Mannheim, 06. Februar 2015. (red/ms) Am zweiten Verhandlungstag im Prozess gegen Mehmet C. ging es drunter und drüber. Das lag nicht nur an Zeugen, die unglaubwürdige und widersprüchliche Angaben machten, sondern insbesondere auch am vorsitzenden Richter Dr. Ulrich Meinerzhagen: In einer Reihe von Tiraden wetterte er beleidigend und respektlos gegen verschiedene Zeugen und regte sich dabei sogar so sehr auf, dass er die Verhandlung kurzzeitig unterbrechen musste.
Von Minh Schredle
Das Gesicht ist ganz rot vor Zorn und wutentbrannt schlägt er mehrfach mit der Faust auf den Tisch. „Verschwinden Sie, bevor sie mich in den Wahnsinn treiben!“, schreit der vorsitzende Richter Dr. Ulrich Meinerzhagen einen Zeugen an. Er ist so aufgebracht, dass er die Verhandlung unterbrechen muss.
Im direkten Vorfeld hatte es schon Reibungen zwischen dem Richter und anderen Zeugen gegeben. Den gesamten Tag war Herr Meinerzhagen ausgesprochen gereizt und immer wieder kam es zu cholerischen Ausbrüchen, in denen er Zeugen herablassend beleidigte oder spöttische und geschmacklose Bemerkungen machte. Schon in der Vergangenheit ist Richter Meinerzhagen in dieser Hinsicht unangenehm aufgefallen.
Absolut unverschämt
Mit einem Zeugen hatte er besondere Probleme. Mehrfach antwortete der Mann so, dass kein sinnlicher Zusammenhang zur Frage des Richters ersichtlich wurde. Dann klingelt das Handy des Zeugen. Herr Meinerzhagen spricht von „einer absoluten Unverschämtheit“ und rastet aus.
Mobiltelefone sind im Gerichtssaal untersagt – zumindest offiziell. Es finden aber bei dieser Verhandlung keine Sicherheitskontrollen statt, wenn man den Saal betritt. Demnach kümmern sich nur Wenige um das Verbot.
Auch am ersten Verhandlungtag hat man klingelnde Handys im Publikum gehört – oder „Kollegen“ von anderen Medien dabei gesehen, wie sie sich am Smartphone mit Spielchen die Zeit vertreiben. Daran hat sich aber niemand offen gestört. Zumindest hat es keine Wutanfälle verursacht.
Ein gereizter Richter
Doch Richter Meinerzhagen war den ganzen Tag schon ausgesprochen gereizt. Die Verhandlung begann mit fast 40 Minuten Verzögerung. Die Dolmetscherin, die für die Befragung verschiedener Zeugen notwendig war, stand im Stau und hatte sich verspätet – was den Richter sichtlich verärgerte:
Die Zeit ist ohnehin schon knapp. Und jetzt gerät der ganze Sitzungsplan zur Makulatur. Machen Sie sich mal Gedanken darüber, was Sie angerichtet haben.
Im Weiteren warf Herr Meinerzhagen der Dolmetscherin vor, sie habe ihm „die Gelassenheit für den ganzen Tag geraubt“ – und das meinte er offenbar ernst.
Verstörende Respektlosigkeit
Einer der Zeugen hätte laut dem Sitzungsplan um 11:00 Uhr angehört werden sollen. Tatsächlich wurde er erst um 15:45 Uhr befragt. Auch er wird vom Richter hart angegangen – obwohl er eigentlich kaum etwas dafür konnte. Er hatte nur offensichtlich Schwierigkeiten, einigen der teilweise unnötig kompliziert formulierten Fragen zu folgen.
Obwohl der Zeuge – wohlbemerkt 20 Jahre alt, mit Hauptschulabschluss und auf der Suche nach einer Ausbildung – die ganze Befragung über herablassend und arrogant angegangen wurde, besaß er so viel Anstand, sich zusammenzunehmen und sagte, bevor er den Gerichtssaal verlies, zu Herrn Meinerzhagen: „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.“ Der Richter sah nicht einmal auf, sondern blätterte weiter in seinen Akten herum und murmelte vor sich hin: „Ja, ja. Wiederschauen.“
Nur hirnlose Leute im Gerichtssaal?
Als es Kommunikationsprobleme mit einem 19-jährigen Zeugen gibt, der nur gebrochen Deutsch spricht, und mehrfach eine Frage seltsam beantwortet, die er offensichtlich nicht versteht, schlägt Herr Meinerzhagen mit der Faust auf den Tisch und schreit:
Habe ich es hier etwa nur mit dermaßen hirnlosen Personen zu tun, dass Sie nicht einmal die einfachsten Sätze verstehen?
