Ludwigshafen/Rhein-Neckar, 08. Juli 2013. (red/ae) Wer kennt sie nicht – die schrägen Vögel. Sie denken anders, sie sprechen anders, sie sehen anders aus. Wir sind bemüht, sie nicht anzustarren. Wir sind bestrebt, sie nicht für ihre Andersartigkeit zu verurteilen. Wir kämpfen gegen unsere Vorurteile – und scheitern. Um eben diese Persönlichkeiten ging es in der Werkschau zum Stück “Schräge Vögel” des Clubs der Generationen Heidelberg beim 08. Festival “Leinen los – Junges Theater im Delta”. Am 18. Juli feiert das Stück Premiere im Heidelberger Zwinger.
Von Alina Eisenhardt
Der Raum ist dunkel. Die Schauspieler liegen am Boden und schlafen. Sie nehmen sich lange Minuten Zeit, um aufzuwachen. Es sind Langschläfer. Eine ältere Schauspielerin bricht das Schweigen und fragt: “Weißt du, wo meine Eltern sind?” “Vielleicht haben sie beschlossen, davonzufliegen. Sie sind immer kleiner und kleiner geworden und auf einer Möwe davongeschwebt”, antwortet ihr jemand. “Hier gibt es keine Möwen”, sagt der Denker Gertfried. Immer mehr Antworten schwirren durch den Raum, bis man gar nichts mehr versteht.
“Sind die in der Psychiatrie?”, denke ich. Nein, sind sie nicht! Denn was sich auf der Bühne abspielt, ist der ganz normale Wahnsinn. Es sind viele schräge Vögel, die aufeinander treffen – Persönlichkeiten, denen wir im täglichen Leben begegnen.
Zicke, Denker, Misanthropin
Der Denker Gertfried weiß zwar alles, findet aber zwischenmenschlich keinen Zugang. Er ist ein Roboter, der versucht, die Welt zu verstehen. Die Zicke Emelie erschwert ihm das zusätzlich, indem sie ständig die falschen Defintionen vorsagt.
Überhaupt terrorisiert Emelie alle anderen. Sie wird regelmäßig von einer esoterisch eingestellten Frau zurechtgewiesen, die zwar Toleranz predigt, Hunden aber “das Hirn wegschießen” will.
Währenddessen steht eine stille Tänzerin immer im Hintergrund. Die pubertierende Misanthropin Lottchen ärgert sich über die sinnlosen Gespräche einer verliebten Teenagerin, deren Angebeteter nichts von ihrer Existenz weiß, und ihrer verklemmten Freundin, die sich selbst im Weg steht.
Die Normalität hat keine Zeit für Unsinn
Eine arbeitswütige Frau und Mutter steht am Rande des Nervenzusammenbruchs. Jede ihrer Handlungen ist automatisiert. Zeit für sich selbst bleibt nicht. Es geht um eine Frau, die einen unsichtbaren Spielgefährten hat. Selbst die anderen halten sie für schräg. Das Fazit der Werkschau lautet:
Wie ich es unter all den beschissenen Umständen schaffe, glücklich zu sein, ist ganz allein meine Angelegenheit.
Steckt nicht in jedem von uns ein schräger Vogel? Erkennen Sie sich in einem der Charaktere wieder? Das waren die zentralen Frage des Stücks. Oft bemerken wir den eigenen Wahnsinn nicht, denn für Unsinn hat die Normalität keine Zeit.
Das Bühnenbild ist minimalistisch. Die Schauspieler überzeugen auch ohne viele Requisiten. Bei den gut 40 Zuschauern folgte nach einer anfänglichen Verwirrung schnell amüsierte Selbsterkenntnis. Schräge Vögel kennt schließlich jeder.