Mannheim, 03. Juli 2015. (red/pro) Am Sonntag entscheidet sich, wer der künftige Oberbürgermeister von Mannheim sein wird. Drei Kandidaten bewerben sich darum: Amtsinhaber Dr. Peter Kurz (SPD), Herausforderer Peter Rosenberger (CDU) und Christian Sommer, der für „Die Partei“ antritt. Im ersten Wahlgang konnte keiner der Kandidaten die erforderliche absolute Mehrheit erreichen, nun reicht die relative Mehrheit. Die Wahl entscheidet, wer von diesen drei Kandidaten das Schicksal dieser Stadt maßgeblich gestalten wird. Deswegen gibt der für das Rheinneckarblog verantwortliche Redakteur Hardy Prothmann eine transparente Wahlempfehlung ab.
Von Hardy Prothmann
Wann genau ich das erste Mal Herrn Dr. Peter Kurz getroffen habe, weiß ich nicht mehr. Irgendwann 1991. Ich habe keine Schülerzeitung gegründet, sondern bin erst „spät“ mit 25 Jahren zum Journalismus gekommen. Damals war ich Freier Mitarbeiter für den Mannheimer Morgen.
Was ich sehr genau weiß – der Mann war damals Stadtrat, juristischer Referendar, und war, wie er heute noch ist. Sehr gut vorbereitet, nachdenklich, ein wenig steif, verkopft. Aber ehrlich, konzentriert und bei der Sache.
Und ich habe ihn damals auf fast allen Terminen getroffen – gut vorbereitet, nachdenklich und so weiter. Peter Kurz fiel mir als der fleißigste Stadtrat von allen in meinem Berichtsgebiet auf.
Seit Ende 1994 hatte ich mit dem Mann nichts mehr zu tun. Ich hatte mein Studium und die freie Mitarbeit beim Mannheimer Morgen beendet und arbeitete für überregionale Zeitungen, Magazine und öffentlich-rechtliche Sender. Meine „Home-Base“ war Mannheim, das Geschehen vor Ort habe ich nur „nebenbei“ verfolgt, meine Einsatzgebiete waren irgendwo in Deutschland oder im Ausland.
Zwischen Privat und Verlässlichkeit
Ende 2006 habe ich ihn auf einer Geburtstagsparty eines gemeinsamen Bekannten zufällig getroffen. Das war kein journalistischer Termin, er war weniger steif und verkopft und seitdem duzen wir uns – allerdings nur privat.
Wenn ich ihn offiziell treffe, ist er für mich der „Herr Oberbürgermeister“ und „Herr Dr. Kurz“. Darauf lege ich Wert – er auch.
„Privat“, das sind die Momente, wo wir im Umfeld „offizieller Termine“ am Rand stehen und uns mal „locker“ austauschen. Das passiert sehr selten. Oft nur für wenige Sätze.
Interessant ist, dass wir eher zum Sie neigen und eher „steif“ mit dem „Du“ eine „Nähe“ herstellen – denn ich bin nicht am „Du“ interessiert, sondern am Kopf von Peter Kurz als Oberbürgermeister. Was denkt er, was hat er vor?
Anfang 2007 kontaktierte mich Dr. Kurz und fragte, ob ich bereit wäre, ein Porträt über ihn zu schreiben. Meine erste Gegenfrage war: „Wer bezahlt das?“ Seine Antwort: „Die SPD Mannheim“. Ich sagte: „Ich mache keine PR.“ Er sagte: „Das wird auch nicht verlangt. Ich wünsche mir einen ordentlichen, unabhängigen Text.“ Ich sagte: „Wenn Sie mir keine Vorgaben geben und mein Text ohne inhaltliche Bearbeitung veröffentlicht wird, kann ich mich darauf einlassen.“ Er sagte: „Darauf können Sie sich verlassen.“
Ich habe mich damals, wie ich das immer tue, vollkommen frei über die Person informiert und das Porträt vorbereitet. Ich habe ihn zu einem konzentrierten Gespräch getroffen, meinen Text in der gewünschten Länge abgeliefert und er ist exakt so erschienen, wie ich ihn geschrieben habe. Es war eine „Auftragsarbeit“ – aber ohne „Vorgaben“. Journalistisch – das war für mich entscheidend – war das sauber. Aktuell gab es keine Auftragsarbeiten – selbstverständlich nicht. Es wurde Werbung nach den von uns vorgegebenen Tarifen geschaltet, die allen offen stehen. Herr Probst und Herr Sommer haben davon auch Gebrauch gemacht. Herr Rosenberger nicht.
