Limburgerhof/Rhein-Neckar, 06. Mai 2015. (red/pm) Aktualisiert. Auf eine künftige Asylunterkunft in Limburgerhof wurde in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch ein Brandanschlag verübt. Ob die Tat einen fremdenfeindlichen Hintergrund hat, ist laut Behörden „noch unklar“ – doch welche Tätergruppe könnte sonst in Frage kommen?
Von Hardy Prothmann
In der Luft hängt Brandgeruch – obwohl ein ordentlicher Wind geht. Zimmermänner reißen die verkohlten Bretter Stück für Stück aus dem Dach, Bitumenreste, Dämmwolle, die Dachrinne. Das Dach ist hin und muss neu gemacht werden. Um die acht Container herum flattert ein Band im Wind: Polizeiabsperrung. Auf dem Weg zur Unterkunft parkt ein Streifenwagen mit zwei Polizeibeamten.
12.000 Einwohner, 50 Asylbewerber, alles ruhig – bis zum 6. Mai
Dr. Peter Kern, Bürgermeister von Limburgerhof, steht auf dem Burgweg, beantwortet Reporterfragen, obwohl er eigentlich gerade im Urlaub ist. Den ganzen Tag kamen Pressevertreter, Regierungsvertreter. Wie das halt so ist. Limburgerhof ist eigentlich ein ruhiges Örtchen. 12.000 Einwohner am Rande von Ludwigshafen. 50 Asylbewerber leben bereits hier:
Die Flüchtlinge sind überall im Ort untergebracht, die fallen überhaupt nicht auf, sondern sind gut integriert,
sagt Herr Dr. Kern. Anders als die neue Unterkunft. Acht Container reihen sich aneinander. 18 Personen sollen hier Platz finden. Diese Unterkunft ist für Familien nicht geeignet, es werden wohl vor allem Männer untergebracht werden.
Als klar war, dass Asylbewerber kommen sollten, zeigte man in der Nachbarschaft nicht nur Begeisterung: „Aber das haben wir schon hinbekommen und eigentlich ist die Stimmung ruhig“, sagt Herr Dr. Kern.
Der oder die Täter kommen vermutlich von außerhalb – Zeugen wollen einen schwarzen Kleinwagen gesehen haben, der sich mit quietschenden Reifen auf der Umgehungsstraße Richtung Mutterstadt entfernt haben soll. Kurz nach zwei Uhr heute Nacht war das. Und damit sind „zündelnde“ Kinder ausgeschlossen.
„Keine“ Hinweise auf Fremdenfeindlichkeit?
Weitere Hinweise auf einen fremdenfeindlichen Anschlag gibt es nicht – also keine Hakenkreuz-Schmierereien oder Ausländer raus-Parolen. Braucht man die aber wirklich, um einen Brandanschlag auf Unterbringungs-Container nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit zuordnen zu können?
Auch beim Brandanschlag auf eine Asylbewerberunterkunft in Tröglitz (Sachsen-Anhalt) fehlen solche „eindeutigen“ Hinweise. Dort ermittelt man wie in Ludwigshafen in alle Richtungen. Nachdem ein Brandsachverständiger des Landeskriminalamts den Brandort untersucht hat, teilt Hubert Ströber mit:
Ein technischer Defekt und eine Selbstentzündung sind ausgeschlossen. Der Brand beruht auf Brandstiftung.
Auf eine „politisch-motivierte Tat“ will er sich nicht festlegen. Das ist auch korrekt so – denn es fehlen Hinweise, die ganz konkret einen fremdenfeindlichen Hintergrund belegen. Aus „ermittlungstaktischen Gründen“ wird nicht mitgeteilt, wie der Brand gelegt worden ist. Wurden Brandbeschleuniger benutzt und wenn ja, welche?
Viele offene Fragen
Wieso brach das Feuer auf dem Dach aus und nicht im Gebäude, was vermutlich mehr Schaden angerichtet hätte? Das sind offene Fragen. Betrachtet man den Tatort, dann liegt das Gebäude an einer Umgehungsstraße. Hier kann man schnell unerkannt vor- und weiterfahren. Vorstellbar ist, dass jemand schnell ein paar Molotow-Cocktails auf das Dach geworfen hat und dann geflüchtet ist. Am Gebäude steht ein Gerüst – es könnte auch jemand hinaufgeklettert sein. Doch das kostet Zeit und das Gebäude steht frei – Personen auf dem Dach wären nicht zu übersehen gewesen. Man kann vermuten, dass dem nicht so war. Auch ein Aufbrechen der Türen oder Fenster hätte Zeit gekostet und das Entdeckungsrisiko vergrößert.
Immerhin – es gibt Zeugen, die einen „schwarzen Kleinwagen“ gesehen haben wollen. In der Nacht sind alle dunklen Autos schwarz – es kann genauso ein dunkles blau, grün oder grau gewesen sein. Es soll mit „quietschenden Reifen“ fortgefahren sein – das deutet auf eine schnelle Aktion hin und gestresste Brandstifter, die durch die quietschenden Reifen auf sich aufmerksam gemacht haben. Wären sie einfach davongefahren, hätten sie keine Aufmerksamkeit erregt.
Umfangreiche Ermittlungen
Das Polizeipräsidium Rheinpfalz (Ludwigshafen) teilt auf Anfrage mit, dass man die Flüchtlingsunterkünfte im Präsidiumsbereich „besonders im Augenmerk“ habe. Sprich – die Standorte werden häufiger bestreift, in unregelmäßigen Abständen. Doch genutzt hat das nichts. Wann eine Streife zuletzt an diesem Standort vorbeigefahren ist, wird nicht mitgeteilt. Haben die Täter gewartet? Waren sie so cool?
