Mannheim/Rhein-Neckar, 05. Juli 2013. (red/ld) Wegen sexuellen Missbrauchs an Kindern und schweren sexuellen Missbrauchs an Kindern wurde heute vormittag ein 44 Jahre alter Mann am Landgericht Mannheim zu zehn Jahren Haft verurteilt sowie zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro an eines der Opfer, der als Nebenkläger aufgetreten war. Eine Sicherungsverwahrung im Anschluss an die Haft hat das Gericht nicht angeordnet. Der Mann war jahrelang in Mannheimer Sportvereinen engagiert und hatte in dieser Funktion über einem Zeitraum von 20 Jahren 80 Jungen sexuell missbraucht.
Von Lydia Dartsch
Für den Mandanten von Steffen Lindberg könnte es jetzt wieder bergauf gehen. Der inzwischen volljährige junge Mann war in dem Verfahren als Nebenkläger aufgetreten. Über 30 Therapiestunden habe er bisher in Anspruch genommen, um dem Prozess beiwohnen zu können und die Therapie werde fortgestetzt, sagte Herr Lindberg:
Mein Mandant ist zunächst erleichtert, dass das Verfahren vorbei ist.
Es sei vor allem darum gegangen, die Rollenverteilung bei den Taten klar zu machen. Dass die ursprünglich geforderte Sicherungsverwahrung nicht angeordnet wurde, bedauere er nicht. Schließlich habe die Prüfung dieser Frage letztlich zu der hohen Haftstrafe geführt.
Kein Hang – keine Sicherungsverwahrung
Verteidiger Stefan Allgeier zeigte sich nach der Urteilsverkündung erleichtert darüber, dass keine Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist. Dazu hätte ein Hang zur Kriminalität vorhanden sein müssen. Diesen hat das Gericht bei dem Angeklagten nicht erkennen können:
Ein Hang besteht deswegen nicht, weil mein Mandant vor den Taten nicht straffällig geworden ist und die Taten nicht unter Einsatz von körperlicher Gewalt begangen hatte,
sagte Stefan Allgeier.
Es war ein besonders außergewöhnlicher Fall, sagte Richterin Bettina Krenz bei der Urteilsverkündung. Außergewöhnlich sei er wegen der Vielzahl der Opfer und Taten sowie durch den langen Zeitraum, in dem diese begangen worden waren.
„Alle Verdienste entwertet“
Der 44 Jahre alte Mann hatte sich jahrelang in Mannheimer Sportvereinen engagiert und Jugendgruppen betreut. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er sich gezielt engagiert hatte, um in Kontakt mit Jugendlichen treten zu können. Dabei hatte er in einem Zeitraum von 20 Jahren 80 Jungen zwischen 11 und 15 Jahren sexuell missbraucht – laut Anklage sogar einmal unter Einsatz von körperlicher Gewalt.
Der Angeklagte hat das ihm entgegen gebrachte Vertrauen von Kindern und Eltern missbraucht. Er hat mit den Taten seine gesamten Verdienste in den Vereinen entwertet und einen immensen Schaden bei allen Vereinen verursacht, die Kinder- und Jugendarbeit machen,
sagte Richterin Krenz.
Bereits am ersten Verhandlungstag hatte der Angeklagte ein Geständnis abgelegt. Den Vorwurf der Gewalt hatte er dagegen abgewiesen. Das frühe Geständnis in der Hauptverhandlung sei einer der Gründe für das Strafmaß von zehn Jahren gewesen, hieß es in der Urteilsbegründung. Es habe den Beteiligten Opfern und deren Eltern ein schnelles Verfahren ermöglicht und man habe so auf die Befragung von Geschädigten verzichten können.
Sexuelle Orientierung nicht therapierbar
Für die psychologische Beurteilung des Angeklagten hatte das Gericht Dr. Hartmut Pleines hinzugezogen – einen besonders erfahrenen psychiatrischen Sachverständigen, wie Richterin Krenz sagte. Dieser hatte festgestellt, dass der Angeklagte eine homosexuelle, pädophile sexuelle Orientierung habe. Das sei nicht therapierbar, man könne nur lernen, damit umzugehen, sagte sie.
Auch wenn das ein hohes statistisches Rückfallrisiko berge, reiche das nicht für eine Sicherungsverwahrung aus. Bisher habe sich der Angeklagte nicht mit dieser Orientierung auseinandergesetzt, keine Kompensationstechniken erlernt, sagte die Richterin. Für eine dahingehende Therapie sei eine lange Haftstrafe nötig.
Wenige Vergleichsfälle
Das Urteil liegt nahe an den von Staatsanwältin Mirjam Zucker geforderten zehneinhalb Jahren mit anschließender Sicherungsverwahrung. Sie hatte zwölf Jahre gefordert, wenn keine Sicherungsverwahrung angeordnet werde. Dagegen hatte der Verteidiger des Angeklagten auf eine Haftstrafe im einstelligen Bereich plädiert.
Die Staatsanwältin freute sich über das schnelle Verfahren durch die Geständigkeit des Angeklagten und lobte die „akribische“ Aufklärungsarbeit der Behörden. Es gebe wenige vergleichbare Fälle – wegen der Vielzahl der Opfer und der Taten und wegen des langen Zeitraums, in dem die Taten verübt worden waren. Dass die von ihr beantragte Sicherungsverwahrung nicht angeordnet wurde, sieht sie gelassen:
Ich begrüße die deutliche Freiheitsstrafe.