Rhein-Neckar, 04. Dezember 2015. (red/pm) „Mehr als die Hälfte der Forderungen sind willkürlich. Die Höhe der Gebühren ist oft unverhältnismäßig. Verbraucher werden durch unseriöse Inkassodienste massiv unter Druck gesetzt.“ So lassen sich die wesentlichen Ergebnisse einer bundesweiten Aktion der Verbraucherzentralen zusammenfassen. Vom 1. Mai bis 31. August dieses Jahres wurden 1.413 Beschwerden zu Inkassodiensten erfasst und ausgewertet.
Information der Stadt Viernheim:
„Bei den untersuchten Beschwerden stammte fast jede fünfte Forderung von einem Telekommunikationsanbieter. Geltend gemacht wurden auch Ansprüche aus Gewinnspielen, E-Mail-Diensten, Dating-Portalen und dem Versandhandel. In 56 Prozent der Fälle war keine Vertragsgrundlage für die Forderung zu ermitteln.
„Inkassodienste sind nicht verpflichtet, die Ansprüche, die sie eintreiben, auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Auch seriöse Inkassounternehmen verschicken deshalb immer wieder Rechnungen über unberechtigte Forderungen“, erläutert Peter Lassek, Referent für Verbraucherrecht bei der Verbraucherzentrale Hessen.
„Das ist ein gravierendes Problem und erklärt die auffällig hohe Prozentzahl.“ Die Auswertung zeigte auch, dass die Berechnung der Inkassoentgelte uneinheitlich ist. Für einfache und standardisierte Zahlungsaufforderungen sind die Gebühren oft unangemessen hoch. „Bei Bagatellforderungen wachsen die Kosten dann unverhältnismäßig an“, kritisiert der Jurist.
Drohgebärden und vorformulierte Schuldanerkenntnisse
In einem Drittel der geprüften Anschreiben wurden massive Drohungen ausgesprochen. Verbraucher müssten beispielsweise mit Schufa-Einträgen, Strafanzeigen oder Zwangsvollstreckung rechnen. „Betroffene zahlen dann häufig aus Angst, obwohl sie dazu möglicherweise gar nicht verpflichtet sind“, so Peter Lassek. In 20 Prozent der ausgewerteten Fälle wurden Verbraucher gedrängt, eine Ratenzahlungsvereinbarung zu unterzeichnen. Häufig ist daran ein vorformuliertes Schuldanerkenntnis gekoppelt. „Mit diesem Trick versuchen die Inkassodienste, sich eine gültige Rechtsgrundlage zu schaffen“, warnt der Experte.
Keine effektive Aufsicht
Stichprobenartig wurden im Rahmen der Aktion 16 Fälle näher untersucht. Die betroffenen Inkassounternehmen wurden den zuständigen Aufsichtsbehörden gemeldet. Diese haben in keinem Fall eigene Maßnahmen eingeleitet. In vier Fällen erklärten die Gerichte ausdrücklich, dass sie mangels gesetzlicher Grundlage nicht tätig werden können.
„Es gibt durchaus geltende Gesetze. Die Aufsichtsbehörden setzen sie schlichtweg nicht um“, beklagt Peter Lassek. Auch bei ausländischen Unternehmen etwa mit Sitz in der Tschechischen Republik oder mit Konten in Rumänien findet keine Kontrolle statt. „Hier ist die Zuständigkeit tatsächlich unklar mit dem Ergebnis, dass letztlich auch nichts unternommen wird“, so Lassek.
Regelungslücken schließen
Vor gut einem Jahr, am 1. November 2014, traten die neuen Regelungen für Inkassounternehmen im Rahmen des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken in Kraft. Hierfür hatten sich unter anderem der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und die Verbraucherzentrale Hessen stark gemacht. Nach Ansicht der Verbraucherschützer hat das Gesetz in der Zwischenzeit durchaus positive Wirkung entfaltet, es gibt aber weiterhin politischen Handlungsbedarf.
Das anlässlich der Fallauswertung veröffentlichten Positionspapier des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) nennt wichtige Maßnahmen: So sollte etwa ein verbindliches Muster für die Darstellung der Pflichtinformationen eingeführt werden, damit Verbraucher einfacher prüfen können, ob die behauptete Forderung berechtigt ist.
Gefordert wird zudem, die Aufsicht über Inkassounternehmen stärker zu bündeln. Darüber hinaus sollte die Höhe von Inkassokosten verbindlich geregelt werden, um willkürliche und überhöhte Gebührenforderungen der Inkassounternehmen zu verhindern. Die Ergebnisse der Fallauswertung sind auf der Homepage der Verbraucherzentrale Hessen unter www.verbraucher.de/bericht-inkassodienste veröffentlicht.
Verbraucher, die Probleme mit Inkassoforderungen haben, finden Informationen und Hilfe direkt bei den Beratungsstellen der Verbraucherzentrale Hessen oder im Internet unter www.verbraucher.de.“