04. Mai 2015. (red/ms) Drei der vier Angeklagten sind 1996 geboren, einer 1988. Wer die Tatvorwürfe hört erwartet verruchte Verbrechertypen – tatsächlich sehen die vier eher aus wie gut behütete Muttersöhnchen. Und sie geben sich unbeeindruckt, obwohl ihnen zum Prozessbeginn 30 teils schwere Straftaten vorgeworfen werden.
Von Minh Schredle
Eine dreiviertel Stunde redet er ununterbrochen. Dann setzt sich der Staatsanwalt erschöpft hin. Andreas Herrgen hat gerade die Anklage verlesen. Den vier Beschuldigten werden ganze 30 Straftaten vorgeworfen, die sie zwischen dem 18. August 2013 und dem 04. März 2014 begangen haben sollen – das ist im Schnitt mehr als ein Verbrechen pro Woche.
Einbrüche, Diebstähle, Raubüberfälle: Wer die Tatvorwürfe hört, erwartet verruchte Schlägertypen auf der Anklagebank – tatsächlich fallen die vier vom äußeren Eindruck eher in die Kategorie Muttersöhnchen. Sie tragen glatt gebügelte Hemden, sind sorgfältig rasiert und die Frisuren sitzen makellos.
Alain B., Jahrgang 1996, kommt grinsend in den Gerichtssaal und streift sich betont lässig seine Ralph-Lauren-Weste von den Schultern – er hat den Ernst der Lage offensichtlich kein bisschen begriffen. Hauptsache ein bisschen posen, dann wird das schon mit der Zukunft.
Nur einer der Angeklagten scheint wirklich verstanden zu haben, dass diese Verhandlung üble Konsequenzen für sie haben könnte: Yannick S. schaut mit verschränkten Armen und finsterem Blick zu Boden, während seine mutmaßlichen Mittäter die Tatvorwürfe unbeeindruckt hinnehmen.
Beuteschema: Sportwagen und Süßigkeiten
Sie sollen in verschiedene Geschäfte und Privatwohnungen eingebrochen sein und mehrere Autos gestohlen haben – darunter auch ein Porsche Panamera im Wert von 60.000 Euro. Laut Anklage wollten sie in einem Kiosk Bargeld sehen – und bedrohten die Verkäuferin mit einem Vorschlaghammer. Als diese sich weigert, das Geld herauszugeben, zerlegt einer der Täter Einrichtung und Mobiliar – um dann mit ein paar hundert Euro zu fliehen.
Einmal wurden laut Staatsanwaltschaft zwei der Angeklagten in einem gestohlenen Wagen ausgebremst. Das verärgerte sie so sehr, dass sie erst versuchten, den „schuldigen“ Fahrer von der Fahrbahn abzudrängen. Als dieser schließlich notgedrungen anhielt, sollen auch die Angeklagten gestoppt haben – und den Fahrer mit einer „täuschend echt aussehenden“ Schreckschusspistole in Todesangst versetzt haben.
Viele der Verbrechen wurden nicht gerade „professionell“ durchgeführt: Bei den meisten Einbrüchen ist der Sachschaden, der verursacht wurde, größer als die Beute: Einmal sollen die Angeklagten versucht haben, die Scheibe eines Schmuckgeschäfts mit einem Hammer einzuschlagen. Das hat aber nicht funktioniert, der Alarm ist losgegangen und sie sind wieder abgezogen. Ein andermal sollen sie in einer Bäckerei eingebrochen sein und konnten den Tresor nicht knacken. Also haben sie laut Anklage nur ein paar Süßigkeiten gestohlen und sind wieder gegangen.
Kurzer Prozess?
Insgesamt sind nur acht Verhandlungstage angesetzt – das deutet bei so vielen Tatvorwürfen auf eine sehr eindeutige Beweislage hin. Wie die Verteidiger ankündigten, werden alle Angeklagten Angaben zu den Anklagepunkten machen. Heute wurde allerdings nur die Anklage verlesen und einige Formalitäten geklärt. Die Beweisaufnahme wird am 18. Mai eröffnet, das Urteil soll am 26. Juni verkündet werden.
Nur einer der Angeklagten, Leon B., der große Bruder von Alain, war zu den Tatzeitpunkten bereits volljährig. Gioele M., Alain B. und Yannick S. waren zwischen 16 und 17 Jahre alt. Die meisten Taten sollen sie vorsätzlich begangen haben. Sie würden im Falle einer – sehr wahrscheinlichen – Verurteilung nach dem Jugendrecht bestraft werden.
Drei der Angeklagten sind Deutsche, zwei davon kommen ursprünglich aus dem Kosovo, der vierte Angeklagte ist Italiener. Die Ihnen zur Last gelegten Taten haben sie überwiegend im Raum Mannheim verübt, einmal allerdings auch in Frankfurt.
Vorsitzende Richterin ist bei diesem Prozess Bettina Krenz.