Mannheim/Rhein-Neckar, 04. Dezember 2017. (red/pro) Die Polizei hat bei umfangreichen Kontrollen auch dieses Jahr wieder über 100 Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz während der Toxicator-Veranstaltung auf dem Maimarktgelände feststellen müssen. Kontrolliert wurden deutlich mehr Personen – die Trefferquote liegt erfahrungsgemäß bei 50 Prozent plus. Die Drogenkonsumenten passen sich den Kontrollen an.
Von Hardy Prothmann
Wir haben hier einen, der hat irgendein Opiat dabei und meint, das sei ein wegen Schmerzen verschriebenes Medikament, was machen wir damit?,
fragt ein Beamter Einsatzleiter Patrick Knapp. Der Kriminalhauptkommissar antwortet:
Erfassen, komplette Prozedur. Das werden wir nachprüfen müssen.
Herr Knapp ist im Umlauf für den höheren Dienst und zur Zeit stellvertretender Leiter des Reviers Oststadt. Revierleiter Frank Hartmannsgruber kommentiert trocken:
Der ist hier eher auf der falschen Veranstaltung, um Opiate mit sich zu führen.
Ich weiß nicht genau, wie viele Polizeieinsätze dieser Art ich in den vergangenen Jahren begleitet habe. Vermutlich rund ein Dutzend. Es ist eigentlich jedes Mal dasselbe Spiel und nur eine Frage der Kapazität: Je mehr kontrolliert wird, umso mehr Verstöße werden festgestellt. Nach meiner Erfahrung würde ich die Trefferquote auf 50 Prozent plus schätzen. Wenn ich die Beamten danach frage, widerspricht mir keiner.
Alte Bekannte
Als ich in die Sonderwache am Maimarkt komme, treffe ich auf einen alten Bekannten. Jens Eberwein, Polizeioberkommissar und Abschnittsleiter Kontrolle. Ein frischer, positiver Typ.
Und, schon was gefangen?,
frage ich scherzhaft. Mittlerweile kennen mich die meisten Beamten hier. Dann folgt ein kurzer Dialog.
Ja klar, direkt mit Dienstbeginn einen, den ich schon beim vergangenen Mal positiv kontrolliert hatte.
Im Ernst?
Der hat mich auch gleich wiedererkannt und meinte: “Ich kenne Sie doch vom letzten Mal”.
Same procedure as every year also. Herr Eberwein ist wie alle Beamte vor Ort hoch motiviert. Es fällt auf, dass es viele junge Polizisten sind. Viele haben sich freiwillig für den Einsatz gemeldet – eine willkommene Abwechslung zum sonstigen Dienst.
Kreative Drogenkonsumenten
Und sie sehen selbst aus wie Partygänger. Im Bearbeitungszelt herrscht reges Treiben. An zwei Reihen Bierbänken sitzen die Beamten mit denen, die sie zur Kontrolle aus der Menge gezogen haben. Wer Polizist und wer Partygänger ist, erkennt man auf den ersten Blick vom Äußeren her kaum. Die mit den Handschuhen, die schreiben, wiegen und beschäftigt sind, sind die Beamten, die, die mit enttäuschten Gesichtern rumsitzen die Delinquenten.
Angaben macht kaum jemand – entweder, weil sie unsicher sind oder schon zu abgebrüht.
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Erst geht es in zwei mit Sichtschutz abgetrennte Bereiche. Ganzkörperkontrolle. Werden die Beamten fündig, folgt der Rest der Prozedur: Feststellung der Personalien, Abwiegen der Drogenmenge, Test der Substanzen, Rechtsbelehrung und Vernehmung. Die Arbeit muss konzentriert gemacht werden, schließlich soll alles gerichtsfest dokumentiert werden. Danach erfolgt ein Hausverbot des Veranstalters und für diejenigen, die man mit Drogen erwischt hat, ist die Party vorbei.
Wir finden die Drogen in den Unterhosen, im BH, in den Strümpfen, in Fächern in Schuhen, in Extrafächern, die in der Kleidung extra angebracht werden. Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt und die Leute sind durchaus kreativ,
sagt Frank Hartmannsgruber nach langjähriger Erfahrung.
Für Heiterkeit sorgt gerade ein Minisalzstreuer. Gefüllt mit Amphetaminen. Dabei ist es eigentlich nicht lustig – die Beamten nehmen ihren Job ernst. Sie erzeugen einen hohen Druck durch die Kontrollen und verhindern so möglicherweise den Konsum oder einen zu hohen Konsum von synthetischen Drogen, deren Wirkung niemand einzuschätzen vermag. Von den Rettungsdiensten, heute sind es die Malteser, kommt die Rückmeldung, dass der erhöhte Fahndungsdruck sich auch bei den Behandlungen bemerkbar macht – je stärker die Kontrollen, desto weniger Behandlungen von Patienten unter Drogeneinfluss. Zwar wurden dieses Jahr mit 82 Hilfeleistungen mehr als im vergangenen Jahr mit 70 – aber eben weniger unter Drogeneinfluss.
Wir bauen hier Druck auf
Frank Hartmannsgruber entwickelt die Logistik ständig weiter, um die Abläufe zu optimieren und die Effizienz zu steigern. Dafür interessieren sich auch andere Polizeipräsidien, die sich den Einsatzablauf vor Ort erklären lassen. Am Abend schaut auch Dieter Hoffert vorbei, der Leitende Polizeidirektor ist neuer Leiter Reviere beim Polizeipräsidium Mannheim und schaut sich die Arbeit persönlich an – auch das motiviert die Beamten durch die gezeigte Wertschätzung.
