Rhein-Neckar/Stuttgart, 04. Mai 2018. (red/pro) Eine Meldung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sorgt für Aufregung – stimmt es tatsächlich, dass die Polizei auf „Sparkurs“ gehen muss? Jain ist die Antwort. In der Differenzierung liegt die Wahrheit. Das Polizeipräsidium Mannheim hat in den vergangenen Jahren eine klare Steigerung der Haushaltsmittel erfahren, allerdings ist es wie jede Behörde zum sparsamen Umgang mit den Mitteln verpflichtet.
Von Hardy Prothmann
Wie immer gilt für unsere Arbeit: Be first, but be right first. Wie unsere Leserschaft feststellt, bringen wir zwar häufig exklusive Nachrichten als erstes Medium, aber häufig auch nicht, weil wir erst recherchieren und dann berichten, wenn wir geprüfte Informationen vorlegen können.
Künstliche Aufregung?
Aktuell sorgte eine alarmierend formulierte Mitteilung (siehe Link unten) des Mannheimer GdP-Vorsitzenden Thomas Mohr für Aufregung: „Polizei im Land geht das Geld aus: Bald weniger Streifenfahrten um Sprit zu sparen?“, titelte die GdP. Und weiter:
Seit Anfang dieser Woche reduziert beispielsweise das Polizeipräsidium Mannheim die Streifenfahrten. Das heißt, dass nur noch die Aufträge angefahren werden, wenn jemand die Polizei um Hilfe und Unterstützung ruft. Streifenfahrten im präventiven Bereich werden seit gestern in den Brennpunktrevieren MA-Innenstadt und MA-Neckarstadt reduziert.
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Was denn nun? Wir „reduziert“ oder „nur noch bei Hilferufen angefahren“?
Von „keine Streife mehr in den Revieren Innenstadt und Neckarstadt“ will Polizeipräsident Köber nichts wissen. Im Hintergrundgespräch mit uns erläuterte er verschiedene Maßnahmen, mit denen Geld eingespart werden kann. Diese Erläuterungen waren plausibel.
Hintergrund
Wir führen häufig solche Hintergrundgespräche, die wir auch als solche beachten und unsere Leserschaft damit nur bedingt konkret informieren können, da wir auch Einzelheiten erfahren, die nicht in die Öffentlichkeit gehören, weil solche Informationen beispielsweise geeignet sein können, polizeiliche Arbeit zu behindern oder sogar zunichte zu machen.
Ein Beispiel: Wir hatten aus verschiedenen Quellen solide Informationen zu den heranwachsenden Räubern, die einen Pizzaboten überfallen hatten und haben die Polizei im Zuge der Gegenrecherche dazu befragt – man bat uns, diese Informationen nicht zu veröffentlichen, um die kriminalpolizeilichen Ermittlungen nicht zu gefährden. Dieser Bitte sind wir in der Abwägung nachgekommen – zwar gab es ein hohes öffentliches Interesse und unsere Recherche wäre exklusiv gewesen, es gab aber ein höheres öffentliches Interesse, die Täter zu schnappen und damit aus dem Verkehr zu ziehen.
Ein Detail aus dem Gespräch können wir mitteilen, weil es nicht die polizeiliche Arbeit betrifft: Die Streifen sind angehalten, möglichst günstig zu tanken, denn die Tagespreise schwanken um bis zu 15 Prozent. Da Spritkosten ein großer Posten sind, ergibt sich hier also auch ein hohes Einsparpotenzial von eben bis zu 15 Prozent in diesem Bereich.
Das Polizeipräsidium Mannheim verfügt wie jede andere Polizeidienststelle im Land über ein definiertes Budget, mit dem die polizeilichen Aufgabenstellungen bestritten werden und womit es auszukommen gilt. Von daher sind steuernde Maßnahmen, um dieses Ziel zu erreichen, eine ganz natürliche Angelegenheit, so wie es jeder Privatmann und jede andere Polizeibehörde auch machen muss,
teilte uns Herr Köber schriftlich mit. Und weiter:
Daher nehmen wir Einfluss auf die Schwerpunktsetzung polizeilicher Maßnahmen, die sich am örtlichen Lagebild orientieren – unter gebührender Beachtung von Effizienz und Effektivität. Dadurch wird die Aufgabenerfüllung zum Wohle der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in keinster Weise beeinträchtigt. Kein einziger Notruf, keine einzige Hilfeleistung wird deshalb unterbleiben. Es bleibt ein beträchtlicher Handlungsspielraum, den es intelligent zu nutzen gilt. Ein gutes Beispiel hierfür ist die operative Schwerpunktsetzung am vergangenen Freitag mit der Durchführung des Sicherheitstages. Plakative und verkürzte Darstellungen sind da wenig hilfreich.
Haushaltszahlen
Eine Tageszeitung bezifferte den Haushalt des PP Mannheim aktuell auf 7,7 Millionen Euro. Doch das ist leider nur fast richtig. Es sind 7,746 Millionen Euro und davon 5,121 Millionen Euro für „Sächliche Verwaltungsausgaben“, der Rest sind Personalkosten, an denen sich nichts einsparen lässt. Zum Vergleich die Budgetzahlen der Vorjahre: 2015 – 7,01 Millionen Euro, 2016 – 7,36 Millionen Euro, 2017 – 7,82 Millionen Euro. Für 2018 sind 7,75 Millionen Euro geplant, für 2019 7,73 Millionen Euro, aktuell und im kommenden Jahr soll also beim Budget eingespart werden, nachdem es zuvor deutliche (notwendigerweise) Steigerungen gegeben hatte.
