Mannheim, 05. April 2017. (red/me) Mit dem Beschluss der Zweitwohnsitzsteuer ab dem Januar 2018 vollzieht Mannheim einen Paradigmenwechsel. Nicht mehr Belohnen (außer Studierende), sondern Bestrafen wird zukünftig das Motto sein. Und der Gemeinderat folgt der Verwaltung mit großer Mehrheit. Selbst die Grünen, die seit 2006 für ein Prämiensystem eingetreten sind, haben trotz des Erfolgs des kostenlosen Semestertickets für Studierende nun die bisherige Linie verlassen.
Kommentar: Mathias Meder
Selbst wenn Studierende davon ausgenommen sind und für sie das bisherige Modell gilt, wird die Mehrheit der mit Zweitwohnsitz in Mannheim angemeldeten Personen zukünftig dafür zahlen müssen, dass sie einen Teil ihres Lebens in Mannheim verbringen. Ob da bei den Betroffenen Freude aufkommen wird? Wohl kaum.
Schlüsselprojekt „Einwohnergewinnung“ will zusätzliche Einwohner/innen ohne zusätzliche Infrastruktur gewinnen
Aber bei dem „Schlüsselprojekt zur Einwohnergewinnung“ geht es nicht um die Gewinnung zufriedener Bürgerinnen und Bürger, sondern um die Ausschöpfung von Einnahmepotentialen, wie es so schön in der Vorlage formuliert wird. Ziel ist, jährlich rund zwei Millionen Euro Mehreinahmen aus dem Länderfinanzausgleich und anderen Quellen zu erwirtschaften.
Diese finanzwirtschaftlichen Ziele hätte man wohl auch anders erreichen können, wie das kostenlose Semesterticket für Erstsemesterstudierende seit 2008 gezeigt hat. Durch einen geringen Anreiz in Form eines kostenlosen Semestertickets konnten seither über 10.000 Studierende davon überzeugt werden, sich mit Erstwohnsitz in Mannheim anzumelden. Das Belohnungssystem hat also sehr gut funktioniert und die Betroffenen sind glücklich. Die Stadt übrigens auch. Denn die Einnahmen sprudeln seither gleichfalls.
Kampagne soll Menschen mit Nebenwohnsitz dazu bewegen, ihren Meldestatus zu überprüfen
Nun will man zwar auch für die restlichen Zweitwohnsitzpersonen eine Kampagne starten und sie bis zum 30.06.2017 mit Gutscheinen im Wert von 100 Euro belohnen. Doch nach dem Zuckerbrot folgt ab Juli die Peitsche und damit die Botschaft: „Wer sich hier nicht mit Erstwohnsitz anmeldet, der zahlt zukünftig.“ Stadtrat Volker Beisel (FDP) argumentierte im Gemeinderat:
Wir verstehen nicht, weshalb die Umkehr vom bisherigen ‘Belohnungs- und Anzreizsystem’ in ein ‘Drohungs- und Bestrafungssystem’ vollzogen werden sollte.
Der für Finanzen zuständige Erste Bürgermeister Christian Specht (CDU) meinte dazu, die Steuer sei keine komplette Abkehr, sondern eine Ergänzung:
In sieben anderen Städten in Baden-Württemberg gibt es eine solche Steuer bereits und von dort gibt es gutes Feedback.
Die Tatsache, dass auch viele andere Städte eine Zweitwohnsitzsteuer erheben, macht die Argumentation der Stadt indes nicht besser. Denn unterm Strich wird bei beiden Varianten, Steuer oder Prämie, langfristig ungefähr das gleiche finanzielle Ergebnis erzielt werden. Das Prämienmodell ist jedoch etwas mühsamer. Man muss nämlich um die Einwohner aktiv werben. Der Vorteil jedoch liegt auf der Hand: Während man im einen Modell die Menschen belohnt, bestraft man sie im anderen.
Prinzip “Belohnen statt Bestrafen” war seit 2008 erfolgreich
Wenn jetzt sogar die Grünen behaupten, sie wären seit 2006 für die Zweitwohnsitzsteuer eingetreten, dann zeugt dies nicht von großer Kenntnis über den eigenen Erfolg der vergangenen 10 Jahre. Aber weil die Gutscheine über das grün-geführte Bürgerdienst-Dezernat ausgegeben werden, hat man der Vorlage wohl lieber zugestimmt. Die Steuer wird schließlich über das CDU-geführte Finanz-Dezernat eingefordert werden. Und bei der CDU hat man schon früher für eine Zweitwohnsitzsteuer geworben.
Bleibt die Frage, ob man mit dem „Schlüsselprojekt Einwohnergewinnnung“ jemals die Zufriedenheit der Menschen im Blick hatte. Als Mitte 2013 die Zahlen des Mikrozensus veröffentlicht wurden, war der Schock groß. Denn Mannheim ist seither nicht mehr die zweitgrößte Stadt, sondern hat laut Zählung 1.975 Einwohnerinnen und Einwohner weniger als Karlsruhe. Um wieder Zweiter zu werden, müssen also nun offenbar alle Register gezogen werden, die möglich sind. Ob das den Menschen gefällt oder nicht, scheint zweitrangig zu sein.