Das Fahrzeug soll Richtung Mutterstadt gefahren sein – weil die Täter von dort oder einem Ort um oder hinter Mutterstadt stammen? Dann hätten sie nach Limburgerhof hineinfahren müssen. Nicht unwahrscheinlich. Kurz nach der Unterkunft kommt ein Kreisel, man kann also einfach „drehen“. Oder kamen Sie aus Ludwigshafen, sind einfach durchgestartet und über die Autobahn zurück in die Stadt?
Die Polizei wird vermutlich umfangreiche Ermittlungen vornehmen: Ist das Fahrzeug irgendwo gesichtet worden? Hat eine Kamera es aufgenommen? Gibt es Personen, die möglicherweise die Täter sein könnten, die ein solches Fahrzeug haben? Gibt es Mobilfunk-Daten, die Hinweise geben können? Gibt es vergleichbare Brandanschläge? Also ähnliche Situationen? Ähnliche Brandbeschleuniger?
Gefährlicher Standort?
Das sind Fragen, die sich die Ermittlungsbehörden stellen müssen. Die Gemeinde Limburgerhof (Rhein-Pfalz-Kreis) muss sich fragen, ob der „Standort“ tatsächlich geeignet ist. Noch ist die Unterkunft im Bau, aber fast fertig. Ihre exponierte Lage allerdings birgt Gefahren in sich, wie man aktuell feststellen muss. Egal, was das Motiv war: Der Brandanschlag konnte verübt werden und die Ermittlungsbehörden sind bislang ohne „heiße Spur“. Was, wenn dort die 18 Asylbewerber leben und die Unterkunft erneut angegriffen wird?
Die Brandanschläge nehmen zu. In Franken brennen Ende 2014 drei Unterkünfte nieder. Anfang Februar gibt es den Brandanschlag in Tröglitz. Jetzt hat es Limburgerhof getroffen. „Konkrete Hinweise“ Hinweise auf „fremdenfeindliche Motive“ gibt es bislang nicht. Außer der Gemeinsamkeit, dass es Brandanschläge auf Unterkünfte von Asylbewerbern sind.
Geistige Brandstifter – aktive rechtsradikale Szene
Die rechtsradikale Szene ist im Raum Nordbaden, Südhessen, Pfalz sehr aktiv. Über Facebook und Blogs wird Front gegen die „Asylflut“ gemacht – die geistige Brandstiftung ist täglich gegeben. Im November 2013 wollten Rassisten einen „Fackelzug“ in der Bayreuther Straße in Ludwigshafen durchführen – die Polizei trennte die rund 50 Rechtsradikalen von 300 Gegendemonstranten.
In Ludwigshafen-Mundenheim kocht die „Volksseele“, weil dort Flüchtlinge untergebracht werden sollen.
Dr. Peter Kern, seit 2002 Bürgermeister der beschaulichen Gemeinde Limburgerhof, hat nun ein Problem: Es gab einen Brandanschlag auf eine Unterkunft. Punkt. Wer es war, ist noch unklar – nicht, dass es geschehen ist. Was, wenn es wieder geschieht und Menschen in den Containern leben? Über diese Frage wird die Gemeinde nachdenken müssen – und alle Folgefragen. Vor Ort gibt sich der freundliche Bürgermeister entspannt:
Wir haben entschieden, dass wir hier Asylbewerber aufnehmen und das werden wir auch machen. Aber wir werden uns natürlich beraten müssen.
Ursprüngliche Meldung von 13 Uhr
Gemeinsame Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Frankenthal und des Polizeipräsidiums Rheinpfalz:
„Heute Morgen gegen 02.07 Uhr haben unbekannte Täter eine im Bau befindliche Asylbewerberunterkunft im Burgweg in Limbugerhof in Brand gesetzt. Vermutlich hatten der oder die Täter die auf einem Flachdach zu einem Stapel abgelegten Bitumenrollen angezündet. Durch das Feuer wurden in der Folge auch die bereits verlegten Bitumenbahnen des Flachdachs in Mitleidenschaft gezogen.
Laut Auskunft eines Zeugen entfernte sich unmittelbar nach dem Ereignis ein schwarzer Kleinwagen mit quietschenden Reifen in Richtung Mutterstadt. Inwieweit hier ein fremdenfeindlicher Hintergrund im Raume steht, ist derzeit noch nicht zu beurteilen. Auch andere Motivationslagen werden geprüft.
Keine Verletzten – Hoher Sachschaden
Für die Asylbewerberunterkunft hatte die Gemeinde Limburgerhof ein Baugelände zur Verfügung gestellt, auf dem in den nächsten Wochen Unterkünfte in Schnellbauweise mit Fertigelementen für insgesamt 16 Asylbewerber errichtet werden sollten.
Bei dem Brandgeschehen wurde niemand verletzt. Der entstandene Gesamtschaden wird auf 50.000.- Euro geschätzt. Die Brandermittler der Kriminalpolizei sowie das Fachkommissariat der Zentralen Kriminalinspektion Ludwigshafen haben die Ermittlungen aufgenommen.
Im Zusammenhang mit den polizeilichen Ermittlungen bittet die Polizei Personen, insbesondere Anwohner, die sachdienliche Hinweise speziell zu dem schwarzen Fahrzeug geben können, sich mit der Kriminalpolizei Ludwigshafen unter der Tel.-Nr. 0621/963-1163 oder per Email unter kiludwigshafen@polizei.rlp.de in Verbindung zu setzen.