Mannheim/Karlsruhe, 04. August 2017. (red/pro) Aktualisiert. Das Urteil (Az. 6 U 142/15) ist ein Paukenschlag für die Mannheimer Unternehmensgruppe Bak Kardesler GmbH – die Hauptmarken BAK und BAKTAT sind 1994 zu Unrecht durch ein „Insichgeschäft“ (§ 181 BGB) übertragen worden und gehen zurück an die Erben des Firmengründers Muharrem Baklan, der 1992 tödlich verunglückt war und eine Frau sowie drei minderjährige Söhne hinterließ.
Die Entscheidung des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe, unter anderem zuständig für Streitigkeiten auf dem Gebiet des Markenrechts, ist ein Paukenschlag für die Unternehmensgruppe Bak Kardesler GmbH mit rund 100 Mitarbeitern in Mannheim und nach eigenen Angaben 1.800 in mehreren Ländern insgesamt. Die Lebensmittelgesellschaft muss die Top-Marken BAK und BAKTAT (und davon weitere fünf abgeleitete Marken) an die Erbengemeinschaft „Muharrem Baklan“ herausgeben und ist zudem schadensersatzpflichtig.
Dieses Urteil geht über eine Entscheidung des Landgerichts Mannheim vom 30. Juli 2015 hinaus, das zwar auch die Rückübertragung der Marken geurteilt hatte, aber weitere Ansprüche als „verwirkt“ beurteilt hatte. Nach Urteil des OLG Karlsruhe ist dem nicht so, denn es sei „nicht ersichtlich, dass die Kläger vor dem Jahr 2013 von ihren Ansprüchen Kenntnis hätten haben können, da es zuvor keine Anhaltspunkte für ein Insichgeschäft bei der Markenübertragung gegeben hatte. Soweit die Beklagte gegen die Ansprüche der Kläger eine fehlende rechtserhaltende Benutzung der Marken oder eigene Rechte eingewandt haben, hatten diese Einwendungen keinen Erfolg. Der Senat hat der Beklagten eine Aufbrauchfrist bis zum 31.12.2017 eingeräumt. Dies bedeutet, dass der Unterlassungsanspruch bis zu diesem Zeitpunkt auch nicht vorläufig vollstreckt werden kann.“
Widerrechtliches „Insichgeschäft“
Die Marken waren im Jahr 1994 durch den heutigen Geschäftsführer Mustafa Baklan von den Erben auf die Beklagte übertragen worden. Bei der Übertragung der Marken vertrat der Geschäftsführer der Beklagten nicht nur die Beklagte, sondern zugleich auch die Erben aufgrund einer von der Witwe des Markenanmelders vor einem Notar in der Türkei aufgesetzten Vollmacht.
Das Landgericht Mannheim hatte mit Urteil vom 30.7.2015 angenommen, dass die Übertragung der Marken auf die Beklagte wegen eines von der Vollmacht nicht umfassten Insichgeschäftes unwirksam sei. Es habe deshalb festgestellt, dass die Kläger Inhaber der Marken sind und die Beklagte der entsprechenden Eintragung der Kläger als Inhaber gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt zustimmen müssen. Weitere Ansprüche der Kläger gegen die Beklagte hatte das Landgericht allerdings als verwirkt angesehen und daher die weitergehende Klage abgewiesen. Beiden Seiten hatten gegen das Urteil des Landgerichts Berufung eingelegt.
Erbengemeinschaft ist vollumfänglich erfolgreich
Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten Bak Kardesler GmbH im Wesentlichen zurückgewiesen und damit die Feststellung des Landgerichts, dass die Kläger Inhaber der Marken sind, bestätigt.
Der Senat hat zudem entschieden, dass für die Frage der Reichweite der Vollmacht deutsches Recht anwendbar ist und daher auch das Verbot des Insichgeschäfts nach § 181 BGB Anwendung findet.
