Rhein-Neckar, 03. Mai 2018. (red/pro) Heute ist der Tag der Pressefreiheit, etwas, das sehr viel wertvoller ist als die meisten Menschen glauben, wenn sie überhaupt je darüber nachgedacht haben. Presse- oder vielmehr Medienfreiheit ermöglicht die Verarbeitung öffentlich zugänglicher Informationen und deren Verbreitung, damit Menschen sich informieren und sich eine Meinung bilden können. In den meisten Ländern dieser Welt ist es um die Pressefreiheit schlecht oder sogar sehr schlecht bestellt und auch in Deutschland ist dieses Freiheitsrecht mindestens unter Druck.
Von Hardy Prothmann
Ich kann Ihnen wahrlich viel über Pressefreiheit unter Druck erzählen. Vergangene Woche war ich fünf Tage in Beirut: Auf Einladung der Deutschen Welle und der Maharat Foundation. „Fake News and Media Viability“ (Falschnachrichten und Medienüberlebensfähigkeit) war das Thema dieser zum zweiten Mal organisierten Konferenz, die dem gegenseitigen Austausch und der Vernetzung dienen soll.
Rund 80 Medienmacher aus 20 Ländern (die meisten aus arabischen Ländern und dem Nahen Osten, aber auch Aserbaidschan, Georgien, USA und südamerikanischen Ländern), viele Journalisten, aber auch Produzenten und andere in Medien tätige Menschen kamen hier aus aller Welt zusammen, um über viele Aspekte der Entwicklung der Nachrichtenwelt zu informieren und zu diskutieren. Mein Panel war „A „post-truth“ world?“
Warum nehme ich an so etwas teil? Aus zwei Gründen: Einerseits ganz egoistisch, weil ich hier viele neue Kontakte machen kann zu Kollegen, die mir Informationen aus ihren Ländern geben können, an die ich sonst nicht so einfach gelange. Der andere ist altruistisch – ich teile mein Wissen mit den Kollegen und die nehmen das begierig an. Einer aus Oman saß bereits im Gefängnis wegen seiner Arbeit. Nur zwei Tage, aber die reichten, um ihm klar zu machen, dass die Autoritäten im Land seine Arbeit nicht dulden. Ein anderer aus Jordanien betreibt eine Satireseite – Sie lesen richtig. Jede Satire über die Königsfamilie oder den Islam ist selbstverständlich nicht nur nicht gestattet, sondern könnte extreme Folgen haben.
Natürlich wollen viele Kontakte wissen, wie man als Journalist in Deutschland arbeiten kann. Wenn ich dazu Hintergründe erzähle, klingt das für die Meisten wie ein „Märchen aus 1001 Nacht“. Behörden die zur Auskunft verpflichtet sind? Kennen sie nicht. Geschützte redaktionelle Räumlichkeiten, Quellenschutz? Alles unbekannt.
Absolut harte Bedingungen
Was die Kollegen aber noch viel besser kennen als ich sind sehr, sehr harte Bedingungen. Entwickelte Werbemärkte gibt es nicht. Bis auf die jüngeren Menschen, die gebildet sind, interessiert sich kaum jemand für Nachrichten oder sogar Hintergründe, also gibt es auch so gut wie keine Abonnenten, die dafür zahlen. Viele haben noch einen anderen Job, leben von der Familie oder haben sehr viel Glück und werden durch irgendjemanden, meist ausländische Stiftungen, gefördert.
Eigentlich wollte ich die Gelegenheit nutzen und Flüchtlingslager besuchen. Davor wurde ich eindringlich gewarnt, weil dort keine staatliche Ordnung herrscht, insbesondere in Palästinenserlagern. Ohne Kontakte, die meist viel Geld kosten, kommt man da nicht rein. Oder vielleicht rein, aber nicht mehr wohlbehalten raus.