Als er die Aussage eines anderen Zeugen für unglaubwürdig befindet, fragt er: „Glauben sie, ich rede mir hier zum Spaß den Mund fusselig, wenn ich Zeugen über ihre Wahrheitspflicht belehre?“ Einen anderen fragt er: „Was erzählen Sie denn hier für einen Schwachsinn?“
Zusammenhang mit dem Sachverhalt?
Außerdem gab Herr Meinerzhagen zahlreiche Kommentare und Bemerkungen ab, die die Grenzen des Anstands und des guten Geschmacks in meinen Augen deutlich überschritten haben. Als ein Zeuge behauptete, er wisse nicht, weswegen eine Menschenmenge auf der Straße war, kommentierte der Richter:
Man hat sich offenbar auf der Straße versammelt, um den Koran zu lesen.
Später fragte er den gleichen Zeugen, ob er regelmäßig die Moschee besuchen würde – der antwortete, dafür habe er nicht genug Zeit. Richter Meinerzhagen bewegte das zu der Bemerkung:
Tja, es soll ja auch im Morgenland Ungläubige geben.
Nicht nur, dass die Bemerkung gerade vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen außerordentlich geschmacklos ist – es wird nicht einmal irgendein Bezug zum Sachverhalt ersichtlich. Herr Meinerzhagen hatte in diesem Prozess noch keinen anderen Zeugen nach seiner Religion befragt und ist auch im Folgenden nicht weiter darauf eingegangen.
Sogar der Staatsanwalt interveniert
Als Herr Meinerzhagen dann schließlich einen 19-jährigen anbrüllt, wird er sogar von Oberstaatsanwalt Dr. Reinhard Hofmann unterbrochen. Der meint, es gehe „langsam zu weit“ und die Art und Weise, wie der Richter die Zeugen angehe, sei nicht gerade förderlich, um an Informationen zu kommen. Außerdem sagte er:
Es gibt viele Missverständnisse, die wohl auch daraus resultieren, dass Sie die sprachlichen Fähigkeiten und die Wahrnehmungsleistungen einiger Zeugen überschätzen.
Anscheinend hat Herr Meinerzhagen sich noch nicht allzu viele Gedanken darüber gemacht, dass seine Fragen vielleicht schlichtweg zu kompliziert formuliert sind für Zeugen, die in diesem Prozess bislang überwiegend aus bildungsfernen Milleus stammen und teilweise nicht einmal einen Hauptschulabschluss vorzuweisen haben.
Machen die Zeugen das mit Absicht?
Es erweckt eher den Eindruck, als würde Herr Meinerzhagen es als persönliche Beleidigung ansehen, wenn er seltsame Antworten zu hören bekommt. Einmal unterstellte er einem der Zeugen, es sei „geradezu böswillig“, wie dieser auf seine Fragen antwortete. In einem anderen Zusammenhang bemerkte der Richter:
Die Zeugen versuchen heute alle, mich zur Weißglut zu treiben.
Und es wirkte durchaus so, als würde er das vollkommen ernst meinen. In meinen Augen ist eine solche Annahme aber vollkommen absurd. Wie wahrscheinlich ist es denn, dass sich die Zeugen vor dem Prozess zusammengetan haben und sich vornahmen: Dem Herrn Meinerzhagen vermiesen wir jetzt aber mal richtig den Tag?
Sachlich und professionell bleiben
Man muss Herrn Meinerzhagen zu Gute halten, dass die Verhandlung bislang tatsächlich sehr anstregend und zäh vorangeht. An den entscheidenden Stellen scheinen die Zeugen an einem kollektiven Gedächtnisschwund zu leiden und wollen sich an nichts mehr erinnern können – von fast allen wird dabei ein angeblicher „Schockzustand“ als Begründung angeführt.
Dabei sind manche Behauptungen in der Tat dermaßen unglaubwürdig, dass es dreist ist, sie so vorzubringen. Aber dennoch gibt es sachlichere und professionellere Wege, jemandem zu erklären, dass man ihm seine Darstellung nicht abnimmt, als herum zu brüllen: „Das ist ja hirnlos!“
Respekt und Anstand beibehalten
Herr Meinerzhagen hat als vorsitzender Richter eine anstrengende, verantwortungsvolle Aufgabe und in der Regel erfüllt er sie gut, akribisch und penibel. Dafür muss man ihm Respekt und Anerkennung entgegenbringen.
Es wäre aber schön, wenn auch Herr Meinerzhagen selbst ein wenig Respekt und Anstand gegenüber den Zeugen zeigen würde – anstatt sie zu verspotten und zu beleidigen. Denn schließlich repräsentiert er den Rechtsstaat und sollte eigentlich ganz gut mit Artikel 1 des Grundgesetzes vertraut sein.
Und wie Staatsanwalt Hofmann ebenfalls ansprach: Dieses Verhalten ist sicher nicht gerade konstruktiv und förderlich für Kooperationen, die zur Aufklärung des Falls beitragen könnten.