Mannheim/Rhein-Neckar, 06. Juni 2016. (red/pro) Zwischen den Gremien des SV Waldhof war das Vertrauen schon sehr ramponiert – mit dem aktuellen Rücktritt des Aufsichtsrats vergangene Woche ist der größtanzunehmende Schaden für den Moment perfekt. Den Aufstieg in die 3. Liga hat die Mannschaft verpasst, jetzt droht dem Verein der Verkauf zum Schleuderpreis. Über viele Zusammenhänge kann man nur spekulieren – das tut man bereits und zwar kräftig.
Von Hardy Prothmann
Der zurückgetretene Aufsichtsratsvorsitzende Thorsten Riehle war für uns nicht zu erreichen – er habe jetzt mal frei, ließ er uns kurz mitteilen. Vielleicht schnauft er auch nur mal durch, statt wutschnaubend zu reagieren. Rolf Balschbach, Cevdet Celebi, Jens Hanreich, Kai Kemper, Matthias Niemeyer traten geschlossen mit Riehle zurück. Nur Aufsichtsrat Markus Ritzmann nicht.
Was sich insbesondere das Präsidium des Traditionsvereins in den vergangenen Wochen erlaubt hat, kann schon ärgerlich machen. Der bisherige Präsident Steffen Künster lässt deswegen sein Amt ruhen. (Wir haben berichtet)
Im Kern geht es es um den Einstieg des Unternehmers Bernd Beetz, der vom Präsidium als Investor für eine Spielbetriebs-GmbH favorisiert wird. Dies wollen aber die Mannheimer Runde mit dem Vorsitzenden Stefan Kleiber nicht. Herr Kleiber ist auch Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Rhein-Neckar-Nord.
Das große Geschäft
Laut unseren Kontakten haben beide Varianten, ein dominanter Investor oder viele Investoren, Vor- und Nachteile – aus Vereinssicht. Es geht aber nicht nur um den Traditionsverein, sondern um ein sehr viel größeres Geschäft.
Der SVW 07 hat den Aufstieg in die dritte Liga nur knapp verpasst. Der Verein bietet eine der aktivsten Fan-Gemeinden und beides hat Potenzial. Das Relegationsspiel gegen SF Lotte in Mannheim wurde zwar verloren – aber gut 22.000 Besucher verfolgten den Kampf in der vierten Liga um den Aufstieg.
Das sehr viel größere Geschäft ist das aktuelle Gelände des Stadions zwischen Oststadt und Neuostheim. Eine absolute Top-Lage, die die Stadt Mannheim als Eigentümerin ebenso top vermarkten könnte. Das geht aber nur, wenn der SVW 07 aufsteigt und mehr Zuschauer hat, als das Carl-Benz-Stadion Platz bietet – aktuell sind das rund 25.000, ein neues Stadion könnte gut 30.000 Plätze und modernste Infrastruktur bieten. Ein möglicher Bauplatz ist bereits vor weit über zehn Jahre auf dem Bösfeld neben der SAP-Arena ausgemacht worden.
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Die Stadt Mannheim hat also nicht nur sportliches Interesse an einem Aufstieg – das Projekt könnte dringend benötigte Millionen Euro in die Kasse spielen, im hohen zweistelligen Bereich, möglicherweise sogar deutlich dreistellig.
Die Probleme
Dringende Voraussetzung: Der Waldhof muss wegen Erfolgs raus aus dem Stadion. Zwar ist das Stadion auch für die erste Liga geeignet – doch das Argument weiterer 5.000 Plätze, die man hier nicht vermarkten kann, liegt auf der Hand. Außerdem ist eine Vollvermarktung des aktuellen Stadions wegen der Wohnbebauung im Umfeld nicht möglich.
Städtebaulich würde mit einem Neubau ein Veranstaltungspark aus Stadion, SAP-Arena und Maimarkthalle entstehen. Allein die Namensrechte für ein Unternehmen, das dem Stadion einen neuen Namen gibt, sind Millionen wert. Synergie-Effekte könnten geschöpft werden.
Das Problem: Seit Anfang der 90-er Jahre leidet der Verein chronisch unter wechselnden Präsidien, deren „Glücklosigkeit“ niederschmetternd war. Die einzige Lösung aus der Misere ist, die „unternehmerischen“ Entscheidungen weg von der Vereinsmeierei zu bekommen und zu professionalisieren.
Gleichzeitig will man nach unseren Informationen bei Bauprojekten dieser Größenordnung, Stadion-Neubau und Bebauung der alten Stadionfläche, keine Risiken eingehen. Ein „fremder“ Investor ist ein solches Risiko.
Risiko Investor
Je nach „Gutdünken“ könnte der Hauptgesellschafter nach Belieben über den Erfolg des Vereins entscheiden, sobald die erste Mannschaft in eine „Spielbetriebs-GmbH“ ausgegliedert ist. Über den Erfolg oder Misserfolg ließe sich vortrefflich Druck auf die Bauprojekte ausüben.