Peter Kurz ist wie 1991 oder 2007 – vielleicht ernster
Der Text ist ein positives Porträt über die Person Peter Kurz geworden. Nicht, weil ich dafür bezahlt worden bin, sondern weil meine Recherchen und meine Einschätzung das so ergeben haben. Ich bin verantwortlich für meine Arbeit und stehe selbstverständlich bis heute zu diesem Text, der viel über die Person Peter Kurz aussagt. Ich würde diesen Text heute im Kern so wieder schreiben, ergänzt durch neue Erkenntnisse.
Danach hatte ich mit Dr. Peter Kurz weder privat noch beruflich zu tun. Das änderte sich erst ab 2011 mit dem Start von Rheinneckarblog.de – zunächst eher verhalten, weil wir überwiegend Texte aus anderen Gemeinden auf der regionalen Plattform gebündelt haben.
Spätestens seit der Konversion und der Kommunalwahl 2014 ist Mannheim ein Schwerpunkt unserer Arbeit, weil die „kleine Metropole“ der „größte Magnet“ in der Region ist. Seither treffe ich den Oberbürgermeister regelmäßig zu offiziellen Terminen oder Hintergrundgesprächen mit anderen Journalisten.
Es hat genau eine „nicht-offizielle“ Begegnung gegeben. Das war ein angefragter Termin Ende 2011, bei dem ich den Oberbürgermeister darüber informiert habe, dass wir künftig Mannheim schwerpunktmäßig journalistisch begleiten werden. Dieses Gespräch hat rund 30 Minuten gedauert, fand im Amtszimmer statt, es gab einen Kaffee und Wasser und es war vollständig durch den Kontakt eines Journalisten zu einem Verwaltungschef geprägt. Und Herr Dr. Kurz war wie immer, ein wenig steif, verkopft, aber ehrlich und da wir „offen“ miteinander geredet haben, auch ziemlich kompliziert. Der Mann ist ein Intellektueller neben seinem Hauptjob, die Stadt zu verwalten.
Als Leser/in des Rheinneckarblog sind Sie längere Texte gewohnt – lesen Sie weiter.
Wenn man Dr. Peter Kurz etwas vorwerfen wollte, dann ist es seine „Bescheidenheit“. Oder eher die steife Art, wie er damit umgeht, seine Erfolge zu benennen. Und die Erfolge hat er. Zweifellos. Sehr viele. Eine bundesweit einzigartig niedrige Arbeitslosigkeit in der Stadt bei Jugendlichen beispielsweise, die aktuell der ARD einen Bericht wert war.
Er hat von seinem Vorgänger Gerhard Widder (SPD) ein schweres Erbe übernommen – und Schulden abgebaut.
Zwischen Wutbürgern und Bürgerbeteiligung – fundamentale Veränderungen
Was viele, vor allem ältere Wutbürger bemängeln, wird woanders als herausragend positiv wahrgenommen – die Anstrengungen zur Bürgerbeteiligung. Verantwortlich für die schlechte Stimmung sind Zeitungsleser – im Schnitt weit über 60 Jahre alt. Die wollen keinen Veränderungen – aber Mannheim ist eine Stadt, in der sich viel und fundamental verändern wird.
Die Neuaufstellung der GBG ist ein Mega-Projekt – viel zu lange wurde zu wenig getan und aktuell gibt es massive Widerstände, mit Sorgen, Ängsten und Bestandsforderungen. Hier sind Entscheidungen von elementarer Tragweite zu treffen. Die riesigen Konversionsflächen machen Mannheim zu interessantesten Stadt bundesweit – nirgendwo sonst werden Veränderungen so umfassend sein wie hier vor Ort.
Tatsächlich wird all das viel zu wenig kommuniziert. Das Presseteam, dass die Stadt nach außen repräsentieren soll, wollen wir nicht für die Zusammenarbeit kritisieren. Die ist sehr gut. Aber für fehlende Konzepte und für zu wenig „Überregionalität“. Mannheim ist eine kleine Großstadt, aber eine, die alle „Herausforderungen“ großer Großstädte hat – mit dem Vorteil, dass die Wege, Achtung – „kurz“ sind. Kürzer als in Mega-Cities wie Berlin, Hamburg oder München. Pressemitteilungen sind nicht das Werkzeug, um diesen Umbruch zu kommunizieren.
