Rhein-Neckar, 04. November 2013. (red) Der Deutsche Presserat ist die freiwillige Selbstkontrolle der Presse in Deutschland. Bis 2009 nur für die Printpresse, seitdem öffnet sich der Verein auch für sogenannte „Telemedien“ unter die unsere Angebote fallen. Aktuell wurden wir eingeladen, dem Deutschen Presserat als Mitglied beizutreten, was wir für ein Probejahr machen.
Von Hardy Prothmann
Sie vertreten hochwertige, journalistische Produkte. Sie haben den Anspruch, guten, kritischen Journalismus für ihre Leser zu bieten. Ein Merkmal von Qualitätsjournalismus ist die Einhaltung des Pressekodex, den Journalisten und Verleger, die im Deutschen Presserat organisiert sind, gemeinsam entwickelt haben und stetig fortschreiben. (…) Als zukunftsorientiertes Online-Medium mit hohem journalistischem Anspruch möchte ich Sie gern für diese Selbstkontrolle gewinnen.
Ein Brief, der so anfängt, wird natürlich gerne gelesen. Verfasser ist Lutz Tillmanns, der Geschäftsführer des Deutschen Presserats. Mit dem Beitrag zu diesem Kontrollorgan unterwerfen wir uns freiwillig dem sogenannten Pressekodex.
Freiwillige Selbstkontrolle
In dieser Richtliniensammlung sind Regeln enthalten, denen sich die Mitglieder verpflichtet fühlen. Sofern Mitglieder gegen diese Regeln verstoßen, kann man Beschwerde beim Deutschen Presserat einreichen. Als Mitglied verpflichtet man sich, auf Grund von Beschwerden ausgesprochene Rügen zu veröffentlichen.
Der Pressekodex ist ein insgesamt praxisbezogener Leitfaden, an dem sich journalistische Qualitätsangebote orientieren können. Aber: Er ist für Printprodukte entworfen und erfasst leider nicht die “neue digitale” Publikationswelt umfassend und zutreffend. Ein Beispiel ist der Umgang mit Leserbriefen – die online Kommentare heißen. In der Richtline 2.6 – Leserbriefe, Absatz 3 heißt es:
Bestehen Zweifel an der Identität des Absenders, soll auf den Abdruck verzichtet werden.
Selbst solche kleinen Sätze haben es in sich. Um tatsächlich nicht nur die Printpresse zu repräsentieren, sondern auch Telemedien, müsste das Wort “Abdruck” durch “Veröffentlichung” ersetzt werden, weil online eben nicht Druck ist. Entscheidender aber ist der Umgang mit anonymen Kommentaren – die werden von den allermeisten Telemedien erlaubt. Entscheidend ist nach Auffassung der neuen Angebote nicht ein “identifizierbarer Absender”, sondern der Inhalt.
Redaktionen, die auf diese Prüfung der “Identität des Absenders” verzichten, verstoßen somit gegen diese Richtlinie des Pressekodex. Je nach Thema und Zahl der Kommentare kann das schnell sogar ein dutzendfacher Verstoß werden. Wie geht man damit um? Sollte es hier zu Rügen kommen, würde wir beispielsweise die Haltung einnehmen, dass diese Richtlinie unsinnig ist und wir uns nicht gebunden fühlen. Und schon stellt sich die Frage, ob eine Mitgliedschaft sinnvoll sein kann, wenn man gewisse Richtlinien und Ziffern nicht akzeptiert. Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein. Anpassungen sind also notwendig und müssen von den Mitgliedern im Trägerverein akzeptiert und zügig umgesetzt werden.
Partizipation erforderlich
Um die publizistischen Realitäten der Telemedien praxistauglich im Sinne der Selbstkontrolle anwendbar zu machen, wird es einige Veränderungen am Pressekodex geben müssen. Hier folgt das nächste Problem: Mitglieder des Trägervereins des Presserats sind der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, der Verband der Zeitschriftenverleger, verdi und DJV. Die neuen Telemedien sitzen in den entscheidenden Gremien nicht am Tisch und haben keine Stimme.
Wenn der Presserat sich für Telemedien öffnen möchte, dann muss er auch Partizipation auf organisatorischer Ebene zulassen und ermöglichen. Sicher – alles auf einmal ist vielleicht zu viel verlangt, aber mittelfristig muss dies in den kommenden Jahren erfolgen.
Bis dahin ist anzuerkennen, dass Herr Tillmanns sich interessiert zeigt und zum Gespräch einlädt. In dieser Woche gibt es in Berlin ein Treffen zwischen Tillmanns und Referenten des Presserats mit Vertretern von Telemedien. Christopher Zeuch von Altona.info wird daran teilnehmen, ebenso wie die Philipp Schwörbel von den Prenzlauerberg-Nachrichten.de und Steffen Greschner für die TegernseerStimme.de – zwei Angebote, die wie wir Mitglied auch Mitglied bei im Lokalzeitungsnetzwerk istlokal.de sind.
Ziel muss Qualitätsförderung sein
Hier werden erste Gespräche geführt und Informationen ausgetauscht. Partiziptation heißt auch aktive Teilnahme. Deswegen ist der erste Schritt die Mitgliedschaft beim Presserat, was auch imagemäßig unsere Angebote stärker macht, da der Presserat die qualitativ hochwertige Ausrichtung unserer Angebote bestätigt. Und dann folgt die Arbeitsphase: Wir Istlokaler und andere Telemedien müssen den Pressekodex intensiv prüfen und auf notwendige Veränderungen drängen. Ganz klar mit dem Ziel, Qualitätsmaßstäbe zu definieren und sich diesen freiwillig zu unterwerfen.
Man darf gespannt sein, wie sich diese Zusammenarbeit entwickelt – entscheidend wird sein, ob sich die Telemedien in “angemessener Form” einbringen können und deren Positionen auch öffentlich thematisiert werden. Wenn dem so ist, ist eine Mitgliedschaft sinnvoll und zielführend. Wenn nicht, kann man wie das Netzwerk Recherche einen eigenen Kodex entwerfen, der die notwendigen Qualitätsanforderungen definiert.
Im Gespräch sagte uns Herr Tillmanns übrigens, dass es in der Vergangenheit schon ein paar Beschwerden vor allem gegen Berichte beim Heddesheimblog.de gegeben habe – weil man nicht zuständig war, hat man dies den Beschwerdeführern so mitgeteilt. Was kritisiert worden ist, haben wir nicht erfahren.
Auch in Zukunft gilt – Sie haben einen direkten Draht in die Redaktion. Sie können uns per Kommentar oder email kritisieren, das Gespräch am Telefon suchen, einen Termin mit uns machen oder aber künftig sich direkt beim Presserat beschweren, falls Sie das für notwendig erachten.