Mannheim/Rhein-Neckar, 03. September 2014. (red/pro) Was macht man, wenn man journalistisch kapituliert? Man ahmt TTT nach, die Erfolgsformel der Bild-Zeitung. TTT steht für Tiere, Titten, Tote. Doch auch eine Blut- und Sperma-Berichterstattung will gelernt sein. Bei der Bild-Zeitung arbeiten Top-Profis – für die neuen Portale mannheim24.de und heidelberg24.de kann man das nicht behaupten. Die Anmutung ist billigstes Klatschblatt-Feeling. Die Geschäftsführung beschreibt das als “Doppelstrategie” – hier die so genannte Qualitätsmarke Zeitung, dort die schrottigen Inhalte.
Von Hardy Prothmann
Sex sells – bis heute. Aber lange nicht mehr so einfach wie früher. Während die Zeitung schon seit Jahren dramatisch an Qualität verliert – jetzt nochmals dynamisiert durch den neuen Lokalchef Dirk Lübke – erhofft sich der Verlag mit den zwei neuen Boulevard-Angeboten Klickzahlen.
Wer aber genau hinschaut, sieht, dass Spiegel Online Boulevard viel besser, schneller und umfangreicher kann. Bild.de sowieso. Dazu gibt es jede Menge weiterer Portale, die die immer gleichen Aufregerstories veröffentlichen. Ganz aktuell berichten sogar FAZ und Süddeutsche über gehackte Nacktbilder von Promis. Im Journalismus nennt man das “People” oder “Yellow”. Dementsprechend ist die dominante Farbe Gelb. Und für den Alarmismus der Meldungen gibt es Rot.
Die regionalen Meldungen sind die, die man in ihrer Nichtigkeit auch in der Zeitung findet. Das, was sicher das größte Interesse finden wird und prominent platziert wird, ist die “Kolumne” “Bluevista-Girls” – Fotoklickstrecken von jungen Mädchen, die sich langsam ausziehen und ihre Titten zeigen. Das ist heute längst kein Aufreger mehr, chauvinistisch bleibt es doch und insbesondere Frauen dürfen sich fragen, was Geschäftsleitung und Redaktion von Frauen an sich halten.
Billigster Alarmismus, aufgepumpte Aufregergeschichten ohne Substanz
Journalistisch ist das neue Portal, das viele Inhalte von Drittanbietern bezieht, eine Katastrophe. Billigster Alarmismus, aufgepumpte Aufregergeschichten – Substanz braucht hier niemand zu erwarten. Noch katastrophaler ist die Entscheidung, bei der Zeitung 40 Stellen abzubauen – davon 20 Redakteure. Anstatt in Qualität zu investieren, also Inhalte, baut man ab und investiert neun Millionen Euro in schlüpfrigen Boulevard.
Bei der rapide sinkenden Auflage nur noch rund 67.000 Abonnements kann man darauf Wetten abschließen, dass der MM in den nächsten Jahren von einer Verlagsruppe Ippen oder Madsack oder Funke Mediengruppe (vormals WAZ) aufgekauft wird. Was dann kommt, kennen Medienbeobachter längst: “Optimierung”, das heißt, es werden enorm Kosten eingespart, das Personal wird in ausgegliederten GmbHs für einen Bruchteil der Tariflöhne eingestellt. Das erste Opfer dieser “Optimierungen” ist immer die Qualität.
So etwas als “Doppelstrategie” zu bezeichnen, ist schon reichlich dreist. Die einzige Strategie, wenn denn überhaupt eine zu erkennen ist, könnte der feste Wille sein, das Ansehen von Journalismus noch mehr zu demolieren. Statt sich der Tatsache zu stellen, dass das frühere Geschäftsmodell der alten Tante Tageszeitung nur noch eine begrenzte Laufzeit hat, reitet man sich mit Blödsinn zu Tode. Die Boulevard-Portale sollen Reichweite bringen, die einzige Messgröße, die Verleger alten Schlags anscheinend kennen. Das es aber auch interessante Zielgruppen wie gebildete, informationsorientierte Leser gibt, wird vergessen.
Gerne wird über das Internet geschimpft, seine billigen, belanglosen Inhalte, der ganze “Dreck”, der dort zu finden ist. Nun scheint man beim Mannheimer Morgen fest entschlossen zu sein, seinen Haufen auch noch draufzulegen. Schade. Die einstmals renommierte Tageszeitung verspielt bewusst und vorsätzlich letzte Reste des guten Rufs, den sie einmal hatte.