Rhein-Neckar, 05. Mai 2015. (red/pro) Deutschland ächzt unter dem Bahnstreik. Sehr viele Menschen in der Region sind betroffen. Sie pendeln mit der Bahn, zwischen den Gemeinden der Metropolregion, aber auch nach Stuttgart oder Frankfurt. Haben Sie Verständnis für die Streikenden der Gewerkschaft GDL (Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer) oder haben Sie überhaupt kein Verständnis? Wie sind Sie vom Streik betroffen? Wir dokumentieren gerne Ihre Sicht der Dinge.
Von Hardy Prothmann
Sie können uns gerne Ihren Standpunkt per email an redaktion (at) rheinneckarblog.de einsenden – wir ergänzen den Artikel dann fortlaufend. Sie können aber auch die Kommentarfunktion nutzen und zu Statements kommentieren. Sie können uns Fotos einsenden und beschreiben, was Sie erleben. Sie helfen dabei, Öffentlichkeit herzustellen – und zwar nicht „die Sicht“ der GDL oder „die Sicht“ der Deutsche Bahn AG, sondern Ihre persönliche Sicht. Millionen Menschen sind betroffen und es gibt „sichterlich“ mehr Perspektiven, als man in vielen Medien sonst dargestellt bekommt.
Wir freuen uns, wenn Sie mitmachen und Ihre Beiträge helfen, die Auswirkungen dieses Fundamentalstreiks zu dokumentieren. Sie fahren keine Bahn, sondern Auto? Dann sind Sie auch betroffen, denn der Verkehr auf den Straßen dürfte noch mehr zunehmen.
Kann es sein, dass eine kleine Gewerkschaft mit 34.000 Mitgliedern Deutschland in Geiselhaft nimmt? Soll man Verständnis für die Forderungen haben? Ist diese Form des Tarifkampfs noch in Ordnung oder größenwahnsinnig? Für welchen Tarifkampf hätten Sie Verständnis, wo ist die Grenze erreicht?
Teilen Sie uns und anderen mit, was Sie denken – es gibt sicherlich viele Menschen, die das interessiert und die Ihre Gedanken teilen. Sie sind der Fahrgast, Sie sind betroffen, Ihre Familie, Ihr Geschäft, Ihr Job, Ihr Arbeitgeber.
Mailen Sie uns Ihren Beitrag, gerne mit Foto, ist aber keine Bedingung. Wir schreiben auch gezielt politische Vertreter an und werden deren Aussagen ebenfalls hier dokumentieren.
Chris Rihm, Inhaber des Reisebüros Reiseland Rihm, Mannheim, kommentierte am Montagabend auf Facebook:
Vielen Dank, Claus Weselsky, stellvertretend für die GDL – ich sitze noch im Büro und löse wohl noch bis nach Mitternacht zahlreiche Probleme von Firmen- und Privatkunden, die diese Woche wegen des „kleinen“ Streiks umplanen müssen. Ich bin grundsätzlich ein verständnisvoller Mensch, aber jetzt ist wirklich Schluss mit lustig. Beendet diesen Wahnsinn, und zwar sofort. Die Verhältnismäßigkeit der Mittel ist nicht mehr gewahrt. Man kann doch nicht ein ganzes Land als Geisel nehmen und erpressen? Der Streik trifft auch Nicht-Bahnfahrer, z.B. auf der Straße durch lange Staus; unser Industriestandort Deutschland leidet, insbesondere Industriezweige wie Chemie, Stahl oder auch die Automobilbranche sind massiv betroffen. Ich selbst bin seit 15 Jahren Verdi-Mitglied (trotz meiner Selbständigkeit), ich war früher stv. Betriebsratsvorsitzender in einem größeren Unternehmen im öffentlichen Dienst – bin also sicherlich kein Gegner von Gewerkschaften. Für diesen Streik aber fehlt mir jegliches Verständnis. Viele Grüße aus Mannheim
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Andreas Jaeck, Hirschberg
Prinzipiell ist mein Verständnis über die Verweigerung der Bahn zu monetären Zugeständnissen an die Lokführer überschaubar. Der Konzern kann es sich ja auch leisten, Roland Pofalla für ein siebenstelliges Gehalt als „Frühstücksdirektor“ zu beschäftigen. Als geplagter Pendler verstehe ich jedoch die Strategie der GDL nicht. Ein Ausfall der Züge, mit denen Tausende Pendler täglich an ihren Arbeitsplatz fahren müssen, sorgt für Unverständnis und Wut. Ist der Streik vorbei nutzen diese Pendler aufgrund fehlender Alternativen weiterhin die Bahn. Meist sind die Jahreskarten ja auch schon bezahlt.. Der wirtschaftliche Schaden der Bahn ist somit überschaubar. Der Streik sollte ausschließlich dort ansetzen, wo es Alternativen gibt, so z.B. beim Güterverkehr. Zusätzlich wäre es toll, wenn die GDL auf den großen Bahnhöfen Infostände hätte, an denen sie ihre durchaus relevanten und über das „mehr an Gehalt“ hinausgehende Ziele erklärt. („Drohende“ Tarifeinheit) Das würde vielleicht die öffentliche Meinung, die aktuell aus meiner Perspektive durch eine zu eindimensionale Berichterstattung in den Medien stark pro Bahn gefärbt wird, etwas für die GDL beeinflussen. Prinzipiell gilt leider, dass ein Streik kein Streik ist, wenn niemand die Auswirkungen spürt. So schwankt man als Pendler zwischen der Wut auf undifferenzierte Streiks und Verständnis für die gesellschaftliche Notwendigkeit von starken Gewerkschaften.