Selbst die vom Investor Bernd Beetz in Aussicht gestellte 50 + 1 Prozent Stimmrechtsmehrheit für den Verein würde daran nichts ändern. Denn gleichzeitig verlangt der Investor drei von sieben Aufsichtsratsmandaten. Das sei keine dominierende Mehrheit, versucht das aktuelle Präsidium das Kräfteverhältnis von 4:3 zu verkaufen. Tatsächlich wird dabei „übersehen“, dass für „einen Katalog von zustimmungsbedürftigen Geschäften“ von Herrn Beetz ein 75-Prozent-Quorum verlangt wird. Faktisch kann er also mit 3 Sitzen jede dieser Entscheidungen blockieren.
Zugleich ist der Einstieg mit 1,2 Millionen Euro, für die Herr Beetz „nahezu 100 Prozent“ der Gesellschaftsanteile will, ein Spottpreis. Der Verein hat keine klassischen Vermögenswerte, die diesem Preis entgegenstehen – aber der Verein ist eine Marke und hat eine unglaubliche Fan-Base. Beides „immaterielle“ Werte, die ein Investor im Handstreich für eine gute Million einkassieren würde. Für Marken wird andernorts richtig viel Geld hingelegt. Mit „Marken“-Vermarktung kennt sich der erfolgreiche Unternehmer Beetz bestens aus.
Heimatliebe erzeugt nie Handlungsdruck
Aktuell gibt es, anders als das Präsidium es darstellt, überhaupt keinen Handlungsdruck. „Die Million“ wäre mit dem Aufstieg in die dritte Liga „notwendig“ geworden. Da der Aufstieg verpasst wurde, gibt es keinen Zeitdruck. Erst vor dem nächsten Anlauf zum Aufstieg steigt der Druck wieder und der Verein muss gegenüber dem DFB das Geld ausweisen.
Und überhaupt, „die Million“ reicht hinten und vorne nicht, wenn der Aufstieg geschafft, gehalten und weiter ausgebaut werden soll. Nach unseren Informationen sind dann mittelfristig schnell fünf bis sieben Millionen Euro notwendig, um in höheren Ligen erfolgreich mitzuspielen. Dann können aber durch Rechteverkäufe andere Einnahmen sprudeln, so dass sich diese Investition möglicherweise schnell rentiert.
Hier könnte dann der „nahezu-100-Prozent“-Investor den oben genannten Druck ausüben, um sich oder andere an weiteren Geschäften zu beteiligen. Wer auf „Heimatliebe“ vertraut, darf sich schnell getäuscht sehen.
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Zuletzt hatten wir in Heddesheim solch vollmundigen Worte gehört – übrigens der Start unserer lokal-regionalen Berichterstattung mit dem Heddesheimblog. Dort versprach der Viernheimer Unternehmer Karl-Martin Pfenning eine „Familieninvestition“ in ein neues Logistikzentrum.
Auf 200.000 Quadratmetern entstand der Multicube – noch bevor das Projekt fertig gebaut war, hatte Herr Pfenning die Immobilie an einen Fonds verkauft und einen zweistelligen Millionengewinn eingefahren. Die versprochenen Arbeitsplätze und die in Aussicht gestellten Gewerbesteuereinnahmen sind Geschichte.
Zwar prangt das „Pfenning“-Firmenschild am Gelände – die Firma ist dort aber nur noch Mieter. Die Gemeinde hatte nie wirklich etwas zu melden. Wir hatten mit intensiver und kritischer Berichterstattung genau davor gewarnt – Bürgermeister und Gemeinderatsmehrheit wollten die Warnungen nicht hören. Heute möchte niemand mehr über Pfenning reden.
Deal als Chance
Der Waldhof-Deal ist für den Verein eine großartige Chance, endlich wieder aufzusteigen. Das ist sportlich eine großartige Chance und wird auch geschäftlich für viele Menschen und die Stadt Mannheim eine sein – entscheidend wird sein, wer die Kontrolle hat. Das aktuelle Präsidium will diese an einen sehr erfolgreichen Geschäftsmann veräußern. Erfolgreiche Geschäftsmänner geben die Kontrolle nie aus der Hand und im Zweifel üben sie Druck aus.
Und das könnte angesichts der verfahrenen Situation die Aufstiegsträume des SV Waldhof 07 e. V. auf weitere Jahrzehnte zunichte machen. Wenn die Vereinsmitglieder bei der nächsten außerordentlichen Hauptversammlung abstimmen werden – die eigentlich am morgigen Dienstag stattfinden sollte, jetzt aber auf Ende Juli/Anfang August – verschoben worden ist, tragen sie eine enorme Verantwortung, die den meisten vermutlich noch überhaupt nicht bewusst ist.
Unsere Prognose: Das aktuelle Präsidium ist im Begriff, die Tradition der Fehlentscheidungen fortzusetzen, weil man die Möhre wittert und nicht erkennt, welch großer Acker über viele Jahre Tonnen von Möhren abwerfen könnte.
Stefan Kleiber jedenfalls wird mit diesem Präsidium keinen Weg zusammen gehen. Ob allerdings der Name Jürgen B. Harder, der aktuell als „alternativer“ Investor aufgetaucht ist, eine glückliche Wahl ist, muss ebenfalls sehr kritisch betrachtet werden. Doch das ist eine andere Geschichte.
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