Bei einem Panel gab es einen Aufruhr, weil eine Podiumsteilnehmerin über die Kriegssituation in Syrien berichtete und andere ihr vorwarfen, regierungstreue Propaganda zu verbreiten. Die Debatte über „Fake News“ ist insbesondere in Krisengebieten sehr aktuell, denn bekanntlich stirbt im Krieg als erstes „die Wahrheit“.
Einige der Kollegen waren bereits in Europa oder auch in Deutschland oder haben das vor. Keiner erweckte den Anschein, auch dort leben zu wollen. Sie leben gerne in ihren Ländern, weil das ihre Heimat ist. Und sie setzen sich ein, diese zu verändern – und alle wissen, dass der 2011 begonnene „arabische Frühling“ noch lange Zeit brauchen wird, damit sich diese Ländern tatsächlich ändern – vor allem die Menschenrechte, aber auch die Trennung von Religion und Staat.
Man sollte es nicht meinen, aber auch dort gibt es große Debatten über Elektromobilität – nicht so sehr aus Umweltschutzgründen, wie das hierzulande der Fall ist, eher ganz pragmatisch aus Eigenschutzgründen, denn die Städte sind mit Autos verstopft, die Staus endlos und die Dunstglocken hängen über den Städten.
Beirut ist wie viele Städte im Nahen Osten im Umbruch. An der „Corniche“ der Strandpromenade machen viele Sport, die meisten joggen. Mal in absolut westlichem Outfit, mal mit bodenlangem Gewand und Kopftuch, mal in gemischten Gruppen. Die Frauen präsentieren sich teils schon ordinär freizügig, andere gucken durch ihren Sehschlitz und haben sogar Handschuhe an, um ja nichts von sich zu zeigen.
Man sieht so gut wie nirgends eine Zeitung – die meisten Nachrichten werden via Smartphone im Freundeskreis geteilt, es gibt sehr viele Websites, viele davon sind irgendwo auf der Welt gehostet, weil sie im Land sofort abgeschaltet würden. Viele müssen sich hinter Pseudonymen verstecken, damit sie keine Probleme bekommen.
In den meisten Ländern gibt es keine Pressefreiheit
So ist das mit der Pressefreiheit in den meisten Ländern dieser Welt. Es gibt sie nicht und wenn doch, ist sie kaum umsetzbar.
Wenn ich den Kollegen erzähle, mit welch hohem Aufwand ich teils recherchiere, staunen sie auch – weil sie von vielem noch nichts gehört haben. Wie auch, wenn es das nicht gibt im Land? Wer in Deutschland also über eine Pressefreiheit in Gefahr jammert, tut das bislang noch auf hohem Niveau.
Unser Mediensystem ist aber auch im Umbruch. Die Tageszeitungen haben seit Beginn der 90er Jahre weit mehr als die Hälfte der Auflage verloren, ARD und ZDF vergreisen zunehmend, was die Zuschauer angeht, neue Angebote wie auch Rheinneckarblog starten in einer Zeit der Krise. Die Aussichten auf Erfolg sind nicht eben rosig.
Das liegt an vielen Faktoren. Vor allem: Unternehmen denken, dass sie Medien immer weniger brauchen, kann man sich doch selbst per Website darstellen und beschäftigt für teuer Geld Werbeagenturen, die dann die gewünschten Inhalte produzieren. Und die Leserschaft meint, dass man Informationen umsonst bekommt. Das ist ein Trugschluss – Journalismus kostet Geld und ohne Geld gibt es keine guten journalistischen Informationen, außer, die Journalisten beuten sich selbst aus, was zunehmend der Fall ist.
Viele Medien, insbesondere die „etablierten“ sind mit an der Misere schuld, denn sie bezahlen ihre Mitarbeiter überwiegend mies. Deshalb ist das Berufsfeld immer unattraktiver. In den 90igern wollten viele „was mit Medien“ machen, das war schick und die Einkommensmöglichkeiten waren teils sehr, sehr lukrativ. Das ist vorbei.
