Ludwigshafen, 04. April 2016. (red/ms) Das Polizeipräsidium Rheinpfalz hat gute Erfolge zu vermelden: Die erfasste Kriminalität hat 2015 den niedrigsten Stand seit 14 Jahren erreicht. Doch nicht alles ist rundum positiv. So nimmt die Gewalt gegen Polizeibeamte seit Jahren kontinuierlich zu. Anlass zur Sorge bietet auch die Entwicklung bei Eigentumsdelikten: Hier ist eine Zunahme zu verzeichnen, insbesondere was Wohnungseinbrüche anbelangt – hier gab es fast ein Drittel mehr registrierte Fälle als 2014. Insgesamt könne man aber, so Polizeipräsident Thomas Ebling, mit der geleisteten Arbeit sehr zufrieden sein.
Von Minh Schredle
Thomas Ebling zeigt sich zufrieden – und dafür hat er gute Gründe. Der Präsident des Polizeipräsidiums Rheinpfalz stellte heute gemeinsam mit einigen Kollegen die Ergebnisse der Polizeilichen Kriminalstatistik für 2015 vor. Und die können sich sehen lassen.
Eine Kriminalstatistik kann nie die tatsächliche Kriminalität widerspiegeln, da ihr nur Aussagen über Straftaten, die die Polizei registrieren konnte, möglich sind. Allerdings ist sie ein wichtiger und wertvoller Indikator, um Tendenzen der Kriminalitätsentwicklung zu beleuchten und problematische Brennpunkte auszumachen. Dabei muss immer klar sein: Nur die bekannt gewordenen Fälle können berücksichtigt werden, über das Dunkelfeld lassen sich keine Aussagen treffen.
Niedrigste Deliktzahl seit 14 Jahren
Die erfassten Ergebnisse sind jedenfalls ganz überwiegend positiv: So wurden mit 62.4111 festgestellten Delikten 220 Vorfälle weniger als im Vorjahr registriert. Damit erreicht die Kriminalitätsrate den niedrigsten Stand seit 14 Jahren. Die Aufklärungsquote bleibt im Vergleich zum Vorjahr nahezu unverändert und liegt bei knapp 60 Prozent. Auch im Bereich des Polizeipräsidiums Rheinpfalz ist Kriminalität ein ganz überwiegend maskulines Phänomen: Bei 73,6 Prozent der insgesamt rund 26.000 ermittelten Tatverdächtigen handelt es sich um Männer.
Das Präsidium mit knapp 1.600 Polizeibeamten sowie rund 400 Tarifbeschäftigten und Verwaltungsbeamten ist für die Sicherheit von etwa 876.000 Einwohnern zuständig. Auf 100.000 Bürgerinnen und Bürger kamen 2015 gut 7.100 Delikte. Das liegt zwar noch leicht über dem Landesschnitt von Rheinland-Pfalz (6.818 Delikte auf 100.000 Personen) – doch der Trend entwickelt sich positiv.
Weniger Gewalt, aber besorgniserregende Respektlosigkeit
So ist die Anzahl der festgestellten Körperverletzungen mit 7.227 Fällen auf dem niedrigsten Stand seit 2004. Die Aufklärungsquote liegt bei beeindruckenden 91,1 Prozent. Sehr bedenklich ist allerdings: Fast ein Viertel der registrierten Tatverdächtigen stand unter Alkoholeinfluss. Auch die erfasste Gewaltkriminalität ist rückläufig: Mit 111 registrierten Delikten weniger als im Vorjahr wurden 2.038 Delikte festgestellt. Ebenfalls erfreulich: Die Anzahl der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sank um 12,4 Prozent und liegt mit 479 registrierten Fällen auf dem niedrigsten Stand seit 20 Jahren. Polizeipräsident Thomas Ebling kommentiert:
Wir können uns durchaus über Erfolge freuen und zufrieden sein mit unserer Leistung.
Doch nicht alle Entwicklungen gefallen Herrn Ebling – so ist etwa seit Jahren eine kontinuierliche Zunahme der Gewalt gegen Polizeibeamte zu beobachten: 2015 sind 377 Fälle in die Statistik eingeflossen, 135 Polizisten wurden verletzt. Dabei gebe es eine besorgniserregende Respektlosigkeit, sagte er. Die Täter wären fast ausschließlich männlich, stünden häufig unter dem Einfluss von Alkohol oder anderen Drogen und würden oftmals als Wiederholungstäter auffallen.
