Rhein-Neckar/Mannheim, 03. April 2016. (red) Wie zu erwarten, ist auch das diesjährige Time-Warp-Festival durch erheblichen Drogenkonsum der Besucher aufgefallen. Die Polizei hat durch aufwändige Kontrollen fast 100 Fahrer im Wortsinn „aus dem Verkehr“ gezogen, die zugedröhnt zu- oder abfahren wollten. Um sich „auszulösen“, haben die betreffenden Personen Sicherheitsleistungen von über 40.000 Euro bezahlen müssen. Offenbar ist das kein Problem.
Von Hardy Prothmann
16.000 Besucher teilt der Veranstalter für die Techno-Veranstaltung Time Warp mit. Der Rave gilt als einer der größten in Deutschland, mit Ablegern in anderen Ländern. Top-DJs wie Sven Väth legen auf. „Gefeiert“ wird ab nachts bis zum nächsten Mittag.

Intensive Polizeikontrollen. Rund 100 Fahrer mussten wegen Drogenkonsums eine „Sicherheitsleistung“ erbringen. Archivbild
Die Bässe brummen, die Dancefloors sind probevoll. Die Party ist ab 18 Jahre. Das Publikum ist jung, geht aber auch bis zu Ü30. Viele Italiener und Franzosen.
Beim Lärm ging es besser, bei den Drogen nicht
Um die Party in der Maimarkthalle hat die Polizei ein Großaufgebot am Start. 262 Polizeibeamte sind im Einsatz. Von allen Revieren des Polizeipräsidiums Mannheim, der Kriminalpolizei und der Autobahnpolizei. Der Autobahnparkplatz Linsenbühl wird zur Kontrollstelle.
Rund 800 Fahrer werden kontrolliert. Rund 100 Fahrer haben Drogen genommen. Waren in der Vergangenheit sechs von Hundert Fahrern unter Drogen unterwegs, hat sich der Wert aktuell mehr als verdoppelt, jetzt sind es mehr als zwölf von Hundert:
Das ist ein außergewöhnlicher Spitzenwert,
kommentiert Einsatzleiter Frank Hartmannsgruber. Der Polizeioberrat und Leiter des Oststadt-Reviers „begleitet“ das Techno-Event schon seit einigen Jahren. Seine Bilanz:
Wir hatten zwei „Big Points“ – den Lärm und Drogen am Steuer. Beim Lärm ging es besser, bei den Drogen nicht.

Kleiner Polizeihelfer – der Multi-Drug-Screen-Test liefert schnell und zuverlässig erste Ergebnisse, danach geht es zur Blutabnahme. Archivbild
Der Lärm, ja der Lärm. Der hatte im vergangenen Jahr für „Unruhe“ vieler Bürger gesorgt. Über das Osterwochenende fühlten sich viele Anlieger extrem belästigt. Dieses Jahr ging die Zahl der Beschwerdeanrufe auf ein Viertel zurück. Im Vorfeld gab es Absprachen zwischen Veranstalter und der Stadt und einen „Lärmschutzplan“. Trotzdem musste die Polizei mehrfach einschreiten und „runterpegeln“ lassen – mal war dieser, mal jener „Floor“ zu laut. So ist das beim Techno, die Bässe sollen durch den Körper gehen. Je wummiger, desto geiler.
Jede Menge Stoff
Reiner Lange, „Rauschgift-Chef“ der Kripo, ist mit seinem Team im Einsatz und hat wie immer viel zu tun – trotz erkennbarer Präsenz und Informationen über Kontrollen im Vorfeld.
„Alkohol spielt keine besonders große Rolle“, sagt Frank Hartmannsgruber. Die Polizeipressestelle teil mit: 1.892 Personen und 771 Fahrzeuge kontrolliert. 456 Strafverfahren eingeleitet, davon 330 mal wegen Rauschgiftdelikten. 96 Fahrern wurde, wegen des Verdachts des Fahrens unter Betäubungsmitteleinfluss, eine Blutprobe entnommen. Es wurden insgesamt 193 g Cannabis-Produkte, 77 g Haschisch, 93 Joints, 28 g Kokain, 551 XTC-Tabletten, 106 g Amphetamin, 20 g Metamphetamin und 28 LSD-Trips sichergestellt.
350 Hilfeleistungen
Rund 350 Hilfeleistungen mussten die Rettungskräfte der Johanniter leisten. Meist wegen „Kreislaufproblemen“. Gewalt spielt in der Szene keine Rolle. Weder gab es nach Kenntnis der Polizei Schlägereien, noch Widerstand gegen die Polizeibeamten. „So sind die nicht drauf“, sagt Frank Hartmannsgruber.
Viele der Beamten sind mittlerweile besonders geschult, um Drogenkonsum bei den kontrollierten Personen aufgrund verschiedenster Merkmale zu erkennen: „Wenn wir jemanden auf den Posten bitten, ist die Urinprobe nur noch eine Absicherung. Die Trefferquote liegt bei nahezu 100 Prozent.“
500 Euro Sicherheitsleistung, Stammkunden zahlen 1.000 Euro
Auf der Polizeistube geht es geschäftig zu. Ständig bringen die Beamten neue „Kunden“. Personalien werden festgestellt, Blutproben gemacht. Unter Begleitung geht es zum benachbarten Geldautomaten, der garantiert gut bestückt ist. 500 Euro kostet die Sicherheitsleistung:
Wir hatten auch ein paar Stammkunden, die zahlen dann das Doppelte,
sagt Frank Hartmannsgruber mit ironischem Unterton. Wer früher schon erwischt wurde, zahlt also 1.000 Euro. Damit ist das Verfahren erledigt. Über 40.000 Euro sind dieses Jahr bezahlt worden. Doppelt soviel wie im vergangenen Jahr.
-Anzeige- |
Ist das ein Erfolg?
Das kommt auf die Perspektive an. Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, jeden zu erwischen. Je mehr Einsatzkräfte wir haben, umso eher gelingt das auch. Trotzdem ist da sicher noch Luft nach oben,
sagt Frank Hartmannsgruber. Je mehr Einsatzkräfte er hat, um so heller macht die Polizei das „Dunkelfeld“. Was ihm nicht gefällt:
Dieses Jahr war auffällig viel Kokain dabei.