Auch in Deutschland beklagen beispielsweise Politiker die Zustände in anderen Ländern – beispielsweise Polen, Ungarn oder der Türke. Die Solidaritätsnoten oder die Betonung der Bedeutung einer freien Medienlandschaft sind allerdings nichts als heiße Luft, wenn diese Leute sich im eigenen Land nicht dafür interessieren, ob und wie Medien weiterhin Journalisten beschäftigen können.
Streng wird es, wie aktuell mir vor einigen Wochen passiert, wegen einer unliebsamen Veröffentlichung versucht wird, meine Werbepartner unter Druck zu setzen, um meinem kleine Unternehmen wirtschaftlichen Schaden hinzuzufügen. Die meisten dieser Angriffe kamen übrigens aus dem „links-grünen“ Lager, was Bände über deren Heuchelei spricht.
Seit 2010 bin ich als regionaljournalistischer „Blogger“ (ich bin Journalist und für mich ist Blogger ein anderes Wort dafür) insgesamt 47 juristischen Verfahren ausgesetzt gewesen. Nur zwei Mal habe ich verloren, die jüngste Niederlage geht vermutlich in die nächste Instanz, das lasse ich gerade prüfen. Vermutlich halte ich damit deutschlandweit den Rekord.
Neu ist, ein Tatverdächtiger zu sein
Auch neu ist für mich, seit Ende März ein Tatverdächtiger zu sein. Die Staatsanwaltschaft Mannheim ermittelt gegen mich, weil ich unter anderem den öffentlichen Frieden gestört haben soll.
Sie können mir glauben, dass das nicht eben ein angenehmes Gefühl ist und Sie können mir glauben, dass das sogar massive Einschränkungen mit sich bringt. Mein Anwalt rät mir, gar nichts mehr in der Sache zu schreiben, weil alles gegen mich verwendet werden könnte. Mein Beruf ist Öffentlichkeit herzustellen und wenn ich das mache, bringe ich mich damit möglicherweise in Bedrängnis, weil die Staatsanwaltschaft Beweise gegen mich sucht und weil andere versuchen, mich wirtschaftlich unter Druck zu setzen.
Wie soll man da frei und unabhängig journalistisch arbeiten können? Zartere Gemüter bauen sich eine Schere im Kopf ein, die alles wegschneidet, was irgendein Problem erzeugen könnte. Unabhängiger Journalismus kann da nicht bei rauskommen. Dann wird man Systemjournalist, der schön brav berichtet, was nicht nur keine Probleme macht, sondern vielleicht sogar mit einer Werbeschaltung belohnt wird.
Wenn es soweit sein sollte, sag ich Ihnen Bescheid – denn dann beende ich meine journalistische Arbeit. Klar, man könnte sagen: Wer braucht schon das Rheinneckarblog? Gute Frage. Wer braucht schon Zeitungen, wer unabhängigen Journalismus? Erst, wenn es keine Pressefreiheit mehr gibt oder niemand, der sie ausübt, werden das sehr dringende und drängende Fragen werden. Doch alle Erfahrungen aus den vergangenen Jahren zeigen: Medien, die eingestellt wurden, sind weg. Die kommen nicht wieder. Das erzeugt eine zunehmende Monopolisierung, die am Ende von wenigen gesteuert wird.
Wer das will, beschäftigt weiter lieber Werbeagenturen, statt Werbeverträge zu machen und sucht kostenlos Informationen, statt Gebühren zu bezahlen.
Anm.: An diesen Konferenzen der Deutschen Welle Akademie mit anderen Partnern nehme ich seit 2010 teil – allesamt in der arabischen Welt. Das ist ein sehr herausragendes Engagement der Deutschen Welle, das mit sehr viel praktischen Inhalten, aber vor allem der Begegnung hilft, guten Journalismus voranzubringen. Die Veranstaltungen sind immer bestens organisiert. Man wird gut untergebracht und versorgt, trotzdem bleiben es Arbeitskonferenzen und das ist gut so. Besten Dank dafür!