Deutlich mehr Wohnungseinbrüche
Ebenfalls sehr bedenklich ist die Entwicklung bei den Eigentumsdelikten. Insbesondere, was Wohnungseinbrüche angeht, gibt es hier eine besorgniserregende Zunahme. Zwar handelt es sich dabei um ein landesweites Problem, denn in Rheinland-Pfalz hat es hier eine Zunahme um gut 22 Prozent gegeben – doch im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Rheinpfalz ist die Entwicklung noch dramatischer: 1.785 Fälle wurden festgestellt. Das sind 418 mehr als im Vorjahr, was einer Zunahme von mehr als 30 Prozent entspricht.
Laut Heiner Schmolzi, Leiter der Kriminaldirektion, seien Einbrüche deutlich schwerer aufzuklären als die meisten anderen Straftaten. Daher liege die Aufklärungsquote „klassisch niedrig“ – dieses Jahr bei 17,4 Prozent. Immerhin: Gegenüber dem Vorjahr ist das eine Steigerung um fast sechs Prozentpunkte. Dennoch dürfe man damit nicht zufrieden sein, sagte Herr Schmolzi:
Wir müssen unsere Strategien noch weiter verbessern, aber die Tendenz geht in eine gute Richtung.
Über die vergangenen Jahre habe sich die Einbruchskriminalität deutlich verändert, erklärt er. Die Szene habe sich professionalisiert und trete häufig organisiert auf. Dabei habe man auch Probleme mit kriminellen Banden, die häufig aus Südosteuropa stammten. Dabei gebe es heute ein anderes Täterprofil als noch vor einigen Jahren: Zwar sei es schwierig, zu verallgemeinern. Doch könne man sagen, dass sich Einbrecher in den meisten Fällen nicht mehr gezielt auf einzelne Objekte vorbereiten würden:
Es wird vor allem dort eingebrochen, wo es einfach ist.
Arbeitsgruppe „Bande“
Wenn ein Haus zu gut gesichert sei, würden Banden eher weiterziehen, bis sie ein Objekt gefunden haben, in das man leichter gelangen könne. Dabei werde gelegentlich sogar in Kauf genommen, dass sich noch jemand im Haus befindet. „Da wird zwar sicher kein gezielter Kontakt mit dem Opfer gesucht,“ sagt Herr Schmolzi:
Aber wir erleben zunehmend Einbrüche zur Tageszeit. Es wird immer schwieriger, klare Muster im Vorgehen auszumachen.
Doch auch die Polizei verfeinert ihre Techniken: Seit August 2015 ist die Arbeitsgruppe „Bande“ aktiv, die sich auf organisierte Eigentumskriminalität fokussiert. Dabei finde, wie Herr Schmolzi mitteilt, ein intensiver Austausch mit anderen Präsidien statt – etwa auch mit Mannheim:
Kriminalität kennt keine Landesgrenzen. Eine Bande macht nicht vor dem Rhein halt. Also müssen Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hier zusammenarbeiten.
Wie Polizeipräsident Ebling sagt, funktioniere die Zusammenarbeit bislang hervorragend und nach den ersten Monaten könne man sichtbare Erfolge verzeichnen. Zwar handle es sich um eine personalintensive und aufwändige Arbeit – aber die lohne sich. Die Botschaft ist klar: Wir haben das Problem auf dem Schirm und kümmern uns.
Kriminalität durch Flüchtlinge
Die Kriminalitäsentwicklung im Zusammenhang mit den gestiegenen Flüchtlingszahlen war ebenfalls Thema. Dabei wurden allerdings nicht die Zahlen der Kriminalstatistik verwendet – denn diese beziehen sich auf das gesamte Jahr 2015. Sinnvoller wäre es, den Zeitraum zwischen September 2015 – also dem Monat, in dem die Zugangszahlen schlagartig angestiegen sind – und dem Februar 2016 zu betrachten, sagte Harald Brock, Leiter des Führungsstabs. Er zieht ein sehr eindeutiges Fazit:
Wir können nicht bestätigen, dass mit steigender Zuwanderung auch die Kriminalität deutlich ansteigt. Das stimmt so einfach nicht, wie auch die Zahlen zeigen. Wir haben in diesem Bereich kein besonderes Problem.
