Dossenheim, 04. April 2016. (red/nh) In jeder Stadt und in jedem Dorf gibt es ein Rathaus. Warum das so ist? Das Rathaus gehört seit je her zu den wichtigsten Orten einer Stadt. Es repräsentiert die Politik ebenso wie die Gemeinde, es schafft Identität und ist unentbehrliche Anlaufstelle für die Bürger. Wir begeben uns auf Spurensuche und nehmen die Rathäuser der Rhein-Neckar-Region in einer Serie unter die Lupe. In Dossenheim geht die Geschichte auf vier Rathäuser zurück: Das erste wurde abgebrannt, das zweite musste dem Fortschritt weichen, das dritte war ein Tanzsaal. Heute könnte das Dossenheimer Rathaus als ein „Kommunikationszentrum“ bezeichnet werden.
Von Naemi Hencke
Rathäuser sind als Institution seit dem zwölften Jahrhundert nicht mehr aus Städten und Dörfern wegzudenken. Hier werden seitdem überwiegend alle wichtigen wirtschaftlichen Belange einer Gemeinde geregelt. Es ist Sinnbild für das politische Geschehen und bedeutend als Identitätsstifter der bürgerlichen Gemeinde. Es ist die zentrale Anlaufstelle einer Stadt.
Anfangs wurden Zweckbauten wie Markthallen oder Wohnhäuser zu Rathäusern umfunktioniert; oft am Marktplatz und in der Nähe der Kirche gelegen.
Im Laufe der Zeit wuchsen die Gemeinden beständig und damit auch die Aufgaben des Rates: Viele Städte entschieden sich gegen einen Neubau – wahrscheinlich auch wegen der Kosten – und bauten nach und nach an und um.
Die Dossenheimer Rathäuser – das erste Rathaus brannte ab
Soweit sich die Geschichte der Dossenheimer Rathäuser zurückverfolgen lässt, stand das erste Rathaus in der Hauptstraße zwischen der ehemaligen Druckerei Lang und dem Friseurgeschäft Bähr gegenüber der Apotheke. Der Orléannssche Krieg verwüstete das Dorf nahezu komplett – und damit fiel auch das erste Dossenheimer Rathaus in Schutt und Asche. Die Franzosen hatten es 1674 in Brand gesetzt.
Ein Zweites wurde gebaut
Trotz der fatalen Zerstörungen durch den Krieg sollte der Aufbauwille der Dossenheimer Bürgerinnen und Bürger nicht gebrochen sein. Zwischen 1685 und 1690 wurde an der gleichen Stelle ein neues Rathaus erbaut. Ursprünglich wohl ein Fachwerkbau, wurde es später von aussen verputzt.
Der Platz vor dem Gebäude wurde zum Mittelpunkt des Dorfes: Cafés und Gasthäuser siedelten sich ringsherum an, Feste wurden hier gefeiert. 200 Jahre erfüllte es seinen Zweck als Rathaus.
Porphyr – Aufschwung in Dossenheim
Im Lauf der Zeit entdeckte die Gemeinde den Wert von sogenannten Porphyrs – hinter diesem Begriff verbergen sich verschiedene vulkanische Gesteine. Im Zuge dessen entstanden ausgedehnte Steinbrüche. Nach Quellenlage hat der Abbau in Dossenheim erstmals im Jahr 1760 stattgefunden.
Anfangs noch als privater Nebenverdienst, diente der Handel mit Porphyr später vor allem dem Bau von Straßen und Eisenbahnstrecken. Etwa um 1840 wurde die Gemeinde Eigentümer und übernahm das Steinbruchgewerbe. Der Transport des gebrochenen Gesteins – vor allem zum Neckar hin – spielte hierbei eine besondere Rolle.
Das zweite Rathaus stand im Weg
Manche Bauern wurden zu reinen Fuhrunternehmern und brachten das Material auf Pferdefuhrwerken die Steige herunter und über die Hauptstraße in die Ebene. Nun aber stand das Rathaus dem Abtransport im Weg, „das weit in die Straße vorgebaut, den Pendelverkehr oft ins Stocken brachte“. Das Rathaus musste dem Fortschritt weichen – und wurde abgerissen.
Verwaltung im Tanzsaal
Die Gemeinde suchte nach einer Alternative und so zog die Verwaltung Ende des 19. Jahrhunderts in das „Gasthaus zum Ochsen“. Die Gemeinde erwarb den im ersten Obergeschoss liegenden Tanzsaal. Der ehemalige Bürgermeister Dr. Karl Miltner beschreibt die Szenerie wie folgt:
Ältere Einwohner erinnern sich noch gut, wie in diesem großen Saal an einem großen Tisch Bürgermeister und Ratsschreiber saßen, während die übrigen Schreiber an Stehpulten ihre Arbeit verrichteten.

