Mannheim/Rhein-Neckar, 04. Januar 2015. (red/pro) Laut Bundesverfassungsschutz hat die „Interventionistische Linke“ eine „Scharnierfunktion“. Das informelle „Bündnis“ soll gezielt den Anschluss an nicht-gewaltbereite Linke suchen, um diese über einen „Diskurs“ für „militante Aktionsformen“ zu gewinnen. In Mannheim gelingt der Anschluss – die Veranstalter von „Mannheim sagt Ja“ hat die Interventionistische Linke als „Unterstützer“ der für den 17. Januar geplanten Demonstration akzeptiert.
Von Hardy Prothmann
Bei der „Interventionistischen Linke“ (IL) handelt es sich aus Sicht des Verfassungsschutzes klar um eine radikale Gruppe. Mit der IL selbst werden nach aktuellen Erkenntnissen bislang keine direkten Gewalttaten in Zusammenhang gebracht – die IL scheint vielmehr eine bundesweite Kaderzelle zu sein, die die ideologische Basisarbeit zur Vorbereitung von militanten Aktionen macht.
Radikales, informelles Netzwerk
Organisiert ist das radikale Netzwerk in informeller Form. Wir haben auf Nachfrage eine verantwortliche Person genannt bekommen, ansonsten ist völlig unklar, wer sich hinter der IL Rhein-Neckar verbirgt. Sind es wenige Personen oder einige Dutzend? Das Ziel hingegen ist eindeutig: Abschaffung des Kapitalismus und Kommunismus ermöglichen.
Tatsächlich ist auch unklar, wie „erfolgreich“ die IL ihre antikapitalistische Propaganda betreibt. Aus Sicht des Bundesverfassungsschutzes kommt die IL nicht voran, was eine gemeinsame ideologische Ausrichtung und feste Strukturen angeht. Allerdings sehen die Verfassungsschützer sehr wohl einen Einfluss auf die gewalttätigen Proteste 2007 in Heiligendamm und an anderer Stelle 2009 in Dresden. Soviel steht fest: Die IL wird als radikale Gruppe beobachtet und die Zielsetzung seien „militante Aktionen“. Die IL definiert das in einem Positionspapier vom 11. Oktober selbst derart:
Die Überwindung des Kapitalismus ist letztlich eine Machtfrage und wir wissen, dass die Gegenseite ihre Macht mit allen Mitteln verteidigen wird. Zugespitzte gesellschaftliche Bedingungen werden daher auch veränderte Aktions- und Kampfformen benötigen. Wir bewegen uns dabei in dem Widerspruch, dass unsere Politik einerseits darauf gerichtet ist, die Gewalt und die gewalttätigen gesellschaftlichen Verhältnisse zu überwinden, und wir andererseits um den Charakter und die Schärfe des weltweiten Kampfes gegen die herrschende Ordnung wissen.
Unsere Mittel und Aktionsformen, defensive wie offensive, bestimmen wir also strategisch und taktisch in den jeweiligen Situationen, so wie wir sie verantworten können, und entlang unserer grundsätzlichen Ziele und der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse, die wir vorfinden und verändern. Es geht uns darum, die kollektive Fähigkeit herzustellen, die Wahl der Mittel nach unseren Zielen selbst zu bestimmen.
„Die Wahl der Mittel nach unseren Zielen selbst bestimmen“ ist nichts anderes als die Verklausulierung von: „Im Zweifel setzen wir auf militante Aktionen, wenn dies aus unserer Sicht gerechtfertigt ist.“ Eine klare Abgrenzung und Verurteilung von Gewalt sieht anders aus.
Fontagnier verteidigt Teilnahme der IL
Im Bundesverfassungsschutzbericht 2013 ist die Mannheimer Ortsgruppe noch nicht erwähnt – das kann sich zukünftig ändern. Klar ist, dass die selbstverständliche Aufnahme der IL als Unterstützer zusammen mit ganz überwiegend demokratisch strukturierten Gruppen als Erfolg für die radikale Gruppe gewertet werden kann: Der Anschluss ist gelungen.
Gerhard Fontagnier, Stadtrat der Grünen und treibender Mitinitiator, verteidigt hingegen weiterhin die IL auf der Unterstützerliste. Vollständig naiv antwortet er auf die Frage: „Prüft den keiner, welche Organisationen sich da einklinken?“
Kann man wirklich so einfältig sein und auf eine „Selbstdarstellung“ verweisen? Anscheinend schon. Was Herr Fontagnier aber nicht mehr leugnen kann, ist, dass er nicht um die „Problematik“ mit der IL gewusst habe und nicht informiert sei.