Dafür, dass es seit den vergangenen Monaten etwa 11.000 Flüchtlinge im Präsidiumsbereich untergebracht worden seien, habe man „nicht wesentlich mehr Arbeit“. Dennoch wären die Einsätze in den Unterkünften häufig sehr aufwändig: Es komme regelmäßig zu Kommunikationsproblemen. „Oft ist nach fünf Minuten Ruhe,“ sagt Herr Brock: „Aber die Erfassung des Sachverhalts und die Zeugenbefragungen dauern Stunden.“ Das schildert er sehr anschaulich:
Oft gibt es in den Unterkünften keine Dolmetscher. Dann müssen wir auf Ringübersetzungen zurückgreifen. Beispielsweise spricht jemand nur Farsi. Das übersetzt dann jemand ins Arabische, von dort ein anderer ins Türkische und schließlich jemand ins Deutsche – und umgekehrt. Wie tauglich am Ende eine solche Befragung ist, lasse ich mal offen.
Natürlich kenne die Polizei das Gerücht, dass Informationen unterschlagen würden oder die Behörden einen „Maulkorb“ verpasst bekommen hätten, sagt Polizeipräsident Ebling: „Aber das ist ein aberwitziger Vorwurf. Hier wird nichts verschwiegen.“
Einen Schwerpunkt der Kriminalität unter Flüchtlingen würden Eigentumsdelikte ausmachen und dabei insbesondere Ladendiebstähle, teilt Herr Brock mit. Außerdem komme es häufiger zu Körperverletzungen. Allerdings würden handgreifliche Konflikte in einer überwiegenden Fallzahl unter den Zuwanderern selbst ausgetragen würden – etwa wenn es zu Streitigkeiten in Massenunterkünften komme.
Im Zusammenhang mit Flüchtlingen habe man zwischen September und Februar 31 Sexualdelikte festgestellt – in 22 Fällen habe es sich um Beleidigungen, also rein verbale Vergehen gehandelt.
Plädoyer für die Bodycam
Zum Abschluss der Pressekonferenz wurde ein Zwischenfazit zur Bodycam gezogen: In Rheinland-Pfalz läuft der Modellversuch seit Juli 2015. Ursprünglich sollte das Pilotprojekt nur in Mainz und Koblenz durchgeführt werden, inzwischen wurde der Testbereich allerdings ausgeweitet. In Ludwigshafen kamen die Bodycams erstmals beim vergangenen Fastnachtsumzug zum Einsatz – mit zufriedenstellenden Ergebnissen, wie Heiko Arnd, Leiter der Projektgruppe Bodycam und Revierleiter in Frankenthal, sagt:
Kein Kameraträger wurde bislang angegangen. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Gewaltbereitschaft gegen Polizeibeamte ist das erfreulich.
Eine Befragung von Kollegen habe ergeben, dass die meisten sich mit der Körperkamera deutlich sicherer fühlten, teilt Herr Arnd mit. Das bestätigt auch Manuel Dietrich, der bereits 15 Mal mit der Bodycam im Einsatz war und das Konzept präsentierte. Nur einmal habe er die Kamera auch einsetzen und das Geschehen filmen müssen:
Die präventive Funktion ist hier wichtiger als die Beweissicherung.
Üblicherweise befinde sich die Kamera im Standby. „Sollte sich abzeichnen, dass eine Situation eskalieren könnte, kündigen wir an, das Geschehen zu filmen,“ sagt er. Das würde schon viel beruhigen und habe eine deeskalierende Wirkung.
„Die Kollegen fühlen sich sicherer“
Wie Herr Arnd erläuterte, funktioniere die Bodycam auch wie ein Spiegel. Auf einem kleinen Monitor könnten sich aggressive Personen selbst sehen, sobald die Kamera aktiv ist. Schon dadurch sei oft viel geholfen. Vermutlich werde es somit zu weitaus weniger Übergriffen auf Beamte kommen. Allerdings helfe die Kamera nicht in jeder Situation:
Bei psychisch eingeschränkten Personen oder wenn Drogen im Spiel sind, hat die Kamera nicht immer den gewünschten Effekt.
Insgesamt sei die Körperkamera allerdings ein sehr wertvolles Werkzeug: „Je häufiger die Kollegen die Kameras tragen, desto sicherer fühlen sie sich,“ sagt Herr Arnd auf unsere Nachfrage. Das gehe aus den Befragungen hervor. Die Ausrüstung mit Kamera koste zwar etwa 700 Euro – diesen Preis sei es aber sicher wert.
Herr Arnd sprach sich ganz deutlich dafür aus, den Modellversuch auch nach dem 01. Juli 2016 fortzusetzen und auf ganz Rheinland-Pfalz auszuweiten. Die politischen Weichen dafür wären schon gestellt – vielleicht nimmt sich Baden-Württemberg ein Vorbild daran, denn auch hier nimmt die Gewalt gegen Polizisten seit Jahren zu.
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