Heidelberg, 03. Mai 2016. (red/cr) Da versucht man als Teenager cool zu sein – und dann kommen die peinlichen Eltern und machen alles kaputt. Das Gegenteil von hilfreich. Und das Gegenteil von Vorbild. „Der Mann aus Oklahoma“ eröffnete am Freitag mit irrwitzigen Dialogen und großen Fragen das Theaterfestival „Heidelberger Stückemarkt“.
Von Christin Rudolph
Die Erwachsenen sind alle verrückt. Und Fred, 13 Jahre alt, also mitten in der Pubertät und daher eigentlich mit ganz anderen Dingen beschäftigt, muss sich mit ihnen herumschlagen.
Die Lehrerin droht, ihn durchfallen zu lassen, wenn er seinen Vater nicht bei dem Kurs „Vater – du Idol“ vorstellt. Zuhause trifft er auf seine Mutter. Die hat aber kaum Zeit – denn sie ist mit sich selbst beschäftigt. Und der Vater – verschwunden.

Freds Mutter (Nicole Averkamp) findet schnell Ersatz. Der spielt sich als Kumpel auf, in Wirklichkeit wäre er Fred aber lieber los. Foto: Annemone Taake
Aber Fred scheint der einzige zu sein, der sich wirklich um das plötzliche Verschwinden kümmert:
Wir müssen die Polizei rufen!
Seine Mutter liest ihm genervt einen Zettel vor: „‚Sucht nicht nach mir‘, ist doch ganz klar.“
Wenn er gewollt hätte, das wir die Polizei rufen, hätte er geschrieben „Ruft die Polizei“.
Und im nächsten Moment steht auch schon der Ersatz-Vater in der Tür. Braungebrannt, sportlich und ein viel zu breites Grinsen mit viel zu weißen Zähnen. Der „Personal Trainer“ seiner Mutter übt mit ihr vor allem Bett-Sport. Für Freds desillusionierte Mutter eine willkommene Ablenkung.
Ich habe schon lange keine Ansprüche mehr.

Melchior (Steffen Gangloff) kann es seiner Tochter Astrid (Sheila Eckhardt) nicht recht machen und ist ganz schön uncool. Foto: Annemone Taake
Als wäre so eine egozentrische Mutter nicht genug. Da ist noch Freds Klassenkameradin Astrid. Die hat natürlich gar kein Interesse an ihm und er natürlich auch nicht an ihr.
Aber einfach so ganz prinzipiell zu wissen, ob der andere gerade verliebt ist und in wen kann ja nicht schaden.
Ratloser Vater
Außerdem ist Astrid eine Leidensgenossin – denn auch sie hat keinen vorzeigbaren Vater. Der ehemalige Ringer hat seinen Zenit lange überschritten und schafft es vor der Schulklasse nicht einmal mehr, das Lehrbuch für französische Grammatik zu zerreißen.

Jeder Schauspieler verkörpert zwei Rollen; Sheila Eckhardt sowohl Astrid als auch die Blondine, die Fred in seinen Tagträumen trifft. Foto: Annemone Taake
Als es ihm etwas später dann doch noch gelingt und er es seiner beschämten Tochter zeigt, ist das wieder nicht richtig – wie soll sie denn jetzt die blöde französische Grammatik lernen?
Dass er immer knapp bei Kasse ist und einen hellblauen Fiat fährt, macht ihr Leben auch nicht einfacher.
Detektiv Ray ist zur Stelle
Fred entflieht dem Wahnsinn nur in seiner Traumwelt. Dann ist er der abgebrühte und um sich schießende Detektiv und Frauenheld Ray. Immer einen coolen Spruch auf den Lippen, liegt ihm eine hübsche Blondine zu Füßen – die zufälligerweise eine verblüffende Ähnlichkeit zu Astrid hat…
In der Realität kann sich Fred nur auf Altersgenossen verlassen. Chris ist zwar reich und verzogen – die Chance auf ein Abenteuer, das seine Coolness steigern könnte, lässt er sich jedoch nicht entgehen.
Rettungsaktion wird romantisch
Schnell entwickeln sie zusammen eine absurde Verschwörungstheorie, derzufolge Freds Vater in der Villa, in der Chris wohnt, gefangen gehalten wird.
Da laufen kranke Experimente!
Astrid und Fred durchsuchen also das Haus. Natürlich nachts. Sie finden keinen Vater, aber DVDs, einen Swimming-Pool und Alkohol. Nach ein paar „Whiskey-Wodka“ glaubt Fred dann doch, seinen Vater am Fenster erkannt zu haben.

Für Astrid (Sheila Eckhardt) und Fred (Fabian Oehl) ist alles nach ein paar Gläsern weniger peinlich. Foto Annemone Taake
Er klettert auf einen Baum und wird, wie könnte es anders sein, prompt vom Blitz getroffen. Beim Aufwachen schlägt ihm die harte Realität in Form seiner empathielosen Mutter entgegen. Auf die klischeehafte Frage nach dem Aufwachen aus der Ohnmacht „Wo bin ich?“ antwortet seine Mutter schlagfertig:
In der Hölle. Wo wir alle sind.
Sehnsucht nach dem Neuanfang
Beim Zusammentreffen der Welten von Eltern und ihren Kindern entstehen nicht nur witzige Dialoge. Es erzählt von Menschen, die nicht wissen, ob sie noch auf der Suche oder schon gescheitert sind.
Ein Vater, der sich wünscht, dass seine Tochter es einmal besser hat als er, denn „das Leben ist nicht fair.“ Eine Mutter, die die Geburt ihres Sohnes als „etwas Schreckliches“ empfindet und bereut.

Die Bühne spiegelt die Gefühlswelt eines 13-Jährigen wider – man weiß nicht, wo oben und unten ist. Hier Chris (Florian Mania) und Fred (Fabian Oehl); Foto: Annemone Taake
Wer der Mann aus Oklahoma ist? Jede Figur sucht ihren persönlichen Mann aus Oklahoma, ob das ein Freund ist, auf den man sich verlassen kann oder eine starke Vaterfigur. Oder ein Neuanfang weit, weit weg. Wo man nicht pünktlich zum Abendessen wieder zurück sein muss. Doch sind sie möglicherweise auf der Jagd nach Phantomen?
Zumindest Fred und Astrid finden in einer kitschigen Schlussszene zueinander und so vielleicht eigene Rollen im Leben.
Ein Stück über Suche und Neuanfang also, das am Freitagabend den alljährlichen Heidelberger Stückemarkt eröffnete. Der Stückemarkt soll ein Marktplatz sein für neue Theaterstücke. Dazu werden neben deutschen Theatern auch die eines Gastlandes eingeladen, in diesem Jahr Belgien.
Um neue Stücke zu fördern, werden unter anderem ein nationaler und ein internationaler „AutorenPreis“ für Stücke vergeben, die noch nicht uraufgeführt wurden.
Dem Festival treu
Lukas Linders „Der Mann aus Oklahoma“ gewann diesen Autorenpreis im vergangenen Jahr. Erstmals aufgeführt wurde das Stück ebenfalls 2015 bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen durch das Schauspiel Leipzig und erhielt den Kleist-Förderpreis.
In Heidelberg erlebte es seine Zweitaufführung. Im Gegensatz zu den Gastspielen, die der Heidelberger Stückemarkt bietet, wird es über das Festival hinaus mehrmals aufgeführt. Weitere Vorstellungen: 16., 17., 24. und 25. Mai, 2., 4. und 5. Juni. Der Heidelberger Stückemarkt dauert noch bis zum 08. Mai.