Mannheim, 06. Mai 2015. (red/ms) 6.000 bis 10.000 Tauben leben in Mannheim. Ist das ein Problem? Nein, sagt die Stadtverwaltung. Man habe die Situation „einigermaßen im Griff“. Weitere Maßnahmen, um die Tiere zu bekämpfen, seien daher nicht notwendig. Die Fraktion der Grünen will allerdings prüfen lassen, ob man Falken ansiedeln kann, um die Population weiter zu reduzieren. Trotz Zusage liefert die Verwaltung den Gemeinderäten darauf bislang keine Antwort – aber dem Rheinneckarblog.
Von Minh Schredle
Die Stadt Würzburg litt unter einem Taubenproblem und siedelte einen Teil ihrer Tauben nach Darmstadt um. Darüber sind die Darmstädter zwar nicht gerade begeistert. Aber im Würzburger Rathaus zeigt man sich zufrieden: Die Verschmutzung habe deutlich abgenommen. Laut der Mainpost, könne die Verwaltung sich vorstellen, noch weitere Tauben zu „exportieren“.
So etwas käme in Mannheim nicht in Frage, sagt Dirk Schuhmann, Pressesprecher des Dezernats für Sicherheit und Ordnung. Drastische Maßnahmen wären zudem gar nicht nötig. Man habe das Problem „einigermaßen im Griff“.
2001 wurden in Mannheim rund 8.000 Tauben eingesammelt und getötet – sowohl aus ethischer als auch juristischer Sicht bedenklich. Denn Tauben gelten nicht grundsätzlich als Schädlinge. Daher dürfen sie nach dem Tierschutzrecht „nicht ohne vernünftigen Grund getötet“ werden. In Mannheim war die Belastung durch die Taubenpopulation allerdings so groß, dass das Landgericht die radikale Maßnahme ausnahmsweise bewilligte.
Inzwischen liegt die Gesamtpopulation unterschiedlichen Angaben zufolge zwischen etwa 6.000 und 10.000 Tieren. Stadtweit gibt es vier Taubenschläge, die die Vögel zum Nisten nutzen. Hier werden „Geburtenkontrollen“ durchgeführt und die Eier der Tiere durch Attrappen ersetzt. So könne man die Population einigermaßen kostant halten, erklärt Herr Schuhmann.
Schadenshöhe unbekannt
Es ist unklar, wie viel Schaden die Tauben verursachen. Verlässliche Zahlen gibt es nicht. Jeder der Taubenschläge kostet im Jahr rund 2.000 Euro – doch die wahre finanzielle Belastung ergibt sich vor allem durch die massive Verkotung, die von den Tieren verursacht wird.
„Viel Schaden entsteht Privatpersonen, die sich dann selbst um die Reinigung kümmern müssen,“ erklärt Herr Schuhmann. „Und was Verschmutzung von städtischem Eigentum angeht: Hier werden zwar die Gesamtkosten für Reinigungen erfasst, aber nicht einzeln aufgeschlüsselt. Anhand unserer Statistiken lässt sich nicht sagen, ob ein Schaden durch Taubenkot oder ein Graffiti entstanden ist.“ (Warum eigentlich nicht, Anm. d. Red.?)
„Wir haben alles Erdenkliche versucht“
Nicht überall in Mannheim gibt es gleich viele Tauben. Am stärksten sind die Kornspeicher im Hafengebiet belastet – aus naheliegenden Gründen. Außerdem gibt es in der Innenstadt außergewöhnlich viele Tauben. „Das hängt anscheinend mit dem Wochenmarkt zusammen,“ sagt Herr Schuhmann: „In Marktnähe ist die Belastung immer besonders hoch.“ Er fährt fort:
Das Denkmal auf dem Marktplatz wird leider immer wieder durch Taubenkot verunstaltet.
Man habe „alles Erdenkliche“ versucht, um die Tauben fernzuhalten: Ultraschallgeräusche, Stromschienen und Stacheln – alles sei entweder uneffektiv oder wurde vom Denkmalschutz abgelehnt.
“Wir lassen das Denkmal jetzt einmal im Jahr intensiv reinigen,“ sagt Herr Schuhmann. „Das kostet etwa 2.000 Euro und ist eine gute Gelegenheit, zu überprüfen, ob auch irgendwelche anderen Schäden vorliegen.”
Falkenjagd ein probates Mittel?
Aus Sicht der Stadtverwaltung ist es ausreichend, die Plage „auf ein verträgliches Ausmaß“ zu reduzieren. Dafür wären die vorhandenen Maßnahmen ausreichend. Die Fraktion der Grünen stellte allerdings im Dezember 2014 einen Antrag, um die Taubenpopulation weiter zu dezimieren: Die Verwaltung solle überprüfen, ob man einen Falken zur Jagd ansiedeln könne.
Stadträtin Gabriele Baier (Die Grünen) sagt, es gehe bei dem Antrag erst einmal darum, grundsätzlich zu überprüfen, ob diese Möglichkeit in Frage kommt. Der Antrag wurde vom Gemeinderat an den Sicherheitsausschuss verwiesen. Dort stand der Punkt am 11. März diesen Jahres auf der Tagesordnung.
Damals sagte der Erste Bürgermeister Christian Specht (CDU) , man habe „wirklich keine Ahnung, an wen man sich wenden solle“, um die Anfrage zu beantworten. Er versichte aber, dass man der Sache weiterhin nachgehen werde, und bis zur nächsten Sitzung des Sicherheitsausschusses eine Informationsvorlage vorlegen wolle.
Informations-Asymmetrie
Heute fand „die nächste“ Sitzung statt. Der Punkt steht nicht mehr auf der Tagesordnung und es gibt keine Informationsvorlage – obwohl die Informationen vorliegen. Wie es aus dem Rathaus heißt, ist auch kein schriftlicher Bericht an die Gemeinderäte versendet worden. Allerdings beantwortet Pressesprecher Dirk Schuhmann ausführlich die Anfrage des Rheinneckarblogs:
Der ehrenamtliche städtische Tierschutzbeauftragte, Dr. Gerhard Rietschel, befasst sich bereits seit vielen Jahren intensiv mit Wanderfalken in Mannheim. 1988 hat sich nach seiner Auskunft ein erstes Wanderfalkenpaar von selbst in Mannheim angesiedelt. Seitdem wurden auf seine Initiative hin mehrere Nisthilfen im Mannheimer Stadtgebiet angebracht, die von den Tieren sehr gut angenommen werden. Aus Nestern, die an fünf Orten im Stadtgebiet (Fernmeldeturm, Konkordienkirche, Großkraftwerk (2), Friesenheimer Insel) verteilt sind, sind bisher über 160 Jungtiere ausgeflogen. Da Wanderfalken so genannte „Revierhalter“ sind und eine große Fläche für sich benötigen und beanspruchen, bekämpfen sich die Tiere bei zu enger Ansiedlung, wobei es auch immer wieder zu schwer verletzten und toten Tieren kommt. Das ist in den letzten Jahren in Mannheim bereits mehrfach geschehen. Daher ist es aus Sicht des Tierschutzbeauftragten nicht sinnvoll, weitere Nisthilfen im Stadtgebiet anzubieten – zumal einige von einem Naturschutzverein angebrachte Nisthilfen statt von Falken bereits von Nilgänsen besetzt wurden.
Offensichtlich konnte die Verwaltung inzwischen also einen sachkundigen Experten finden und offensichtlich kann dieser auch eine eindeutige Einschätzung abliefern.