Heidelberg/Rhein-Neckar, 05. November 2018. (red/pro) Aktualisiert. Angeblich soll es am Samstagabend einen “Großeinsatz” der Polizei wegen einer mutmaßlichen Vergewaltigung gegeben haben. Tatsache ist, dass die Anzeige einer Frau vorliegt und die Behörden ermitteln. Allerdings ist unklar, was das mutmaßliche Tatdelikt sein soll und ob es überhaupt eine strafbare Handlunge gegeben hat.
Von Hardy Prothmann
Das Boulevardportal “Heidelberg24”, ein Angebot der Dr. Haas-Mediengruppe (unter anderem Mannheimer Morgen, Schwetzinger Zeitung und Bergsträßer Anzeiger), kleckert nicht, sondern klotzt: Horror ist eines der Lieblingswörter der Redaktion. Schock wird auch gerne genommen, Panik selbstverständlich auch, gerne auch “fassungslos”. Viele Berichte entstehen nach der “Erfolgsformel”, die der Bild-Zeitung zugeschrieben wird: TTT, also Tiere, Titten, Tote gehen immer.
Der Wahrheitsgehalt der Berichte spielt eine eher untergeordnete Rolle. Es geht um maximale Skandalisierung, damit man “Reichweite” erzielt. Dies scheint auch gut zu gelingen, zumindestens ist man bei der Dr. Haas-Geschäftsleitung sehr zufrieden mit den wirtschaftlichen Entwicklung der “24-er-Portale”, die es für Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafen gibt.
Aktuell stützt sich “Heidelberg24” auf die Angaben einer Heidelbergerin und eines Busfahrers. Beide werden namentlich genannt, die Frau sogar mit der Straße, in der sie wohnt. Vermutlich ist den beiden “Zeugen” nicht bewusst, welchem Risiko sie sich aussetzen. Bei der rnv ist man jedenfalls überhaupt nicht amüsiert, wie der Busfahrer sich inhaltlich geäußert hat. Ob und welche Konsequenzen das hat, wird nach RNB-Informationen zur Zeit mit hoher Dringlichkeit geprüft. Und ein mutmaßlicher Gewaltverbrecher weiß nun, wo eine “Zeugin” wohnt.
Doch gibt es diesen “Täter” überhaupt, der in der Bergheimer Straße eine Frau vergewaltigt haben soll, wie “Heidelberg24” fragt? Die Redaktion von “Heidelberg24” nimmt es mit rechtsstaatlichen Abläufen nicht so genau. Bis zu einer Verurteilung ist man in Deutschland ein “mutmaßlicher Täter” oder ein “Tatverdächtiger”, aber niemals ein “Täter”. “Heidelberg24” ist das egal. Es geht ja auch nicht um rechtsstaatliche Details, sondern um “Skandale” und “Aufmerksamkeit”.
Eine offizielle Presseinformation gibt es von Seiten der Behörden nicht – direkte Anfragen werden aber beantwortet. Denn die Behörden haben grundsätzlich eine Auskunftspflicht – außer, ermittlungstaktische Erwägungen lassen dies nicht zu. Aktuell bestätigt die Polizei weder eine mutmaßliche Vergewaltigung, noch dementiert sie diese – denn die Ermittlungen laufen. Allerdings, so der Eindruck, ist ein möglicher Tatverdacht derart gering, dass man sich bislang weder zu einer Pressemitteilung noch gar zu einer Fahndung entschließen wollte.
Was der Redaktion von “Heidelberg24” wohl auch nicht geläufig ist, ist, dass aktuelle Einsätze nicht auf realen Tatumständen beruhen, sondern zunächst immer ein Verdacht im Raum steht – ob dieser bestehen bleibt oder sich Sachverhalte ganz anders darstellen, müssen eben die Ermittlungen erbringen und nicht das Geschwätz von Anwohnern und Busfahrern. Vermeintliche “Augenzeugen” sind mit die unsicherste Quelle, derer sich Journalisten bedienen können (das haben wir in der Vergangenheit schon mehrfach berichtet, Beispiel: Tötungsdelikt H4-Wache. Hier berichteten Medien “Aussagen” von gut zwei Dutzend “Augenzeugen” – vor Gericht stellte sich heraus, dass diese auf “Hörensagen” beruhten, erfunden und erlogen waren und nicht verwendbar waren).
Richtig ist, dass eine Frau Anzeige wegen einer mutmaßlichen Vergewaltigung gestellt hat. Auch Falschbeschuldigungen kommen immer wieder vor – jeder in der Region erinnert sich an eine angebliche Vergewaltigung Anfang 2016 am Mannheimer Wasserturm. Letztlich zeigten die Ermittlungen, dass es sich um eine Falschanschuldigung handelte. Die Polizei konnte belegen, dass die Frau zur angeblichen Tatzeit überhaupt nicht vor Ort war. Die Frau wurde wegen Vortäuschung einer Straftat vor Gericht verurteilt.
Richtig ist auch, dass kurzfristig am Samstagabend ein Polizeihubschrauber im Einsatz war. Der war nach RNB-Informationen aber nicht für diesen Einsatz angefordert worden, sondern gerade in der Nähe und unterstützte kurzfristig die Fahndung.
