Mannheim, 04. Februar 2014. (red/jsc) Hat ein 36-jähriger Mann im Februar 2013 auf der Friesenheimer Insel eine 22-jährige Frau vergewaltigt? Diesen Tatvorwurf verhandelte heute das Amtsgericht Mannheim und kam nach nur zwei Stunden zu einem Urteil: Freispruch. Denn die angeblich Geschädigte verwickelte sich so umfangreich in Widersprüche, dass ihre Aussagen als unglaubwürdig gewertet worden sind.

Amtsgericht Mannheim, Wikipedia, Frank-m, CC BY-SA 3.0
Von Julia Schmitt
Vor dem Schöffengericht treffen am Dienstag zwei Mannheimer aufeinander, die in ihren Leben bisher nicht viel Glück hatten. Februar 2013: Sie ist Anfang 20. Kommt aus Frankfurt. Lebt damals obdachlos “auf der Straße”. Er ist ein Kurierfahrer. Heute 36 Jahre alt. Hoch verschuldet. Sie wirft ihm ein schweres Verbrechen vor. Er soll sie im Hafengebiet vergewaltigt haben.
Die junge Frau gibt damals bei der Polizei an, er habe behauptet Polizist zu sein. Weiter habe er behauptet, sie vernehmen zu wollen, damit aus dem Obdachlosenheim gelockt und in ein Auto gezerrt. Auf der Friesenheimer Insel soll er sich dann gegen sie gedrückt und ihre Brust unter dem Pullover berührt haben. Zudem soll er mit seinem Finger gegen ihren Willen in ihre Scheide eingedrungen sein. Aufgrund der körperlichen Unterlegenheit hat die Frau keine Chance sich zu wehren. Sie sagt, der Angeklagte droht ihr in dieser hilflosen Position:
Wenn du dich weiter wehrst, bringe ich dich um.
Im Strafgesetzbuch, Paragraf 177, Absatz 2.1, ist der Tatbestand der Vergewaltigung definiert: “… der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere, wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind.”
Durch das Eindringen der Finger in die Scheide der Frau wäre also der Tatbestand der Vergewaltigung erfüllt. Dafür droht eine Freiheitsstrafe von nicht unter zwei Jahren.
Eine ganz andere Geschichte
Der angeklagte 36-jährige Mannheimer, der als selbstständiger Kurierfahrer arbeitet, streitet den Tatbestand der Vergewaltigung vor Gericht jedoch ab. Zu den Vorwürfen sagt er: “Das stimmt so nicht.” Er schildert dem Schöffengericht eine andere Version des Geschehens als es die Frau im Februar des vergangenen Jahres bei der polizeilichen Vernehmung zu Protokoll gegeben hatte.
Vor Gericht schildert er den Ablauf so: Er holt die Frau an dem fraglichen Abend im Februar gegen 22 Uhr ab. Sie steigt ohne Zwang in sein Auto. Zuvor hatte er mit ihr telefoniert und sich auf ihre Idee hin als Polizist ausgegeben, um den Mitarbeiter des Obdachlosenheims zu überzeugen, sie nach Schlusszeit wieder ins Heim zu lassen.
Er fährt mit ihr ins Hafengebiet. Sie weiß, dass er ab und zu als Fahrer für Prostituierte arbeitet – gibt der Mann zu Protokoll. Sie will wissen, wie “das mit dem Mannheimer Rotlichtmilieu” funktioniert. Sie bietet ihm an, gegen Zahlung von 150 Euro mit ihm zu schlafen. Sagt der Angeklagte. Er lehnt ab, weil sie “stinkt”, penetriert sie aber mit den Fingern.
Der Richter muss den Mann häufiger auffordern, die teils detaillierten Beschreibungen zu wiederholen – weil er den Dialekt nicht versteht.
Überraschung vor Gericht
Nachdem der Angeklagte seine Version der Ereignisse vom Abend im Februar geschildert hat, wird die Geschädigte, die mittlerweile in Mannheim in einer Wohnung lebt, zu den Umständen der Tat befragt.
Der Richter, die Schöffinnen und der Staatsanwalt erleben eine Überraschung. Die junge Frau verstrickt sich immer wieder in Widersprüche. Ihre Aussagen stimmen in großen Teilen nicht mit den Aussagen überein, die sie im vergangenen Jahr bei der Polizei gemacht hat.
Hatte sie damals behauptet der Angeklagte, habe sie ins Auto gezerrt, erklärt sie heute vor Gericht, dass sie freiwillig eingestiegen ist. Auch die Tatzeit variiert. War es damals gegen 22 Uhr, erklärt sie heute, dass es gegen 17 Uhr gewesen war. Selbst daran, dass sie damals zuerst im Krankenhaus war und dort die Polizei alarmiert hatte, kann sie sich nicht mehr erinnern. Stattdessen erklärt die junge Frau, dass sie zuerst auf der Polizeiwache war und sie von dort ins Krankenhaus geschickt worden war.
Die Frage des Richters, ob sie danach eine Beratungsstelle aufgesucht habe, bejaht sie. Welche Einrichtung das war, wer mit ihr gesprochen hat und wie oft sie dort war – dies alles weiß sie dann nicht mehr. Als sie gefragt wird, wie lange sie denn schon in Mannheim lebe, antwortet sie: “Sechs Monate.” Dabei soll die Vergewaltigung doch vor fast einem Jahr begangen worden sein?
Der Richter schaut auf, stutzt und hakt nach. Sie hatte schon zur Tatzeit in Mannheim gelebt. Also vor zwölf Monaten. Der Richter fordert die Frau auf, die Monate zurück zu zählen. Das gelingt ihr nicht. Der Richter fragt sie, wie viele Monate ein Jahr hat? Die Frau überlegt lange und sagt:
Ich bin nicht gut in Mathe.
Die junge Frau ist schlank, unscheinbar und wirkt überfordert. Sie hat nur einen Förderschulabschluss. Da die Frau die Umstände vor Gericht gänzlich anders darstellt als im vergangenen Februar, verzichten der Staatsanwalt, der Verteidiger sowie das Schöffengericht schließlich auf die Vernehmung von weiteren Zeugen. Sowohl der Staatsanwalt als auch der Verteidiger des 36-jährigen Angeklagten beantragen Freispruch.
Die Begründung: Die Darstellungen der Ereignisse durch die Frau seien zu widersprüchlich. Hier steht Aussage gegen Aussage. Die Angaben der Frau können nicht überzeugen, um eine Schuld des Mannes festzustellen. Das Schöffengericht gibt dem statt. Der Mann wird freigesprochen.