Es geht uns überhaupt nicht darum, die Party zu stören. Die sollen feiern und Spaß haben, aber eben ohne Drogen. Wir bauen hier Druck auf und irgendwann geht rum, dass “die Zivilen da sind”. Klar holen wir so viele wie möglich raus, aber das ist nicht das Hauptziel des Einsatzes,
sagt Frank Hartmannsgruber, der den Einsatz als “Mann für besondere Situationen” heute Abend begleitet. Einsatzleiter ist der Kollege Knapp, der im Rahmen seiner Ausbildung hier Erfahrungen sammelt.
Drogendealer geschnappt
In der Nacht kommt es zu einer besonderen Situation. Herr Hartmannsgruber und Herr Eberwein machen eine verdächtige Person aus. Volltreffer. Die versucht zu fliehen, widersetzt sich, Herr Eberwein bekommt einen Tritt ab, Herr Hartmannsgruber zieht sich ein paar Schürfwunden zu bis die Person fixiert ist:
Die Unterhose war voll mit Drogen. Wir haben den Mann erwischt, als er gerade an Minderjährige vertickern wollte.
Im Idealfall dauert die “Versorgung” von Verdächtigen rund 30 Minuten. Aber nur, wenn alles passt. Bei dem Drogenhändler dauert es deutlich länger. Dazu kommt noch der Widerstand gegen Vollzugsbeamte, Körperverletzung, Durchsuchung des Pkw, möglicherweise eine Hausdurchsuchung.
107 Drogendelikte werden die Beamten in der Nacht erfassen. Weniger als im vergangenen Jahr mit 135 Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Ist das eine “Verbesserung” der Situation? Das kann man nicht sicher sagen, denn das Klientel stellt sich auf die Kontrollen ein.
Uns fällt schon auf, dass wir uns Leute ziehen, die klar druff sind – aber bei der Kontrolle finden wir nichts. Entweder haben die sich schon vor dem Eingang was eingepfiffen oder halt während der Veranstaltung und wir waren zu spät,
sagt einer der jungen Beamten, der schon bei mehreren Kontrollen dabei war.
Nur der Besitz und der Handel sind strafbar. Der Konsum nicht. Man passt sich an die Kontrollen an, konsumiert vor der Veranstaltung oder nimmt nur die Menge mit, die man zum “Eigenbedarf” für sich kalkuliert hat – ebenso kalkuliert man, dass man geschnappt wird und ein Ordnungsgeld droht.
Neu im Angebot: Drogen auf Rezept
Auffällig sind dieses Jahr zwei “Neuheiten”. Die eine Person mit angeblich verschriebenen opiaten Schmerzmitteln und eine weitere, die angeblich wegen einer starken ADHS Cannabis auf Rezept dabei hat. Seit März diesen Jahres können Patienten Cannabis-Produkte legal auf Krankenschein über Apotheken beziehen.
Es kann also sein, dass die verdächtige Person das Cannabis legal erworben hat. Das wird überprüft werden. Aber Fragen sind offen: Welche Mengen darf die Person bei sich tragen? Die Frage ist neu und hat sich noch nicht gestellt. Hier muss man erstmal die Rechtslage abklären. Mit ziemlicher Sicherheit sind aber rund 20 vorgedrehte Joints nicht die Menge an “Medizin”, die ein ADHS-Patient an einem Abend benötigt. Eine neue Methode, um der Polizei ein Schnippchen zu schlagen? Es bleibt ein Katz-und-Maus-Spiel. Mal ganz abgesehen von den naheliegenden Fragen, was ein Schmerzpatient und ein ADHS-Patient auf einer Technoparty verloren haben.
Hauptsache keine Ruhestörung
Die Nacht wird in der Bilanz unter den Drogendelikten zwei Mal Handel feststellen, zwei Beleidigungen gegen Beamte, zwei Widerstände gegen Beamte, zwei Diebstähle aus Pkw. Acht Personen wurden mit Drogen oder Alkohol am Steuer erwischt und verlieren vermutlich ihren Führerschein.
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Immerhin: Beschwerden wegen Lärmbelästigung gab es keine. Das beruhigt vor allem eine Lokalzeitung, die sehr bemüht ist, den Drogenkonsum zu marginalisieren und dafür die besonders tolle Party hervorzuheben. Dabei werden Fakenews gestreut: Aus 107 festgestellten Drogendelikten werden rund 100 Kontrollen auffälliger Personen. Tatsächlich lag die Zahl der kontrollierten Personen deutlich höher.
Aus polizeilicher Sicht verhält sich der Veranstalter konsequent. Es gibt Kontrollen beim Einlass, wer erwischt wird, erhält ein Hausverbot. Die Party ist perfekt organisiert und hat sich “etabliert”. Aber es bleibt dabei – solche Veranstaltungen sind typisch für einen hohen Drogenkonsum. Je mehr die Polizei kontrolliert, umso mehr Verstöße stellt sie fest. Dieses “Hellfeld” lässt ein sehr großes Dunkelfeld ungeahndeter Verstöße nur erahnen.
Die lokale Politik schaut konsequent weg. Man freut sich, dass Mannheim ein Mekka für Technoveranstaltungen ist. Der Drogenkonsum wird nicht thematisiert. Und da es keine Beschwerden mehr wegen Ruhestörung gibt, gibt es wohl keinen Anlass, “etwas zu unternehmen”.
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