Wer sich mit den Haushaltszahlen des Polizeipräsidiums beschäftigt (siehe Link Staatshaushaltsplan), erkennt schnell, dass es Planansätze gibt, die in der Realität durchaus abweichen. So betrugen die „Ermittlungskosten“ 2014 rund 1,224 Millionen Euro, stiegen 2015 sehr deutlich auf 1,482 Millionen Euro. Darin enthalten sich beispielsweise auch „Dolmetscherdienste“ – im Jahr des Höhepunkts der Flüchtlingskrise stiegen diese mit Sicherheit enorm an. 2016-2019 sollen die „Ermittlungskosten“ 0,937 Millionen Euro betragen, also deutlich unter den Zahlen der Vorjahre liegen.
Wurden diese geringeren Kosten nun eingespart? Mitnichten. Es kommt zu Umverteilungen. So stiegen die Ausgaben für Mehrarbeitskosten und Zulagen von 1,763 Millionen Euro im Jahr 2014 auf 2,161 Millionen Euro seit 2016 – also um knapp 400.000 Euro.
Das Budget für „Sächliche Verwaltungsausgaben“ stieg von 4,704 Millionen Euro im Jahr 2014 auf 5,203 Millionen Euro im Jahr 2017. Für dieses und das kommende Jahr sind 5,121 Millionen Euro eingeplant.
Fazit: Aktuelle Einsparungen sind nicht das grundsätzliche Problem
Einsparungen von 300.000-400.000 Euro, die von heute bis Jahresende erzielt werden sollen, werden die Sicherheit im Bereich des PP Mannheim nicht gefährden, wie es eine Lokalzeitung boulevardesk berichtet hat. Tatsache ist jedoch, dass die Polizei trotz klarer Budgetsteigerung auf Kante genäht ist – dieser Zustand ist aber nicht neu und wird sich nach den Sparvorgaben durch Herrn Köber auch nicht dramatisch verändern.
Gründe für die starke Belastung der Polizei sind Mehrarbeit, die zwar vergütet wird, aber tatsächlich zeigt, dass Personal fehlt. Diese Mehrarbeit entsteht in erheblichem Maß durch Sicherungsmaßnahmen, beispielsweise von Versammlungen oder Sportveranstaltungen und ebenso bei festlichen Veranstaltungen durch „eine abstrakte Bedrohungslage“. Aber auch – und hier kann sich die Stadt Mannheim an die eigene Nase fassen – Technoveranstaltungen, die Mannheim längst zum Drogenmekka gemacht haben und durch erheblichen polizeilichen Ermittlungsaufwand begleitet werden müssen.
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2012 wollte übrigens die damals in der Opposition befindliche CDU vom damaligen Innenminister Reinhold Gall (SPD) wissen, was es denn mit Sparmaßnahmen bei der Polizei in Mannheim und Heidelberg auf sich habe (Drucksache 15/1745, siehe Link unten). Das damals SPD-geführte Innenministerium erkannte wie das aktuell CDU-geführte Innenministerium keine Probleme – was angesichts der enorm gestiegenen Zahl von Straftaten tatsächlich verwundert.
Tatsache ist, dass die Polizei viel mehr leisten muss als früher, das kann sie durch eine bessere technische Ausstattung. Technik ist aber nicht alles – es braucht Manpower und hier besteht nach wie vor das größte Defizit. Großeinsätze wie in Ellwangen aktuell zeigen, dass Mannstärke vorhanden sein muss, wenn Lagen es erfordern. Erhebliche Ermittlungsarbeit durch ausländische Drogendealer und Einbrecher ist in den vergangenen Jahren zusätzlich entstanden, dazu die starke Einsatzbelastung im Zusammenhang mit Asylbewerbern. Weiter belasten Sicherungsmaßnahmen von Gerichtsprozessen enorm. Aushilfen, wie Beamte vom PP Einsatz, die in Heidelberg im Rahmen einer „Sicherheitspartnerschaft“ Dienst tun, kaschieren nur, dass Personal fehlt. Nach unserer Schätzung sind das mindestens 70, eher 100 Planstellen allein für das PP Mannheim.
Und wenn notwendige, ungeplante Anschaffungen getätigt werden müssen wie Schutzausrüstung und Waffen oder „Leuchtturmprojekte“ wie die geplante Videoüberwachung Geld kosten, dann muss ein verantwortlicher Innenminister nicht auf Einhaltung des Budgets pochen, sondern Geld locker machen, damit die Polizei nicht nur herausragende Leistung bringt, sondern auch ordentlich aufgestellt ist.
Links:
Staatshaushaltspläne Baden-Württemberg
Anfrage der CDU an das Innenministerium 2012: Drucksache 15/1745
Pressemitteilung GdP Bezirksgruppe Mannheim