Hemsbach/Rhein-Neckar, 03. Dezember 2012. (red/ld) Die Landtagsabgeordneten Uli Sckerl (Bündnis ’90/Die Grünen) und Gerhard Kleinböck (SPD) wollen mit „Gerüchten und Spekulationen über den Schulentwicklungsprozess aufräumen“. Der CDU-Abgeordnete Georg Wacker hatte im Vorfeld behauptet, Ministerpräsident Winfried Kretschmann habe eine „Zerschlagung der Realschulen“ vor. Bei einem Informationsgespräch im Alten Rathaus stellten sich Sckerl und Kleinböck den Fragen von Gemeinderäten, Lehrern und Eltern, auch aus den umliegenden Gemeinden. Dabei betonten sie, dass die Unterrichtsform der Gemeinschaftsschule in vielen Realschulen bereits Praxis sei.
Von Lydia Dartsch
Die Entwicklung zu einer Gemeinschaftsschule sei freiwillig und zöge keine Benachteiligung für Realschulen nach sich, betonten Sckerl und Kleinböck. Auch fordere der Handwerkstag seit langem längeres gemeinsames Lernen. Sie hatten sich durch die Äußerungen des CDU-Abgeordneten Georg Wacker zu diesem Schritt genötigt gesehen:
Wir haben uns bewusst aus dem Moderationsprozess rausgehalten. Da ist kein Platz für Parteipolitik.
sagte Sckerl. Wacker hatte auf seiner Internetseite sowie in den Weinheimer Nachrichten verlautbart, die Landesregierung plane die Zerschlagung der Realschulen. Er behauptet weiter, das von der Landesregierung vorangetriebene Modell der Gemeinschaftsschule benachteilige Realschüler sowie deren Eltern und Lehrer. Der Wirtschaft würde durch dieses Schulmodell der qualifizierte Fachkräftenachwuchs entzogen.
Das ist eine wissentliche Falschaussage.
empörte sich Sckerl. Eine Schulreform von oben sei nicht beabsichtigt. Die Gemeinden und Bürger sollen selbst entscheiden, ob sie eine Gemeinschaftsschule wollen oder nicht. Sollten sie sich dafür entscheiden, Real- und Hauptschulen beizubehalten, erwachse den Schulen dadurch allerdings keine Nachteile.
Realschulen werden weiterhin gefördert wie bisher.
versicherte Sckerl. Die Empfehlungen aus dem Hemsbacher Moderationsprozess würden ernst genommen und soweit wie möglich umgesetzt.
Eine neue Unterrichtsform
Wie soll das funktionieren, wenn Schüler mit verschiedenen Lernniveaus in einer Klasse unterrichtet werden, ist eine zentrale Frage der Eltern und Lehrer. Seit 2011 würden dafür Fortbildungen für Lehrer angeboten, sagt Kleinböck. Dabei lernen sie eine neue Form des Unterrichts, in dem Schüler entsprechend ihrer individuellen Fähigkeiten gefördert würden.
Realschulen erfüllen bereits jetzt viele Voraussetzungen, die für eine Gemeinschaftsschule nötig sind:
Realschulen sind die geborenen Gemeinschaftsschulen.
betonte Kleinböck immer wieder.
Ein Experiment an Kindern sei das, wirft ein Zuhörer in die Diskussion ein. Dem sei nicht so, erklären Sckerl und Kleinböck: Die bereits bestehenden Gemeinschaftsschulen hätten diese Art des gemeinsamen Lernens schon vor längerem in die Praxis umgesetzt und festgestellt, dass es funktioniere. Deshalb habe man auch keinen Schulversuch mit diesem Modell unternehmen müssen.
Chance, den Schulstandort zu halten
Zudem würden Gemeinschaftsschulen immer beliebter bei Eltern und jungen Lehrern, die diese neue Unterrichtsform bereits in ihrer Ausbildung gelernt haben.
Viele junge Lehrer bewerben sich direkt bei Schulen in den ländlichen Gebieten, weil sie längst als Gemeinschaftsschule arbeiten.
sagte Kleinböck. Zudem sei dieses Schulmodell gerade in Gemeinden eine Chance, trotz sinkender Schülerzahlen ihren Schulstandort zu halten und alle Abschlüsse der weiterführenden Schulen anzubieten.
Wie der Abbau von Lehrerstellen dazu passe, wollte ein Besucher der Runde wissen. Schließlich müsse die Betreuung durch die Lehrer doch intensiver werden. Lehrer würden nicht entlassen, sagte Kleinböck. Jedoch würden nicht alle in Zukunft frei werdenden Lehrerstellen wieder besetzt. Bei weniger Schülern brauche man auch weniger Lehrer. Zudem würden die Lehrerdebutate für die Gemeinschaftsschulen um sechs Stunden pro Woche aufgestockt, um den größeren Betreuungsaufwand zu stemmen. Davon können die Schulen auch Hilfslehrer und Sozialarbeiter anstellen, so Kleinböck.
Abitur an G9 möglich
Am Ende müsse man überlegen, was das beste für die Kinder sei, gab er zu bedenken. So wünschten sich 80 Prozent der Eltern von Gymnasiasten eine Rückkehr zu G9, was in einer Gemeinschaftsschule möglich sei. Zudem seien an der IGMH 40 Prozent der Abiturienten mit einer Hauptschulempfehlung von der Grundschule gekommen.
Das muss uns zu denken geben.
sagte Kleinböck.
Wie es im Schulentwicklungsprozess in Hemsbach weiter geht, wird im März in einer Grundsatzentscheidung beschlossen. Bereits am 19. Dezember tritt die Bildungsplankommission für Baden-Württemberg zusammen. Rund 120 Anträge für Gemeinschaftsschulen aus dem gesamten Bundesland seien bereits eingegangen. Nun muss geprüft werden, ob die Standorte die Kriterien dafür erfüllen.
Die Debatte über die zukünftigen Schulformen wird überall im Wahlkreis Weinheim geführt – statt Parteipolemik sind pragmatische Lösungen angesagt, denn nur das bringt die Schulen und die Kinder weiter.