Beispiel Buga: Es ist elendig, wie der lokale Zeitungsmonopolist Mannheimer Morgen sich das Projekt zur Beute macht. Einerseits, um den Amtsinhaber zu beschädigen, andererseits, um andere zu befördern, die eigenen immer älter werdenden Leser mit ihren Ressentiments zu bedienen und insgesamt nur Krawall zu veranstalten – Hauptsache, man ist im Gespräch und kann irgendwie die Auflage halten, die tatsächlich kontinuierlich sinkt.
Die Kritik an der Buga, die auch der Herausforderer Christopher Probst im ersten Wahlgang gefordert hat, ist richtig und notwendig. Die Stadt muss auf jeden Euro achten und kann sich „Prestige-Objekte“ nicht leisten. Der Vorwurf hingegen, hier sollte eine „Peter-Kurz-Allee“ entstehen, ist unbegründet und bösartig.
Vorgebracht von Wutbürgern, die sich „Bürgerinitiative“ nennen und doch tatsächlich nur kleine Kreise von überwiegend zornigen Menschen „repräsentieren“, die plötzlich eine ungeahnte Aufmerksamkeit erfahren. Befördert über Leserbriefe in der Tageszeitung, die nur ein Ziel haben – möglichst negative Stimmung gegenüber der Stadtverwaltung und dem Oberbürgermeister zu machen.
Korrekt ist: Zahl und Umfang der Aufgaben der Stadt steigen enorm an. Beispiel Zuwanderung aus Südosteuropa. Ein harter Stoff. Ein echtes Problem.
Umgekehrt kann man feststellen, dass die „verständigen journalistischen Analysen“ in vielen Medien nicht mehr angeboten werden. Es wird polemisiert, verkürzt, zugespitzt – bis hin zum Rassismus. Eine Missbilligung des Presserats im Verlauf der Berichterstattung zum Mordfall Gabriele Z. hat der Mannheimer Morgen bis heute nicht veröffentlicht.
Öffentliche Sicherheit als Dauerthema
Dann kommt es zu einem „Show-Down“ in der Innenstadt – Schießerei, Messerstecherei. Die Beteiligten kommen von außen. Pierre Vogel tritt auf, der bekannteste deutsche Salafist – Hogesa entsteht. In Mannheim. Ein Jahr später knallt es in Köln. Kurden randalieren auf dem Mai-Markt-Gelände. Über 70 Polizisten werden verletzt.
Was kann ein Oberbürgermeister Dr. Kurz dafür? Nichts. Die Weltpolitik und die nationale Politik finden manchmal heftig und unberechenbar vor Ort statt. Wofür ein Oberbürgermeister Dr. Kurz etwas kann, ist seine Nachdenklichkeit, seine Fähigkeit zur Analyse und Gestaltung.
Das Polizeipräsidium Mannheim ist ein Vorzeigepräsidium in Baden-Württemberg und der Präsident Thomas Köber einer der absoluten Top-Polizisten im Land. Herr Köber und Herr Dr. Kurz sind in ständigem konstruktivem, respektvollem Kontakt. Es gibt eine enge Verbindung zwischen Polizeiaufgaben und städtischen Anliegen. Auch das ist vorbildlich.
Eins hat Dr. Kurz vorangetrieben, was ein Erfolg ist, aber ihm auch negativ vorgehalten wird: Die Kreativität der Stadt Mannheim. Dafür kann man ihn kritisieren. In den 90-er Jahren war Mannheim eine Jazz-Hochburg – da wurde nichts verwaltet. Das hat sich so ergeben. Peter Kurz hat diese Kreativität „systematisiert“ – das befördert den Standort, führt aber auch zu möglicherweise „unschönen“ Begleiterscheinungen, wenn man die enge Bindung von Xavier Naidoo als „Sohn der Stadt“ sich anschaut und feststellt, dass dieser Top-Act eigentlich untragbar geworden ist. Und vielleicht hat Herr Dr. Kurz vergessen, wo die „Arbeiterbasis“ der SPD ist – aber vielleicht gibt es die auch so nicht mehr. Es sind Zeiten des Umbruchs.
Zeiten des Umbruchs – Mannheim sagt Ja zu Flüchtlingen, die hier aber nicht bleiben
Unabhängig von dieser „wenig schönen“ Entwicklung – das Image von Mannheim trägt die Handschrift von Dr. Peter Kurz, die auch, wenn auch viel zu wenig, immer öfter außerhalb wahrgenommen wird. Mannheim gilt als pulsierende Metropole, die überschaubar ist. Das ist eine einzigartige Qualität.
