Mannheim/Rhein-Neckar, 05. Mai 2014. (red/ms) Emil S. ist nicht nur wegen des Mordes an Gabriele Z. angeklagt. Ihm wird außerdem zur Last gelegt, zwei minderjährige Mädchen überfallen und einer der Geschädigten ihre Handtasche gestohlen zu haben. Ein Angeklagter ist erst schuldig, wenn er verurteilt wird und veurteilt wird er erst, wenn die letzten Zweifel beseitigt sind. Doch Zweifel gibt es kaum noch welche: Beide Opfer haben den Angeklagten zwar nicht 100 Prozent anhand eines Photos als Täter identifiziert, doch die gestohlene Handtasche wurde in einer Mülltonne gefunden, die zur ehemaligen Unterkunft von Emil S. gehört. Vanessa K. wehrte sich bei dem Übergriff erfolgreich mit einer Schere. Mit dem Blut des Angreifers wurde eine DNA-Probe durchgeführt. Stimmt diese auch überein, sind die Indizien erdrückend.
Von Minh Schredle
Die Polizei-Inspektion Grünstadt ist nur wenige hundert Meter vom Bahnhof und dem Ort, an dem der Überfall auf die beiden Mädchen stattfand, entfernt. Heute sagten im Prozess gegen Emil S. die Polizisten aus, die für die Vernehmungen von Lena M. (14) und Vanessa K. (17) zuständig waren.
Die beiden müssten unmittelbar nach dem Vorfall zur Polizei gekommen sein, sagt die Zeugin, die Vanessa K. befragte. Es sei erst kurz nach 20:00 Uhr gewesen. Der Vorfall ereignete sich nach 19:30 Uhr.
Schilderungen der Geschädigten stimmen überein
In ihrer Vernehmung habe Vanessa erstaunlich gefasst gewirkt, beschreibt die Zeugin. Ganz so als hätte sie gar nicht geahnt, in was für einer Gefahr sie eigentlich gewesen ist. Die damals noch 13-jährige Lena M. hingegen sei “völlig aufgelöst” gewesen, wie eine andere Zeugin später aussagt. Sie ist die Polizistin, die Lenas Vernehmung durchgeführt hat.
Die beiden lieferten nur vage Täterbeschreibungen ab, die aber in allen Punkten übereinstimmten: Der Mann trug dunkle Kleidung, einen Pullover, die Kapuze über dem Kopf getragen. Er war etwa 1,70 Meter groß, dunkle Haare und ein großer Schnurbart. Keine Piercings, keine Tattoos. Recht dunkle Haut, ein “südländischer Typ”. Lena M. umschrieb ihn als “islamisch”.
Ein Phantombild wurde nicht erstellt. Als die Polizei Mannheim mitteilte, der Tatverdächtige im Mordfall Gabriele Z. könne auch hinter den Übergriffen in Grünstadt stecken, wurden die Mädchen ein zweites Mal vernommen, wieder getrennt voneinander.
Beide Geschädigten identifizieren Emil S. als Täter
Sie bekamen jeweils acht Bilder vorgezeigt. Allerdings gab es nur eine der abgebildeten Personen wirklich: Den angeklagten Emil S.. Bei den anderen sieben handelte es sich um Gesichter, die durch ein Computerprogramm generiert wurden. Beide Geschädigten zeigten auf das Bild des Angeklagten, als sie nach dem Täter gefragt wurden – ganz sicher waren sie sich allerdings nicht.
Bei Vanessa K. waren es 50 Prozent, bei Lena M. immerhin 80 Prozent. Beide gaben als Erkennungsmerkmal den Schnurrbart an. Die Rechtsanwälte des Angeklagten kritisierten das Vorgehen der Polizei. Unter den Lichtbildern würde nur der Angeklagte Emil S. der Täterbeschreibung der Mädchen entsprechen.
Er sei der einzige mit einem großen, markanten Schnurbart. Rechtsanwalt Maximilian Endler bemerkte gegenüber dem zuständigen Polizisten:
Da hätten Sie den Mädchen auch gleich nur ein einziges Bild zeigen können und fragen, ob er das war.
Die Identifikation durch die Mädchen reicht allein noch nicht, um den Angeklagten zu verurteilen. Allerdings wurde weiteres belastendes Material vorgelegt. Vanessa K. verletzte den Angreifer mit einer Schere. Mit dem Blut des Täters wird eine DNA-Probe durchgeführt. Die Ergebnisse werden an einem der kommenden Verhandlungstage vorgestellt.
Journalist findet Handtasche eines Überfall-Opfers
Außerdem fand man die gestohlene Handtasche in einem Mülleimer vor der Wohnung des Angeklagten. Die Umstände sind ungewöhnlich – denn die Tasche wurde nicht von der Polizei entdeckt, sondern vom Chefredakteur des Rheinneckarblogs. Er hatte einen Hinweis erhalten, als er Bilder in der Wohnung des Angeklagten machte und wurde heute ebenfalls als Zeuge rund 45 Minuten lang befragt.
Er sagte, ein ehemaliger Arbeitskollege von Emil S. habe ihm den Tipp gegeben, sich die Mülltonnen unten genauer anzusehen. Er fand eine blaue Stoffhandtasche in einem der Mülleimer in einer Tüte. Besonders viel drin sei nicht gewesen:
Ein paar Schminksachen, etwas zum Schreiben und ein Geldbeutel. Darin waren Ausweise. Den Namen Vanessa K. kannte ich durch meine Recherchen. Da wusste ich, dass es sich um die Handtasche des überfallenen Mädchens handelt.
Er habe die Tasche am folgenden Tag bei der Polizei abgegeben, da er sie als Hinweis für relevant gehalten habe. Daraufhin durchsuchten zwei Polizisten die anderen Mülltonnen noch einmal gründlicher. Sie fanden dabei einen Wettschein, eine türkische Sim-Karte und einen Fahrschein, die ebenfalls in die Beweisaufnahme miteinbezogen werden.
Belastendes Beweismaterial summiert sich
An sich ist die Handtasche nur ein Indiz. Der Innenhof ist für jedermann zugänglich, die Mülltonnen wurden auch von den Mitbewohnern des Angeklagten genutzt und vermutlich auch von einem benachbarten Restaurant.
Die Schilderungen der geschädigten Mädchen sind allerdings glaubwürdig und stimmig und ergeben mit den anderen Indizien eine erhebliche Belastung. Bislang konnte keiner Emil S. ein Alibi geben. Wenn das DNA-Gutachten nachweisen kann, dass das Blut vom Tatverdächtigen stammt, wird es kaum noch Zweifel geben können, dass Emil S. auch die beiden minderjährigen Mädchen in Grünstadt überfallen hat.