Auf die Berufung der Kläger hingegen hat der Senat das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Beklagte zur Unterlassung und Auskunft verurteilt und deren Pflicht zur Zahlung von Schadensersatz festgestellt, teilt das Oberlandesgericht Karlsruhe mit.
Ob dies das Ende des Rechtsstreit bedeutet, ist aktuell unklar. Eine Revision wurde nicht zugelassen. Die Bak Kardesler GmbH hatte aber deutlich gemacht, dass man eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einreichen werde.
Schadensersatz über viele Jahre und rechtswidrige Verwendung der Marken für sehr viele Produkte
Im Urteil (liegt uns vor) heißt es unter anderem:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu 2 Jahren, zu vollstrecken an den jeweiligen Geschäftsführern, zu unterlassen, im Bereich der Bundesrepublik Deutschland ohne Zustimmung der Kläger im geschäftlichen Verkehr
für Obst und Gemüse in Salzlake eingelegt oder gekocht und / oder Konfitüren und / oder Paprikamark und / oder Wurst und / oder Kaffee und / oder Geflügel frisch oder gefroren und / oder getrocknete Hülsenfrüchte (nämlich Bohnen und / oder Erbsen und / oder Linsen) und / oder Tee
das Zeichen “BAKTAT“ zu benutzen, nämlich dieses Zeichen auf den vorstehend bezeichneten Waren und / oder ihrer Aufmachung und / oder ihrer Verpackung anzubringen und / oder anbringen zu lassen, unter diesem Zeichen die vorstehend bezeichneten Waren anzubieten und / oder anbieten zu lassen, unter diesem Zeichen die vorstehend bezeichneten Waren in den Verkehr zu bringen und / oder in den Verkehr bringen zu lassen, unter diesem Zeichen die vorstehend bezeichneten Waren zu den genannten Zwecken zu besitzen und / oder besitzen zu lassen, unter diesem Zeichen die vorstehend bezeichneten Waren einzuführen und / oder einführen zu lassen, unter diesem Zeichen die vorstehend bezeichneten Waren auszuführen und / oder ausführen zu lassen, dieses Zeichen in der Werbung und / oder in Geschäftspapieren für die vorstehend bezeichneten Waren zu benutzen / und oder benutzen zu lassen;
Diese Auflistung erstreckt sich über mehrere Seiten und erfasst hunderte, wenn nicht tausende von Produkten unter dem Marken BAK und BAKTAT. Nach eigenen Angaben handelt Bak Kardesler GmbH mit rund 3.000 Produkten – und jede Verwendung wird am dem 01. Januar 2018 rechtswidrig sein, sofern der Rechtsstreit beendet ist und ein Revisionsantrag keinen Erfolg hat.
Aktuell ist noch unklar, in welcher Höhe Schadensersatz zu zahlen ist. Hier wird es vermutlich weitere Prozesse geben. Klar ist hingegen durch das Urteil, dass die Bak Kardesler GmbH gegenüber der Erbengemeinschaft vollumfänglich auskunftspflichtig über Handelsbeziehungen, Umsätze und Gewinne ist und hieraus Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern zur gesamten Hand den Schaden zu ersetzen, der den Klägern ab dem 12. August 2004 entstanden ist und noch entstehen wird.
Nach eigenen Angaben macht die Firmengruppe Bak Kardesler GmbH 130-150 Millionen Euro Umsatz im Jahr und ist möglicherweise das größte Unternehmen in Europa für „mediterrane Lebensmittel“. Rechnet man 13 Jahre Rechtsverletzungen zurück, wird dabei vermutlich eine nicht unerhebliche Schadensersatzsumme zusammenkommen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 4/5, die Kläger zu 1/5. Der Streitwert wurde auf 350.000 Euro festgesetzt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Auf Anfrage teilte das OLG mit, dass das Urteil bis Mitte kommender Woche zugestellt sein werde und dann gelte eine Notfrist von einem Monat für eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof.
Auf Anfrage teilte Herr Mustafa Baklan mit, dass man zu dem laufenden Verfahren keine Presseauskünfte erteilen wolle, sich aber bereits langfristig auf die aktuelle Situation vorbereitet habe.
