Mannheim/Rhein-Neckar, 04. Dezember 2015. (red/ms) Überbelegte Massenlager für Flüchtlinge werden von der Landesregierung gerne als „Notlösungen für den Übergang“ dargestellt. Doch auch langfristig kann offenbar keine menschenwürdige Unterbringung mehr gewährleistet werden – die Pläne zur neuen Landeserstaufnahmestelle in Mannheim lassen tief blicken: 1.000 Menschen sollen hier frühestens ab Mitte 2018 untergebracht werden. Auf 3,5 Quadratmetern pro Person. In einem Neubau, nicht in einer Notunterkunft. Soll das eine langfristige Lösung sein?
Kommentar: Minh Schredle
Die Absicht war nobel: Im Sommer 2013 beschloss die grün-rote Landesregierung, die Mindestwohnfläche für Flüchtlinge ab Januar 2016 von 4,5 Quadratmetern auf sieben Quadratmeter zu erhöhen. Die gute Intension scheiterte an der Realität: Nachdem über die vergangenen Monate hinweg die Zahl der Asylsuchenden jede Prognose gesprengt hat, sind Aufnahmeeinrichtungen landesweit drastisch überbelegt. Die Erhöhung der Mindestwohnfläche wurde für zwei Jahre ausgesetzt.
Das heißt: Nach den aktuellen Beschlüssen müsste man eigentlich davon ausgehen, dass ab Januar 2018 jedem Flüchtling mindestens sieben Quadratmeter zustehen – der deutsche Schäferhund hat laut Rechtsvorschrift übrigens einen Anspruch auf mindestens sechs Quadratmeter.
Doch dass diese sieben Quadratmeter für jeden Flüchtling umgesetzt werden können, erscheint vor den aktuellen Zahlen nicht nur komplett unrealistisch – nicht einmal in den Bauplänen für neue Flüchtlingsunterkünfte des Landes Baden-Württemberg wird diese Vorgabe auch nur ansatzweise berücksichtigt.
Die Landeserstaufnahmestelle (LEA) in der Mannheimer Pyramidenstraße mit Platz für 750 Menschen ist marode, heruntergekommen und soll durch einen Neubau ersetzt werden.

In vielen Turnhallen-Notlagern wird die Mindestwohnfläche von 4,5 Quadratmetern schon lange nicht mehr eingehalten – in den geplanten LEA-Neubauten des Landes wird das sogar noch unterboten. Foto: Rhein-Neckar-Kreis
Die Kosten dafür trägt das Land, nicht die Stadt; außerdem ist das Land für die Planungen zuständig, die dem Wirtschaftsausschuss des Mannheimer Gemeinderats vergangenen Mittwoch vorgestellt werden: In der Untermühlaustraße soll eine neue LEA für bis zu 1.000 Menschen entstehen. Dafür sollen bis zu acht Personen auf 28 Quadratmetern untergebracht werden.
3,5 Quadratmeter pro Person.
Sie haben richtig gelesen. Acht Personen auf 28 Quadratmetern. 3,5 Quadratmeter pro Person. Nicht in einer eilig hergerichteten Turnhalle oder einer spontan umfunktionierten Lagerhalle – in einem Bauprojekt mit rund zwei Jahren Vorlauf. Keine „Notlösung für den Übergang“ – sondern langfristige Planung: Die Einrichtung wird voraussichtlich frühestens Mitte 2018, vielleicht auch erst Ende 2018 bezugsfähig. In einem Nebensatz erwähnen die Planer, dass man für sämtliche LEA-Neubauten in Baden-Württemberg ähnliche Grundkonzepte wie in Mannheim verfolge.
Man muss sich vor Augen führen, was gerade geschieht: Nicht nur hat sich die Landesregierung intern bereits von den illusorischen sieben Quadratmetern entfernt – sie plant nicht einmal mehr ein, in der „Regellösung“ den veralteten und an sich schon höchst bedenklichen Mindeststandard von 4,5 Quadratmetern einzuhalten.
Ist das noch Willkommenskultur?
Es ist zum Heulen. Die Vision zur Bewältigung Verwaltung der Krise ist offenbar, möglichst viele Menschen auf engstem Raum zusammenzupferchen.
Seit Wochen und Monaten wird Bevölkerung und Flüchtlingen gleichermaßen verkauft, man müsse zwischenzeitlich einen Notstand und „suboptimale Zustände“ hinnehmen, um an langfristigen Lösungen zu arbeiten.
Anscheinend ist diese langfristige Lösung, dauerhaft unzumutbare Unterbringungsbedingungen zu schaffen.
Hintergrundinfo:
Für die neue LEA in der Untermühlaustraße sollen drei Wohngebäude mit jeweils vier Stockwerken errichtet werden, jedes davon mit eigenen sanitären Einrichtungen. In zwei dieser Gebäude sollen alleinstehende Männer umgebracht werden, im dritten Familien. Neben den Wohngebäuden ist vorgesehen, drei weitere Gebäude zu bauen, in denen eine Polizeiwache, eine Kantine, ärztliche Behandlung und Gemeinschaftsräume untergebracht werden sollen. Wie viel das kosten wird, ist unklar – die Planer sprechen reichlich vage von einem „zweistelligen Millionenbetrag“. |