Eberbach/Rhein-Neckar, 06. Januar 2013. (red/pro) Die Stadt Eberbach steht immer noch unter Schock. Niemand kann sich erklären, wieso der Lehrer Dr. Harald Grote und seine Frau Dr. med. Dorothee Thaler sterben mussten. Der Lehrer und die Kinderärztin waren am Freitagvormittag erschossen aufgefunden worden. Der mutmaßliche Täter wurde mittlerweile von der Polizei ebenfalls erschossen aufgefunden. Rund 600 Menschen haben heute Abschied von dem Ehepaar in der Stadthalle der Odenwälder Gemeinde genommen. Mehrere Redner hoben das freundliche Wesen und große Engagement des Ehepaares hervor.
Von Hardy Prothmann
Die Menschen sind fassungslos. Viele haben Tränen in den Augen. Man hakt sich ein, stützt sich. Rund 600 haben sich in der Stadthalle versammelt, um Abschied zu nehmen. Von dem beliebten Lehrer und Stadtrat und seiner Frau. Alle fragen sich, warum der 65-jährige Mann und die 56-jährige sterben mussten. Morgen will die Polizei über den Täter informieren, der sich selbst getötet hat und mittlerweile aufgefunden worden ist. Vielleicht erfährt man dann auch das Motiv für die Bluttat.
Liebenswert. Offen. Engagiert.
Der neu gewählte Bürgermeister Peter Reichert, der Schulrektor Helmut Schultz, die grüne Landtagsabgeordnete Charlotte Schneidewind-Hartnagel und der Sprecher der grün-alternativen Liste, Peter Stumpf, verabschieden sich unter dem Motto „Momente der Trauer“ in ihren Reden von dem getöteten Ehepaar. „Liebenswert“ werden sie genannt, „engagiert“, „herzlich“, „aufrecht“ und „offen“.
Eigentlich hätte Peter Reichert heute in seinem Amt als Bürgermeister verpflichtet und vereidigt werden sollen. Doch dann geschah das Unfassbare in der als äußerst beschaulich geltenden Gemeinde mit rund 15.000 Einwohnern. Vermutlich in der Nacht von Donnerstag auf Freitag wurde das Paar erschossen. Von dem oder den Tätern fehlte zunächst jede Spur. Es wurde auch keine Tatwaffe gefunden. Ein Motiv war nicht erkennbar. Der Gymnasiallehrer und seine Frau, eine Kinderärztin, die im rheinland-pfälzischen Trier arbeitete, waren in der Stadt gut bekannt, beliebt und geachtet. Harald Grote war zudem seit 2004 Stadtrat, Vorsitzender des BUND – ein naturverbundener Mann und passionierter Radfahrer. Seine Frau betreute entwicklungsgefährdete Kinder und deren Familien.
Zweijähriger Enkel überlebt unverletzt
Der zweijährige Enkel überlebte unverletzt – vermutlich hat das Kind geschlafen und am nächsten Tag die erschossenen Großeltern als erstes entdeckt, denn eine Nachbarin nahm sich dem weinenden Kind an, als es alleine vor dem Wohnhaus stand. Die Mutter des Kindes, Tochter der Ärztin, kam am Freitagnachmittag zum Elternhaus und erfuhr vollkommen unvorbereitet von der Bluttat. Mutter und Kind befinden sich seitdem in ärztlicher Behandlung.
Die Polizeidirektion Heidelberg hatte umgehend eine 32-köpfige Sonderkommission eingesetzt und fieberhaft nach einem Motiv und natürlich dem oder den Tätern gesucht. Erste Gerüchte, es könne sich um rechtsradikale Täter handeln – die Ärztin hatte einen „Gegen-Nazis“-Aufkleber auf ihrem Auto – wies die Polizei sofort entschieden zurück.
Auch ein Raubmord wurde schnell ausgeschlossen, da es keine Einbruchsspuren gab und offensichtlich kein Raub stattgefunden hatte. Das Ehepaar musste den oder die Täter gekannt haben und hatte freiwillig Einlass gewährt. Die Polizei konzentrierte sich bei der Fahndung deshalb auf das persönliche Umfeld des Ehepaares.
Hat die Obduktion die Polizei auf die richtige Spur gebracht?
Für die Polizei also ein extrem schwierige Ermittlungsumstände. Es gab keine Zeugen, niemand hatte etwas verdächtiges beobachtet, niemand die Schüsse gehört. Und das Ergebnis der Obduktion der Leichen lag erst heute Vormittag vor.
Die Polizei erhoffte sich durch das Ergebnis einen wichtigen Ermittlungsansatz und hat diesen eventuell erhalten. Heute, gegen Mittag, teilte der Polizeisprecher Dieter Klumpp mit, dass die Polizei den Tatverdächtigen ermittelt hat:
Tatverdächtiger begeht Suizid.
Mehr ist von der Polizei nicht zu erfahren, Polizeisprecher Dieter Klumpp sagte auf Anfrage:
Wir haben uns entschlossen, den Fahndungserfolg mitzuteilen, damit die Bürger wissen, dass wir den Täter haben und keine Gefahr mehr droht. Der Fall ist in dieser Hinsicht abgeschlossen. Wir suchen keine weiteren Personen.
Fast alle Fragen offen
Die Frage nach dem Motiv, nach dem Tathergang, die Antwort auf das Warum sind offen. Bürgermeister Reichert sagte nach der Trauerveranstaltung:
Ich bin vom Tod der Eheleute wie jeder hier zutiefst erschüttert. Aber ich bin auch erleichtert, dass man den Täter so schnell ermitteln konnte. Details werde ich wie die Öffentlichkeit erst morgen erfahren. Heute haben die Menschen Abschied genommen, es liegt ein Schleier der Trauer über der Stadt. Wenn die Polizei über die Hintergründe informiert hat, können wir beginnen, das Unfassbare zu verarbeiten.
Nach den kurzen, einfühlsamen Reden mit musikalischer Begleitung reihen sich die Menschen ein, um sich ins Kondolenzbuch einzutragen. Unter den Anwesenden sind viele junge Menschen, vermutlich Schüler des Gymnasiallehrers.
Schulbeginn ohne den beliebten Lehrer
Morgen beginnt in Baden-Württemberg wieder die Schule nach den Winterferien – auch für die 827 Schüler des Hohenstaufen-Gymnasiums in Eberbach. Der promovierte Studiendirektor und Abteilungsleiter Naturwissenschaften war dort seit 1992 als Lehrer tätig. Zum Ende dieses Schuljahres wäre der 65-jährige Vater von drei erwachsenen Söhnen in Pension gegangen.