Die Erbengemeinschaft teilte mit, dass man bereits 2015 die BAKTAT AG gegründet habe und die Marken BAK und BAKTAT durch eigene Produktion und Vertrieb fortführen will.
Aktualisierung, 15:08 Uhr. Die Erbengemeinschaft teilt per Pressemitteilung mit:
„Die Erbengemeinschaft „Muharrem Baklan“ – bestehend aus der Witwe von Muharrem Baklan und den drei Söhnen – begrüßt das Urteil* des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe von heute, dem 04. August 2017 in der Auseinandersetzung zwischen ihr und der Firma Bak Kardesler GmbH um die deutschen Marken „BAKTAT“ und „BAK“. Mit dem Urteil hat sich das OLG Karlsruhe nach langem Rechtsstreit der Auffassung der Erbengemeinschaft angeschlossen, dass die Marken „BAKTAT“ und „BAK“ und die daraus folgenden Verwertungsrechte ihr zustehen.
Die Erbengemeinschaft nimmt das Urteil im Andenken an den Verstorbenen Muharrem Baklan mit Genugtuung zur Kenntnis. Damit wird die außerordentliche unternehmerische Leistung von Herrn Muharrem Baklan anerkannt, der 1992 im Alter von nur 33 Jahren tödlich verunglückt war und eine Frau und drei minderjährige Söhne hinterließ. Seinerzeit hatte er bereits ein sehr erfolgreiches Unternehmen aufgebaut, das in der Branche des Einzelhandels Umsätze im zweistelligen Millionenbereich erwirtschaftete. Zu diesem Zweck hatte er auch die Zeichen „BAK“ und „BAKTAT“ als Marke schützen lassen, die nun vom OLG Karlsruhe der Erbengemeinschaft zugesprochen wurden.
Nach dem juristischen Erfolg vor dem OLG Karlsruhe möchte die Erbengemeinschaft im Sinne und in der Tradition von Muharrem Baklan die von ihm entwickelten und aufgebauten Marken „BAKTAT“ und „BAK“ für mediterrane Lebensmittel fortführen und ausbauen und hat zu diesem Zweck auch bereits ein Unternehmen gegründet, die BAKTAT AG (HRB 234464 – Kontakt über den Vorstand Özgür Baklan).
Die Mitglieder der Erbengemeinschaft sind seit Jahren erfolgreich in der Branche des Einzelhandels mit Lebensmitteln tätig. Zwei ihrer Mitglieder (zwei der Söhne des Erblassers) haben unter anderem bereits selbst ein Unternehmen aufgebaut, das jährlich Umsätze im hohen einstelligen Millionenbereich generiert. Die Erbengemeinschaft sieht sich damit für die Zukunft unter Einsatz der Marken „BAKTAT“ und „BAK“ bestens gerüstet.
Dementsprechend freuen sich die Mitglieder der Erbengemeinschaft auf ihre neuen Aufgaben und auf die Zusammenarbeit mit allen beteiligten Mitarbeitern und Dienstleistern. Die Verbraucher werden sich darauf verlassen können, auch in Zukunft hochwertige mediterrane Lebensmittel in bewährter Qualität und Vielfalt unter den Markennamen „BAKTAT“ und „BAK“ erwerben zu können.
Die Erbengemeinschaft betont, dass es entgegen anderslautender Äußerungen von Seiten der Firma Bak Kardesler GmbH niemals ihr Ziel war und auch jetzt nicht ist, eine möglichst hohe Entschädigungszahlung von der Firma Bak Kardesler zu erstreiten. Der Erbengemeinschaft geht es darum, das Erbe von Muharrem Baklan anzutreten und zu diesem Zwecke die von ihm entwickelten Marken „BAK“ und „BAKTAT“ fortzuführen.“
Hinweis: Auch die Bak Kardesler GmbH hat eine Pressemitteilung angekündigt, die wir nach Eintreffen dokumentieren werden.