Frank Hartmannsgruber, Revierleiter Oststadt, ist ein aufmerksamer und freundlicher Mensch – bei Drogen oder Alkohol im Straßenverkehr hört bei ihm der Spaß ganz schnell auf.
Über 90 Prozent der „Kunden“ sind männlich, auffällig viele bedröhnte Fahrer waren Italiener und Franzosen. Teils schwer auszumachen: „Nach Nummernschildern zu schauen, bringt nur bedingt was, viele fliegen auch nach Stuttgart oder Frankfurt ein und kommen mit Mietwagen.“
Gleich zu Beginn der „Party“ erwischte die Polizei Halsketten- und Handy-Räuber. Italiener. Über den Sicherheitsdienst gibt Frank Hartmannsgruber ein positives Urteil ab: „Die haben sorgfältige gearbeitet und uns auch bei Drogenfunden Leute überstellt.“
Mega-Event, Mega-Geschäft
Time Warp ist ein Mega-Event. Und vermutlich auch ein Mega-Geschäft für die Veranstalter. Es ist und bleibt eine Mega-Drogen-Party. Falls die Polizei im kommenden Jahr die Einsatzkräfte nochmals verstärkt, steigen zwar die Kosten für den Einsatz, aber möglicherweise erreicht die Polizei auch einen Breakeven und unterm Strich verdient dann sogar der Staat noch mit. Ob das ein Ziel sein kann?
Unser Ziel war und ist es, den öffentlichen Raum zu sichern. Das erreichen wir mit zunehmenden Erfolg, wobei das sicherlich noch steigerungsfähig ist,
sagt Frank Hartmannsgruber, der insgesamt an diesem Wochenende nur wenig Schlaf bekommen hat. Wer Frank Hartmannsgruber kennt, weiß, dass der Polizeioberrat ehrgeizig ist – möglicherweise wird er das Einsatzergebnis im kommenden Jahr nochmals deutlich steigern.
Die kommunale Politik ist selbstverständlich voll im Bilde, was den Drogenkonsum angeht – irgendwelche Maßnahmen hat nach unseren Informationen noch niemand auch nur ansatzweise erwogen. Vermutlich wird man „weniger Lärm“ als „Erfolg“ feiern und davon sprechen, „dass das Konzept aufgegangen ist“.
Informieren wir Sie gut?
Dann machen Sie andere Menschen auf unser Angebot aufmerksam. Journalismus kostet Geld. Wir freuen uns über Ihre finanzielle Unterstützung als Mitglied im Förderkreis, damit wir Sie weiterhin hintergründig informieren können. Hier geht es zum Förderkreis.