Richtig ist, dass es sich beim Tatverdächtigen um einen Schwarzafrikaner handeln soll. Dessen Identität und Aufenthaltsort sind derzeit nicht bekannt. Nach Angaben der Polizei deutet alles darauf hin, dass sich das mutmaßliche Opfer und der mutmaßliche Täter kannten – woher und wie ist noch Gegenstand der Ermittlungen.
Tatsächlich läuft aktuell aller Voraussicht nach kein “Vergewaltiger” in Heidelberg frei rum, worüber sich die mit Klarnamen benannte “Augenzeugin” aktuell “Sorgen” macht. Für einen derartigen “Alarmismus” gibt es offenbar keinerlei Anlass.
Hintergrund: Die Portale Heidelberg24, Mannheim24 und Ludwigshafen24 gehören zur Dr. Haas-Mediengruppe. Die Basis dieser Portale kommt allerdings von der Zeitungsgruppe Ippen, die die Plattform programmiert hat und anderen dieses System zur Verfügung stellt. Inhaltlich bespielen die lokalen Partner mit vermeintlichen Sensationsnachrichten die Plattformen, in großem Umfang werden “internationale Nachrichten” durch “Ippen digital” eingespielt, natürlich auch hier mit Schwerpunkt “Boulevard”. Das Angebot bewirbt die Verlagsgruppe wie folgt:
Ippen Digital ist spezialisiert auf die digitalen Bedürfnisse kleiner und mittlerer Verlage: für regionale Reichweitenportale wie merkur.de oder hna.de, 24er-Portale wie rosenheim24.de und lokale Anzeigenzeitungen wie hallo-muenchen.de.
Sofort App, kein finanzielles Risiko
Allen drei Typen bietet Ippen Digital den Allround-Support für Redaktion, Technik und Sales. Sie erhalten die Möglichkeit, mittels modernster Technik und eigener, sofort verfügbarer App jüngere Zielgruppen zu erreichen, ohne selbst ein großes finanzielles Risiko einzugehen.Die ID-Plattform ist für alle Portaltypen SEO-optimiert, lädt blitzschnell, ist voll responsiv auf allen Displays aufrufbar und unterstützt Facebook Instant Articles und Google AMP. Mit inbegriffen ist ein Dashboard, das alle wichtigen User-Daten übersichtlich zur Analyse bereitstellt.
Die Vorteile eines großen Netzwerkverbunds
Mit dem ID-Ad.Net verdienen Kunden von Ippen Digital schon vom ersten Tag an Geld. Dies geschieht über den großen Netzwerkverbund mit über 50 Mandanten, der standardisierte Werbemittel zur Vermarktung bietet. Über Templates, Verträge mit großen Anbietern wie Plista, Outbrain oder Taboola und durch laufende Optimierung erzielen Ippen-Digital-Kunden vom ersten Tag an Erlöse.
Es geht also in Summe um Masse und nicht um seriösen Lokaljournalismus. Ob sich vermeintlich seriöse Verlage einen Gefallen tun, diese Trash-Angebote unters Portfolio zu mischen, ist noch unklar. Klar ist, dass die Tageszeitungen seit Jahren massiv Auflage verlieren und ihre Hoffnung auf “Reichweitenportale” legen.
Aktualisierung: Um 14:13 Uhr haben Staatsanwaltschaft Heidelberg und Polizei folgende Pressemitteilung “nachgereicht”.
“Gemeinsame Pressemeldung der Staatsanwaltschaft Heidelberg und des Polizeipräsidiums Mannheim
Am Samstag gegen 22.50 Uhr soll es in der Vangerowstraße im Stadtteil Bergheim in unmittelbarer Nähe eines Hotels zu einem Sexualdelikt gekommen sein.
Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen lernte eine 64-jährige Frau einen bislang unbekannten Mann in Mannheim kennen und fuhr mit diesem zunächst mit der Bahn nach Heidelberg und im Anschluss mit einem Taxi zu einem Hotel in der Vangerowstraße.
An der Rückseite des Hotels ließen sich die Geschädigte und der Tatverdächtige im Bereich einer Treppe nieder und unterhielten sich zunächst. Sodann soll es zu sexuellen Handlungen gegen den Willen der Geschädigten gekommen sein, nicht jedoch zum Geschlechtsverkehr.
Der Unbekannte wurde wie folgt beschrieben:
ca. 35 Jahre, 180 cm, athletisch, schwarzafrikanischer Phänotyp, schwarze Haare, Afro-Frisur, großer Mund, breite Lippen, Ohrring rechts. Der Unbekannte trug eine verwaschene Jeansjacke, rotes T-Shirt, schwarze lange Sporthose, neonrote Sportschuhe, auffällige goldfarbene Halskette.
Eine Fahndung nach dem Täter verlief bislang erfolglos.
Das Dezernat für Sexualdelikte der Kriminalpolizeidirektion Heidelberg sucht nun nach dem Taxifahrer, der die Geschädigte und den Tatverdächtigen zum Hotel beförderte sowie nach weiteren Zeugen. Diese mögen sich unter 0621 174 4444 melden.
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Kriminaldirektion Heidelberg dauern an.”