Das Alte Rathaus – heute findet man hier das Heimatmuseum.
Die Steinbruchindustrie zog viele Arbeiter, auch aus dem Ausland, nach Dossenheim. Zu diesem Zeitpunkt zählte die Gemeinde schon etwa 3.000 Einwohner – um 1800 waren es rund 800.
Nach den zwei Weltkriegen verdoppelte sich die Einwohnerzahl nahezu und damit stiegen auch die wirtschaftlichen und sozialen Anforderungen an die Gemeindeverwaltung. Das Alte Rathaus wurde zu eng und war in Folge dessen nicht mehr geeignet, einen geordneten Ablauf zu ermöglichen. Zudem verlagerte sich der Ortsmittelpunkt – vor allem aufgrund der wachsenden Industrie und dem Bau von Wohnsiedlungen – zusehends in die Ebene.
Das vierte „Neue Rathaus“
Am ehemaligen Zimmerplatz wurde am 09. Januar 1954 der Grundstein für das neue Rathaus gelegt. Die Planung und Bauleitung übernahm Diplom Ingenieur Hans-Joachim Maurer, ein Architekt aus Heidelberg. Für die örtliche Bauführung wurde der Architekt Valentin Weyman beauftragt und die Bauarbeiten Dossenheimer Handwerkern übertragen. 300.000 Deutsche Mark wurden damals für den Neubau veranschlagt.
Möge das neue Rathaus nach Jahren des Kampfes und der inneren Zerrissenheit in immer nur friedlicher Zukunft den Einwohnern die Stätte sein, wo ihnen Recht und Gerechtigkeit zuteil wird.
Mit diesen Worten wurde das neue Rathaus am 21. Mai 1955 vom Ratsschreiber Bär und dem damaligen Bürgermeister Dr. Miltner eingeweiht.

Im Hintergrund erkennt man die ehemaligen Steinbrüche.

Der Eingang des Dossenheimer Rathauses.

Eingang zur Gemeindebücherei im Untergeschoss

Gemeindebücherei

Seitenansicht – Detail

Seitenansicht
1982 wurde ein Um- und Erweiterungsbau beschlossen. Dieser wurde zwei Jahre später fertig gestellt. Im neuen westlichen Flügel fand die Gemeindebücherei mehr Platz – die Vereinigung von Bibliothek und Verwaltung sollte das Rathaus zu einem Kommunikationszentrum machen. Zudem wurde anfangs auch der örtliche Polizeiposten, Archiv-, Lager- Kellerräume und eine Teeküche im Rathaus untergebracht.

Gemeindesitzungssaal

Das Oberlicht im Sitzungssaal macht den Raum hell und sieht von unten aus betrachtet sehr spannend aus.
Im Obergeschoss befinden sich unter anderem Büroräume und ein kleines Sitzungszimmer – dieses kann durch das Zurückschieben einer mobilen Wand in das Amtszimmer des Bürgermeisters integriert werden.
Zwei Fragen an Bürgermeister Hans Lorenz
Herr Lorenz, wie sehen Sie die Gemeinde durch das Rathausgebäude repräsentiert?
Ich finde schon, dass es die Gemeinde gut repräsentiert. Das Dossenheimer Rathaus ist nicht zu prunkvoll, sondern erfüllt seinen Zweck. Es hat eine gewisse Ausstrahlung und schafft den Mittelweg – ohne aufdringlich zu wirken. Allerdings ist es energetisch nicht in einem guten Zustand: Die Wärmedammwerte sind nicht optimal. Manche Teile des Rathauses sind nicht barrierefrei, außer das Erdgeschoss. Deswegen gibt es momentan auch die Diskussion, das Rathaus „umzukrempeln“ und es neu zu ordnen. Es muss unbedingt einen Fahrstuhl geben.
Was schätzen Sie, Herr Lorenz, besonders daran, Bürgermeister zu sein?
Was wirklich toll ist, dass es nie langweilig wird. Ich bekomme viele Einblicke in die unterschiedlichsten Bereiche – und bin sehr nah an den Problemen dran. Der direkte Kontakt mit den Menschen vor Ort ist sehr schön.
Ich muss sagen, wir sind wirklich eine internationale Gemeinde, im letzten Jahr durften wir 200 Asybewerber beziehungsweise Neubürger begrüßen. Die Stimmung hier ist sehr harmonisch, das Zusammenleben funktioniert sehr gut. Das mag ich.
Zudem ist die Verbindung zur Gemeinde für mich eine emotionale, da ich hier aufgewachsen bin – dadurch ist die Arbeit für die Gemeinde eine besondere Herausforderung und das finde ich sehr reizvoll. Ich habe keine festen Sprechstunden – ich denke, die Bürger und Bürgerinnen sollten immer spontan mit ihrem Anliegen zu mir kommen können. Anrufen sollten sie vorher natürlich schon.
Erreichbarkeit
Parkplätze befinden sich gegenüber des Rathauses. Eine Übersicht der Öffnungszeiten finden Sie hier.
Service
Es steht den Bürger/innen ein sogenantes „virtuelles Rathaus“ zur Verfügung – es können etliche Belange online erledigt werden.
Jedes Bauwerk erzählt seine eigene Geschichte, voller bemerkenswerter Wendungen und spannender Details. Darum portraitieren wir in lockerer Folge die Rathäuser der Region, die für jeden Ort identitätsstiftend sind.
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