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Rebekka Schmitt-Illert, Mannheim, CDU-Stadträtin
Vom Bahnstreik bin ich als Berufspendlerin ganz unmittelbar betroffen. Dank Notfallfahrplan komme ich nach Stuttgart und auch wieder zurück – da ich nachmittags aber rechtzeitig wieder in Mannheim sein muss, um meine Tochter aus dem Hort abzuholen, und mein regulärer Zug ausfällt, bin ich an den Streiktagen fast zwei Stunden kürzer am Arbeitsplatz als sonst. Mein Chef hat dafür zum Glück Verständnis. Das Streikrecht ist ein hohes Gut, aber es kann auch missbraucht werden. Da sind im internationalen Vergleich die Streiks der GDL fast noch harmlos, wenn man sie z.B. mit den Streiks der LKW-Fahrer in Frankreich vergleicht, die sich dann gleich noch quer über die Autobahn stellen und damit alles blockieren – einschließlich Rettungsdienste. Wenn wir mal so weit sind, dass die Lokführer ihre Züge auf Bahnübergängen abstellen, haben wir französisches Streikniveau erreicht – dann dauert es nicht mehr lang bis wir uns Frankreich auch wirtschaftlich angleichen. So weit darf es erst gar nicht kommen. Es gibt ein Recht auf Streik. Aber es gibt auch ein Recht der bestreikten Unternehmen, sich zu wehren so gut es geht, und die Logistiker und die nicht streikenden Lokführer der Deutschen Bahn AG sorgen momentan dafür, die Auswirkungen im Personenverkehr so erträglich wie möglich zu machen. Mir kommt es momentan eher so vor, als würde sich die GDL ins eigene Fleisch schneiden. Ich habe selten so wenig Solidarität mit Streikenden erlebt und wenn am Ende durch die Änderung des Streikrechts kleine Gewerkschaften wie die GDL oder bei den Ärzten der Marburger Bund benachteiligt werden, haben sie mit Zitronen gehandelt. Wirklich konsensfähig wurde die Tarifeinheit in der Großen Koalition ja eigentlich erst in den letzten Monaten. Der Schaden, der durch solche Streiks für die Wirtschaft entsteht, spielt in der öffentlichen Diskussion kaum eine Rolle, dabei ist genau das eigentlich ein Druckmittel der Gewerkschaften. Ob der wirtschaftliche Schaden für die Metropolregion insbesondere durch die Streiks im Güterverkehr aber auch durch die Streiks im Personenverkehr beziffert werden kann, müsste man die IHK fragen. Inwiefern sich das dann in den Gewerbesteuereinnahmen der Stadt Mannheim widerspiegeln wird, wäre im nächsten Schritt zu klären. Von den Auswirkungen für die Umwelt durch zunehmenden motorisierten Individualverkehr will ich gar nicht sprechen. Wir haben ja im Gegensatz zu Stuttgart und Karlsruhe noch das Glück, dass wir innerstädtisch nicht auf die S-Bahn angewiesen sind. Auf jeden Fall sind die Streiks der GDL kumuliert inzwischen so umfangreich, dass sie sicher nicht ohne spürbare wirtschaftliche bzw. finanzielle Auswirkungen bleiben.