Schadenabwehr dringend geboten
Halten er und die anderen Initiatoren an dieser vollständig intransparenten Gruppe fest, sind alle Beteiligten auch im historischen Kontext verantwortlich, was künftige, unter Umständen gewalttätige Aktionen in Mannheim und Umgebung angeht. Sehr bedauerlich ist, dass die Aktion „Mannheim sagt Ja: Gegen Hass und Angst“ durch Vernachlässigung einer verantwortlichen Prüfung der „Unterstützer“ beschädigt wird. Die Argumentation, man versuche möglichst viele Gruppen auf eine gemeinsame Schnittmenge zu einigen, zieht nicht, wenn dadurch Gruppen hoffähig werden, die Gewalt als legitimes Mittel betrachten.
Immerhin ist noch genug Zeit, Verantwortung zu übernehmen und Fehler zu korrigieren, was dem Grundanliegen, die Fremdenfreundlichkeit Mannheims zu „demonstrieren“, sicherlich zuträglich ist. Die IL ist dabei nicht die einzige Gruppe, deren „Unterstützung“ dringend kritisch hinterfragt werden muss. (Wir berichten je nach Rechercheergebnissen weiter.) Eine entscheidende Frage ist: Hält man an zweifelhaften, ideologisch gewaltbereiten Gruppen fest und beschädigt damit die Veranstaltung oder zeigt man auch hier klare Kante?
Die IL ist auch schon bei uns aktiv geworden, in einem Kommentar zu unserer Berichterstattung stellte die IL acht Behauptungen auf, die alle nachweislich falsch sind (den Kommentar und unsere Antwort lesen Sie hier). Über Facebook und weitere Kommentarschreiber versucht man agitatorisch massiv Stimmung zu machen und von der eigenen Rolle abzulenken: Die ist klar definiert. Abschaffung des „Kapitalismus“, vulgo unserer Demokratie. Einsetzung eines kommunistischen Systems, auch mit den Mitteln der „Unterwanderung„. Da dies auch aus Sicht der IL auf demokratischem Weg nicht funktionieren wird, sondern eine „Zeit der Revolutionen“ angebrochen sei, werden militante Aktionen unterstützt.
Auszug aus Bundesverfassungsschutzbericht 2013:
Das erstmals im Jahr 1999 bei den Protesten gegen die EURatstagung und den Weltwirtschaftsgipfel in Köln (Nordrhein Westfalen) aktive und 2005 formal gegründete informelle, bundesweit agierende Netzwerk „Interventionistische Linke“ (IL) fungierte auch 2013 als Scharnier zu nichtgewaltbereiten Linksextremisten und in einzelnen Fällen auch zu nichtextremistischen Gruppen und Initiativen.
Ziel der IL ist es, linksextremistische Akteure zusammenzuführen und in einem Diskurs – zugleich möglichst gemeinsam mit nichtextremistischen Organisationen – eine radikalisierende, letztlich antagonistische Position zu artikulieren und im weiteren Verlauf der Bündnisdiskussionen die Akzeptanz für militante Aktionsformen durchzusetzen. Sie will ein „organisierter Teil von Gegenmacht“ sein, die „den Kapitalismus überwindet und den Kommunismus möglich macht. Es ist die Aufgabe von radikalen Linken in Kampagnen und Bewegungen, mehr als nur aktive, konstruktive und verlässliche Akteure_innen zu sein, sondern darüber hinaus die grundsätzlichen und radikalisierenden Fragen aufzuwerfen.“ (Homepage IL, 24. Oktober 2013)
Die Bemühungen um eine feste Organisationsstruktur und eine gemeinsame ideologische Ausrichtung der Szene kommen allerdings nicht voran. Mit Verweis auf ihre hervorgehobene Rolle bei der Organisation der Protestaktivitäten im Jahr 2007 gegen den G8Gipfel in Heiligendamm (MecklenburgVorpommern) ist es der IL jedoch immer wieder gelungen, eine koordinierende Funktion bei spektrenübereifenden, gesellschaftspolitisch relevanten Themen auszuüben. Sie verfügt über Ortsgruppen in Karlsruhe und Tübingen (beide Baden-Württemberg), Köln (Nordrhein-Westfalen) und München (Bayern). Der Aufbau weiterer Ortsgruppen ist bisher nicht gelungen.