Mannheim/Südwesten, 03. Dezember 2018. (red/pro) Im November wurden erste Kameras zur Videoüberwachung montiert – seit heute ist eine neue Software im Einsatz, die kriminelles Verhalten selbständig erkennen soll. Landesinnenminister Thomas Strobl betonte sichtlich zufrieden das “europaweit einzigartige Konzept”. Polizei und Stadt versprechen sich mehr Sicherheit am Paradeplatz, der Breiten Straße, dem Marktplatz, dem Alten Messplatz und dem Vorplatz des Hauptbahnhofs.
Das Medieninteresse war riesig – mehrere Kamerateams und auch überregionale Medien interessierten sich für das seit heute laufende Pilotprojekt einer “intelligenten Videoüberwachung” in Mannheim.
Innenminister Thomas Strobl betonte das “europaweit führende Konzept”, das es erlaube, anders als bei anderen Überwachungssystemen, nur wenig in Grundrechte einzugreifen, dafür aber die Sicherheit enorm zu erhöhen. Dafür musste das Polizeigesetz geändert werden.
Der sogenannte “Mannheimer Weg” ist die zweite Auflage einer effizienten Videoüberwachung. Bereits vor einer Dekade war die in Mannheim eingeführt worden, um eine gestiegene Kriminalität in der Innenstadt zu bekämpfen. Das Ziel: Unmittelbar nach Straftaten Beamte vor Ort zu haben, die die Tatverdächtigen festnehmen können. Damals erreichte man eine Interventionszeit von rund 2,5 Minuten. Das ist der Maßstab, den man wieder erreichen will.
Doch der “Mannheimer Weg II” ist ein anderer. Zwar filmen wie damals insgesamt 76 Kameras (aktuell sind 34 montiert), 12 sind senk, schwenk- und zoombar, doch es werden keine klaren Videobilder geliefert. Auf den Bildschirmen der Polizei sind die Aufnahmen verpixelt. Erst, wenn es einen Hinweis, ob von außen oder durch den Algorithmus einer Spezialsoftware gibt, werden die Bilder scharf und die Beamten beurteilen die Lage und ob Einsatzkräfte benötigt werden.
Die vom Fraunhofer Institut entwickelte Software wertet dabei unter anderem Bewegungsprofile aus und verwandelt die Menschen in “Strichmännchen”.
Über die Körper werden Linien gezogen und deren Ablauf wird analysiert. Kommen sich zwei Personen nahe und heben die Beinlinien der einen ab in Richtung Kopf der anderen Person, erkennt die Software, dass dies kein gewöhnlicher Bewegungsablauf ist und stellt das Bild scharf – jetzt entscheidenen die Beamten, ob ein Alarm ausgelöst wird oder nicht. Zunächst soll die Software “schlagen, treten, rennen, fallen, liegen” erkennen.
Dafür muss die Software lernen: “Es wird ein gewisses Maß an Mindestintelligenz benötigt”, sagte Fraunhofer-Projektleiter Dr. Markus Müller. Man haben gewisse “Laborsituationen” geschaffen, damit die Software erste Muster erkennen kann. “Mit Actionfilmen oder Western kann die Software allerdings nicht lernen, weil die dort dargestellten Szenen nichts mit realer Gewalt oder anderen Verbrechen zu tun haben.” Heißt: Die Software lernt anhand tatsächlicher Taten.
Rund sechs Beamte werden künftig rund um die Uhr vor den Bildschirmen sitzen, auf denen das System die Videobilder ausspielt. 72 Stunden bleiben die Aufnahmen gespeichert. Das Ganze läuft in einem geschlossenen System über Glasfaserkabel, die ausschließlich diese Daten übertragen. Schnittstellen zu den Polizeirechnern oder übers Internet gibt es nicht. Natürlich lassen sich aber die Daten ausspielen – im Fall einer Straftat ist die Staatsanwaltschaft Herrin des Verfahrens und benötigt natürlich das Datenmaterial.
Sorgen einer ständigen Überwachung trat insbesondere der Erste Bürgermeister Christian Specht (CDU) entgegen. Der Jurist betonte: “Ich sage das auch als Verfassungsrechtler – wir wollen den Eingriff in Grundrechte bewusst klein halten, auf der anderen Seite erhoffen wir uns aber eine steigende Sicherheit insbesondere dort, wo es keine Nachbarn, kein soziales Gefüge gibt.” Dies treffe insbesondere auf öffentliche Räume zu, in deren Umfeld kaum jemand wohne und somit Hinweise an die Polizei eher selten seien.
Wir ergänzen den Artikel noch mit Videomaterial und einer inhaltlichen Analyse.