Gegen den Amtsinhaber tritt Peter Rosenberger an. Rund zehn Jahre jünger. Dynamisch. Von sich selbst überzeugt, wenig nachdenklich, hochgekrempelte Ärmel: „Wir machen das.“ Was das ist, leiht er sich von anderen – aktuell insbesondere von Christopher Probst. Das Wahlprogramm des ML-Kandidaten hat sich Herr Rosenberger im Handstreich angeeignet. Das ist wenig souverän, das ist in der Zuspitzung vieler Themen. Das ist bedenklich populistisch. Und wenig realistisch.
Vollständig abgesehen von Sympathien – Herr Rosenberger ist der CDU-Herausforderer und er will gewinnen. Der Kandidat ist ernst zu nehmen, wenngleich der Amtsinhaber als Favorit gilt.
Aktuell ist die Situation unklar – kann es Herrn Rosenberger gelingen, die Stimmen für Herrn Probst auf sich zu vereinen? Wenn das gelänge, würde er die Wahl gewinnen. Das mutet wenig wahrscheinlich an, ausgeschlossen ist es nicht.
Bequeme Wähler – gelingt die Mobilisierung?
Umgekehrt muss man Fragen: Gelingt es Herrn Dr. Kurz, seine Wähler nochmals zu mobiliseren und mehr als beim ersten Wahlgang? Wenn das gelänge, würde er die Wahl gewinnen.
Tatsache ist: Die Wahlbeteiligung ist eine absolute Enttäuschung. 30,7 Prozent sind nicht alarmierend, aber die Zahl muss nachdenklich machen. Was läuft schief, dass fast 70 Prozent der Wähler/innen eines der fundamentalsten Freiheitsrechte nicht mehr wahrnehmen?
Diese Frage müssen sich übrigens nicht nur die Kandidaten der Oberbürgermeisterwahl stellen, sondern alle Parteien und Wählervereinigungen. Was läuft falsch, was läuft schief, wieso sind die Menschen so politikverdrossen und welche Auswirkungen wird das haben? Insbesondere die Parteien müssen mal im Jetzt und in der Zukunft ankommen – wenn man so sieht, wie sie agieren und Social Media „bedienen“ ist da noch viel Luft nach oben.
Wahlempfehlung
Ich empfehle Ihnen dringend, zur Wahl zu gehen – denn je besser die Wahlbeteiligung, desto mehr verpflichten Sie als Wähler den Gewinner der Oberbürgermeisterwahl. Je mehr Menschen wählen, umso mehr Menschen ist der Wahlgewinner verpflichtet – auch, wenn die einen anderen gewählt haben. Man ist verpflichtet, seine eigene Arbeit überzeugend zu gestalten.
Persönlich empfehle ich die Wahl von Dr. Peter Kurz. Weil ich als Journalist mit 24 Berufsjahren selten einen so verantwortlichen und vorbildlichen Politiker erlebt habe – keine Sorge, Herr Dr. Kurz wird ganz sicher kritisch durch mich und meine Redaktion kritisch begleitet werden, weil selbst Vorbilder mal Fehler machen und man ihnen diese aufzeigen muss.
Bei der ersten Wahl habe ich übrigens Christopher Probst gewählt – weil ich wollte, dass dieser Kandidat mit seiner kritischen Haltung ein starkes Ergebnis erreicht. Hätte ich ihm das nicht zugetraut, hätte ich sofort den Amtsinhaber gewählt. Meine Wahl war „strategisch“ – ich wollte Druck erzeugen, damit insbesondere das Thema „Sanierungsstau“ auf die Agenda kommt. Das erachte ich als herausragenden Erfolg des Kandidaten Christopher Probst, wenngleich man sein Wahlprogramm sehr differenziert betrachten muss.
Herr Rosenberger ist sicher ein Mann, der vermutlich im Amt wachsen könnte, aber er überzeugt mich überhaupt nicht. Wenn Sie denken, dass Herr Rosenberger der bessere Verwaltungschef von Mannheim sein wird – dann wählen Sie ihn. Mich überzeugt er nicht und ich halte ihn wenn, nur für eine zweite Wahl. Es ist Ihre Entscheidung.
Ebenso, wenn Sie denken „Herr Sommer ist sehr gut“ und steht für „das stärkste“ Mannheim.
Gehen Sie wählen. Ihre Stimme ist wertvoll. Jede Stimme entscheidet in der Summe. Wir leben in einer Demokratie, dessen stärkste Kraft die Menschen sind, die frei wählen können, wem sie Gestaltungsmacht verleihen und was sie – auch persönlich – als Erfolg für sich und das Gemeinwesen wollen.
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