Heidelberg/Rhein-Neckar, 05. September 2015. (red/pro) Sind im Sicherheitsdienst auf dem Patrick Henry Village Neonazis beschäftigt? Diese Frage muss umgehend und vollumfänglich sofort geklärt werden. Uns liegen überzeugende Hinweise vor, dass mindestens ein Neonazi im Camp Dienst tut. Dort kommt es regelmäßig zu Auseinandersetzungen zwischen Flüchtlingen und den Sicherheitskräften. Bislang hieß es, die Flüchtlinge hätten „keinen Respekt“ vor dem Sicherheitspersonal. Jetzt steht die Frage im Raum, woran das wohl liegen könnte?
Von Hardy Prothmann
Nach Angaben der antifaschistischen Plattform „indymedia.org“ ist mindestens ein Neonazi als Sicherheitskraft in der Heidelberger Flüchtlingsunterkunft Patrick Henry Village (PHV) beschäftigt.
Ein Foto der mutmaßlich rechtsradikalen Person zeigt den Mann vor der Polizeistation in PHV. Andere Fotos des glatzköpfigen Mannes zeigen ihn in eindeutig rechtsradikalem/neonazistischem Umfeld.
Der mutmaßliche, mehrfach vorbestrafte Neonazi soll aus Kassel stammen und “Sturm 18 Cassel”-Vize sein, berichtet die antifaschistische Seite.
Indymedia.org ist eine anonyme Plattform von Antifaschisten, die oft erstaunlich detaillierte Informationen bereit hält, die aber „mit Vorsicht zu genießen sind“, weil genaue Recherchen oft einen tendenziösen Charakter ergeben. Unabhängig davon nutzen wir die Seite kontinuierlich als Quelle für weitere Recherchen.
Diese können wir aktuell wegen des Wochenendes nicht leisten. Anfragen an das Regierungspräsidium, die Polizei und das Integrations- sowie Innenministerium sowie die Staatskanzlei werden wir über das Wochenende versenden.
Unklare Informationen
Problematisch ist beispielsweise, dass Indymedia einen Bezug zwischen dem Sicherheitsdienst und European Homecare herstellt. In Nordrhein-Westfalen gab es Übergriffe durch Sicherheitsdienstmitarbeiter auf Flüchtlinge – der Sicherheitsdienst wurde dort nach unserer Kenntnis von European Homecare unter Vertrag genommen.
Wir hatten daraufhin zur Lage in Baden-Württemberg recherchiert, da European Homecare (EC) hier als Dienstleister auch für das Land tätig ist. Laut Regierungspräsidium werden die Sicherheitsdienste hierzulande aber nicht über EC unter Vertrag genommen, sondern durch das Regierungspräsidium selbst.
Diese Information verschärft allerdings die Problematik enorm. Nimmt das Land Baden-Württemberg Sicherheitsdienstleister unter Vertrag, die auch mutmaßliche Neonazis beschäftigen?
Die von Indymedia veröffentlichen Fotos und Informationen legen nahe, dass die als mutmaßlicher Neonazi identifizierte Person definitiv im PHV als Sicherheitskraft vor Ort war (oder ist?). Wir verfügen nicht über forensische Mittel, halten das Foto aber für echt, weil wir nach eingehender Prüfung keine Manipulationen feststellen können. Der Mann posiert für ein Foto vor Ort, im Hintergrund sieht man das Schild der Polizeidienststelle.
Im PHV kommt es auffallend oft zu gewalttätigen Konflikten. Polizei und Feuerwehr müssen quasi täglich ausrücken. Insbesondere in dieser Woche ging es wieder besonders heikel zu.
Und ständig gibt es massive Konflikte zwischen dem Sicherheitspersonal und den Flüchtlingen.
Viele Fragen
Das wirft angesichts der „indymedia“-Informationen ganz neue Fragen auf:
- Welche Rolle spielt das Sicherheitspersonal bei den Konflikten?
- Sind die Aggressoren wirklich die Flüchtlinge oder gibt es andere Gründe für die Auseinandersetzungen?
- Wie kann es sein, dass mutmaßliche Rechtsradikale hier als Sicherheitsleute angestellt werden?
- Welches Qualitätsmanagement bei den Mitarbeitern gibt es durch den beauftragten Dienstleister?
- Wie kontrolliert das Regierungspräsidium Karlsruhe die eingesetzten Personen?
Und die weitergehende Recherchethese könnte lauten:
- Gibt es einen Zusammenhang zwischen mutmaßlich rechtsradikalen Sicherheitsdienstmitarbeitern und den dauerhaften Unruhen im PHV?
Nach unseren Informationen ist die Belastungslage der Polizei mittlerweile derart massiv, dass man darüber nachdenkt, einen dauerhaften Posten vor Ort einzurichten – was allerdings Kapazitäten für andere Einsätze kostet.
Durch unseren Kontakt zu vielen Polizisten wissen wir, dass die Stimmung innerhalb der Polizei geladen ist. Die meisten Flüchtlinge verhalten sich nach Einschätzung der Beamten normal und unauffällig – aber verschiedene Gruppen sorgen immer wieder für „gewalttätigen Stress“, insbesondere Nordafrikaner, Pakistaner, aber auch Syrer und Afghanen. Insbesondere Balkan-Flüchtlinge gelten als Diebstahlsbanden. Der Frust innerhalb der Polizei, dass man zwar ständig im Einsatz ist, aber „nichts von der Politik unternommen wird, um diese Personen zur Verantwortung zu ziehen“, ist enorm.
Kartell des Schweigens
Hinzu kommt: Es gibt ein Kartell des Schweigens. Konflikte branden auf, die Polizei hat Großeinsätze, aber keiner redet. Es gibt keine Zeugen, keine Aussagen, sondern nur das Warten auf den nächsten Einsatz. Bestätigt wird, dass die Asylsuchenden oft großen „Respekt“ vor der Polizei haben – aber kein Vertrauen. Die meisten Herkunftsländer haben keine mit Deutschland vergleichbare Polizei – meist sind Polizisten dort korrupt und brutal im Vorgehen. Es fehlt eine Vertrauensbasis.
- Könnte es sein, dass Rechtsradikale diese Situation ausnutzen, um Konflikte zu schüren?
Unsere Fragen stehen im Raum – die Politik muss schnell, entschieden und umfassend dazu Stellung beziehen.
Alles andere wäre unerträglich.
Anm. d. Red.: Camps wie das PHV sind für Journalisten „closed shops“. Die Landesregierung verweigert Journalisten freien Zutritt zu den Flüchtlingsunterkünften. Man muss immer Anfragen stellen, lange Zeit warten und darf dann „begleitet“ vor Ort. Damit ist jeglicher freier Journalismus und eine eigenständige, unabhängige Recherche unmöglich gemacht. Wir sind uns der „Problematik“ bewusst, wenn wir bestimmte Nationalitäten in Zusammenhang mit Konflikten benennen, entscheiden uns aber bei der Abwägung dafür, zutreffend Problemgruppen zu beschreiben. Die Nennung von Nationalitäten meint nie alle Personen dieser Herkunftsländer, sondern einzelne, die nach unseren Recherchen auffällig in Erscheinung treten.