit 4,92 Prozentpunkten nur ein wenig mehr als halb so groß aus.
Brutal ist der Waldhof: 16,68 Prozentpunkte plus für Rosenberger gegenüber 5,52 zusätzlichen Prozentpunkten für Dr. Kurz. Doch während hier im ersten Wahlgang die Kandidaten noch rund 12,5 Prozentpunkte zugunsten von Dr. Kurz auseinander lagen, sind es jetzt gerade mal 1,5 Prozentpunkte. Amtsinhaber Dr. Kurz gewinnt zwar knapp mit 49,05 Prozent zu 47,47 Prozent. Tatsächlich erhielt er 2007 hier 3.634 Stimmen und jetzt nur noch 2.389. Das sind 1.245 Stimmen weniger – oder 37 Prozent Verlust.
In Käfertal überrundet Herr Rosenberger den Amtsinhaber mit 48,52 zu 47,99 Prozent. Beim ersten Wahlgang waren das noch 34,22 zu 42,48 Prozent. Wallstadt, Sandhofen und Feudenheim gewinnt ebenfalls der Herausforderer zusätzlich zur Rheinau und Vogelstang, die er auch im ersten Wahlgang gewonnen hatte.
Kurz: Je niedriger die Wahlbeteiligung, desto besser die Ergebnisse
Nur in der Innenstadt/Jungbusch und in der Neckarstadt-West gelingt es Dr. Kurz, im zweiten Wahlgang mehr Stimmen als Herr Rosenberger zu holen – in der Innenstadt sogar nur knapp mit 249 zu 216. In allen anderen 15 Wahlbezirk holt Herr Rosenberger teils mit riesigem Abstand im zweiten Wahlgang mehr Stimmen als im ersten.
Und nur in drei Wahlbezirken kommt der Amtsinhaber auf Werte über 60 Prozent – sein bestes Ergebnis holt er in der Neckarstadt-West mit 68,6 Prozent. Doch hier ist die Wahlbeteiligung katastrophal schlecht: 14,5 Prozent (erster Wahlgang: 14,6 Prozent).
Die Wahlbezirke mit der höchsten Wahlbeteiligung – 44,7 Prozent in Feudenheim und 42,40 Prozent in Wallstadt – gewinnt Peter Rosenberger. In Neuostheim/Neuhermsheim gewinnt Dr. Kurz bei 40,9 Prozent Beteiligung nur knapp. Wer innerhalb von SPD/Grünen/Die Linke die geringe Wahlbeteiligung beklagt, hat nicht verstanden, dass diese verantwortlich für den Wahlsieg ist.
Was ist mit den 11.357 Stimmen für Christopher Probst geworden, die diesem im ersten Wahlgang 15,9 Prozent gebracht haben? Zwischen einem guten Drittel bis weiter über die Hälfte sind diese zu Herrn Rosenberger gewandert, der 5.767 Stimmen dazu gewinnt, während der Amtsinhaber nur 1.223 zusätzliche Stimmen erhält und gegenüber 2007 insgesamt 5.110 Stimmen verliert. Auf der Vogestang hat er 6 Stimmen weniger als im ersten Wahlgang, auf der Rheinau sogar minus 168 Stimmen.
Wo gingen die Probst-Stimmen hin?
Die für den ausgeschiedenen Kandidaten Probst stärksten Wahlbezirke sind auch die, in denen Herr Rosenberger am meisten zulegen kann. Beispiel Waldhof: Das war mit 23,02 Prozent bester Bezirk für den Kandidaten der Mannheimer Liste – hier holt Herr Rosenberger sein bestes Plus von 16,68 Prozentpunkten. Oder Seckenheim: 21,06 Prozent für Herrn Probst ergeben 15,99 Prozentpunkte plus für Herrn Rosenberger, der 489 Stimmen zusätzlich holt, während es für den Amtsinhaber nur 36 sind. Seckenheim ist der einzige Wahlbezirk, in dem Dr. Kurz von der Unterstützung der Grünen tatsächlich profitiert – 2007 holte er hier rund 40 Prozent, Herr Raufelder 27 Prozent. Unterm Strich räumt aber Herr Rosenberger mit 15,99 Prozentpunkten Zugewinn gegenüber 5,13 Prozentpunkten für Herrn Dr. Kurz ab.
Der chancenlose Kandidat Christian Sommer (Die Partei) kostet insbesondere den Amtsinhaber Stimmen – er punktet bei Jugendlichen und Linken. Insgesamt gelingen Herrn Dr. Kurz bis auf die innerstädtischen Wahlbezirke nur Gewinne um 5 Prozentpunkte. Er erreicht 4.686 Stimmen mehr als Herr Rosenberger – hat aber eben auch 5.110 Stimmen gegenüber 2007 verloren, während Herr Rosenberger (29.861) insgesamt 4.687 Stimmen dazu gewinnt (Ergebnis Wellenreuter 2007: 25.174).
Fazit
Der Amtsinhaber Dr. Peter Kurz gewinnt mit 52 Prozent, verliert aber absolut Stimmen und profitiert gleichzeitig von einer sehr niedrigen Wahlbeteiligung (28,7) Prozent. Der CDU gelingt es mit Abstand besser, neue Wähler im zweiten Wahlgang zu mobilisieren, wobei hier die ML-Wähler maßgeblich waren. Vom Potenzial her wäre ein Wahlsieg für Herrn Rosenberger drin gewesen – 52 Prozent zu 44,9 Prozent ist kein allzu großer Abstand. Verglichen mit 50,35 Prozent zu 32,07 Prozent bei der Wahl 2007 war das eine gigantische Aufholjagd für die CDU.
Wer jetzt einwenden möchte, Herr Rosenberger habe von den Stimmen der ML profitiert… 2007 war Herr Wellenreuther der gemeinsame Kandidat von CDU und ML. Die 13,37 Prozent, die Wolfgang Raufelder als grüner Kandidat 2007 holen konnte, sind dem Amtsinhaber nicht zugewandert. Insofern war die grüne Unterstützung eventuell ein Fehler und ohne diese hätte der Amtsinhaber möglicherweise besser abgeschnitten.
Wahlsieger ist eindeutig Herr Dr. Kurz – gewonnen hat auch die CDU mit ihrem Kandidaten Peter Rosenberger, vor allem Selbstvertrauen. Die rote Burg Mannheim ist einnehmbar. Aber erst in acht Jahren wieder.