Eberbach/Heidelberg/Rhein-Neckar, 05. Januar 2013. (red/Fotos: pr-video.de) Aktualisiert. Der kleine Odenwälder Ort Eberbach ist vom Doppelmord an einem 65-jährigen Lehrer und dessen 56-jährigen Frau geschockt. Personen aus dem Umfeld des Paares zeigten sich über die Tag entsetzt und fassungslos. Eine Erklärung, warum es zu dem Mord gekommen sein könnte, hat niemand. Noch nicht einmal Vermutungen.
Von Hardy Prothmann
Die Stadt Eberbach ist aus Polizeisicht als ruhiger, unauffälliger Ort bekannt. Rund 14.800 Einwohner leben hier. Die Opfer, Dr. Harald Grote und dessen Frau Dr. med. Dorothee Thaler, wurden am Freitagvormittag mit tödlichen Schussverletzungen in ihrem Haus in einem ruhigen Wohnviertel Eberbachs aufgefunden. Im Haus befand sich auch das zweijährige Enkelkind von Frau Dr. Thaler, das unverletzt in eine Klinik gebracht worden ist.
Das Kind soll am Vormittag weinend vor dem Haus gestanden haben – eine Nachbarin war auf das Kind aufmerksam geworden und hatte dann die Leichen entdeckt und die Polizei verständigt, die gegen 11:00 Uhr vor Ort eingetroffen ist. Am Nachmittag traf die offensichtlich ahnungslose Tochter von Frau Thaler ein und wurde vollständig unvorbereitet mit der Situation konfrontiert. Es sollen sich dramatische Szenen abgespielt haben.
Wann das Verbrechen begangen worden ist, ist bislang unklar. Man kann vermuten, dass das Ehepaar am Abend oder in der Nacht von Donnerstag auf Freitag ermordet worden ist, während der Enkel geschlafen hat.
Zur Zeit fehlt jedes Motiv für den Mord an dem Lehrer für Naturwissenschaften und der Kinderärztin. Herr Dr. Grote war als Lehrer am örtlichen Hochenstaufen-Gymnasium beschäftigt und galt als engagierter, beliebter Lehrer. Er war kommunalpolitisch als Stadtrat der “Alternativen Grünen Liste” (AGL) seit 2004 aktiv: „Wir sind hier alle tief betroffen“, sagte die grüne Landtagsabgeordnete Charlotte Schneidewind-Hartnagel auf Anfrage: „Herr Dr. Grote war als Lehrer von hunderten Schülerinnen und Schülern natürlich in vielen Familien bekannt.“ Zudem engagierte sich Dr. Grote beim NABU und BUND. Der passionierte Radfahrer galt als sehr kommunikativ und am Dialog orientiert: „Er hatte Standpunkte, die er vertrat, aber eher ausgleichend und zielorientiert“, sagte uns eine Person aus dem politischen Umfeld. Die Kinderärtzin Dr. med. Dorothee Thaler war als leitende Ärztin am Sozialpädiatrischen Zentrum im rheinland-pfälzischen Trier beschäftigt und hat dort mit entwicklungsgefährdeten oder von Behinderung bedrohten Kindern und deren Familien gearbeitet.
Unser Partnerportal *16vor.de berichtet, dass Frau Thaler seit fast drei Jahren Ärztliche Leiterin des Sozialpädiatrische Zentrums Trier (SPZ) war, auch unter der Bezeichnung “Kinderfrühförderung” bekannt. SPZ-Geschäftsführer Hans Tilly erklärte gegenüber 16vor, er sei “fassungslos und sprachlos” angesichts des Verbrechens. Tilly sprach von einem “riesigen Verlust”, menschlich wie fachlich sei Thaler eine äußerst kompetente Leiterin des Sozialpädiatrischen Zentrums gewesen.
Polizei schließt politisches Tatmotiv aus
Eine politische Tat schließt die Polizei aus: „Lokale Gerüchte, es gebe möglicherweise ein Motiv mit nationalsozialistischem Hintergrund sind hanebüchen und äußerst ärgerlich“, sagte Polizeisprecher Harald Klumpp: „Wir schließen einen solchen Hintergrund definitiv aus.“ Auch ein Raubmord wird zur Zeit als nicht wahrscheinlich angesehen, da es keine Einspruchspuren oder andere Hinweise gibt. Der oder die Täter wurden in das Haus eingelassen.
Die Polizei hält sich aus ermittlungstaktiven Gründen bedeckt: „Wir verfolgen verschiedene Ermittlungsansätze, können aber keine weiteren Informationen herausgeben, weil das Täterwissen sein könnte“, sagte Harald Klumpp auf Anfrage. Ob im jeweils beruflichen Umfeld der beiden Opfer ermittelt werde, wollte der Beamte nicht beantworten.
Zur Zeit werden die beiden Leichen am rechtmedizinischen Institut der Universität Heidelberg obduziert. Von den Ergebnissen erhoffen sich die Ermittler weitere Ermittlungshinweise. Zur Zeit ist nur klar, dass der Lehrer und die Kinderärztin erschossen wurden. Ob mit einer Faustfeuerwaffe, einem Gewehr oder einer anderen Waffe ist unklar. Auf die Frage, ob es einen Kampf gegeben hat oder das Paar gezielt erschossen worden ist, schweigt die Polizei. Die Beamten erhoffen sich neue Hinweise, wenn die Art der verwendeten Waffe bekannt ist. Das Ergebnis der Obduktion wird heute, spätestens morgen erwartet.
Ermittlungen im privaten Umfeld
Die Ermittlungen der 32-köpfigen Sonderkommission konzentrieren sich zur Zeit auf das private Umfeld des getöteten Ehepaares. Die Tochter von Frau Thaler und Mutter des zweijährigen Kindes wurde gestern bereits als Zeugin, nicht als Tatverdächtige, vernommen. Herr Dr. Grote hat drei erwachsene Söhne aus erster Ehe, die ebenfalls bereits vernommen wurden und als Tatverdächtige ausscheiden.
Von Streitigkeiten oder Konflikten mit Schülern ist zur Zeit noch nichts bekannt. Die Polizei ermittelt zwar auch in diese Richtung, aber auch hier vollständig offen und ohne konkrete Spuren.
Für den Doppelmord ist also bislang weder ein mögliches Motiv bekannt, noch gibt es konkrete Spuren auf mögliche Tatverdächtige. Die Polizei möchte sich nicht festlegen, wann sie mit weiteren Informationen an die Öffentlichkeit geht: „Sobald wir belastbare Informationen haben, werden wir selbstverständlich die Öffentlichkeit informieren“, sagte Polizeisprecher Harald Klumpp: „Sie können davon ausgehen, dass wir mit Hochdruck an dem Fall arbeiten.“
Trauerfeier am Sonntag
Am morgigen Sonntag sollte eigentlich der neu gewählte Bürgermeister Peter Reichert im Amt verpflichtet und vereidigt werden. Dies wurde nach Beratungen mit dem Gemeinderat abgesagt. Stattdessen findet um 17:30 Uhr in der Stadthalle eine Trauerfeier statt: „Die Menschen müssen ihre Trauer ausdrücken können und Gelegenheit haben, Abschied zu nehmen“, sagte die Landtagsabgeordnete Charlotte Schneidewind-Hartnagel unserer Redaktion.
*Anm. d. Red.: 16vor.de ist wie das Rheinneckarblog.de Mitglied des bundesweiten Netzwerks lokaler Onlinemedien „Istlokal.de„.