Mannheim/Rhein-Neckar, 03. November 2017. (red/pm/pro) Die MVV Energie AG investiert rund 100 Millionen Euro in den Kraftwerksstandort Friesenheimer Insel im Norden der Stadt. Rund 60 Millionen Euro fließen in den Ausbau von Fernwärmeproduktion und den Ausbau des Leitungsnetzes sowie die Anbindung an das bestehende Netz. 30 Millionen Euro werden in ein innovatives Phosphorrecycling aus Klärschlamm investiert, weitere zehn Millionen Euro in die Digitalisierung der Leitwarte sowie weitere Projektkosten.
Hauptziel der Investition ist die Einbindung des Heizkraftwerks in das bestehende Fernwärmenetz in Mannheim. Damit wird künftig Wärme aus der thermischen Abfallverwertung nicht nur für die Dampfversorgung der benachbarten Industrie, sondern auch für die Fernwärmeversorgung, die neben der Quadratestadt auch bis in die Nachbarstädte Heidelberg, Schwetzingen, und Speyer reicht. Ketsch und Brühl sollen ebenfalls ausgebaut werden. Neu ist ein landesweit bislang einzigartiges Verfahren zur Phosphor-Rückgewinnung aus Klärschlamm.
Damit entwickeln wir unseren Standort im Mannheimer Norden zu einem Baustein der Energiewende und einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft für die Stadt und die Metropolregion Rhein-Neckar weiter. Wir setzen konsequent auf Nachhaltigkeit und verbinden die Energiegewinnung mit der sicheren und umweltfreundlichen Verwertung von Abfallstoffen. Das ist kein Müll, sondern ein wertvoller Rohstoff,
sagte Dr. Hansjörg Roll, Technikvorstand der MVV Energie AG, heut im Rahmen einer Pressekonferenz.
Das Transportnetz wird von der Friesenheimer Insel unterirdisch verlegt und quert in einem begehbaren Tunnel zwölf Meter unter dem Flussbett den Altrhein. Die neue Leitung erstreckt sich auf 3,1 Kilometern, davon 400 Meter als „Düker“ unter dem Altrhein. Die Einspeisung ins Netz erfolgt im Bereich des Mercedes-Benz-Parkplatzes an eine dort bestehende Leitung.
Im Heizkraftwerk werden jährlich rund 700.000 Tonnen Müll verbrannt. Bislang wird nur Ferndampf (Prozessdampf) für dortige Industrie- und Gewerbebetriebe geliefert. Beim Kunden Roche Diagnostics GmbH wird künftig der komplette Bedarf an Wärme wie auch Prozessdampf geliefert.
In Spitzenzeiten gibt es einen Wärmeleistungsbedarf von 900 Megawatt. 150 Megawatt (16,6 Prozent) kann künftig das Heizkraftwerk auf der Friesenheimer Insel abdecken. Zum Vergleich: Block 9 erreicht bis 500 Megawatt. Positiver Effekt: Das Großkraftwerk kann künftig flexibler gefahren werden, was im schwankenden Strommarkt eine Überproduktion von Strom vermeidet.
Wann der Return of Investment erreicht sein soll, wurde auf Nachfrage nicht mitgeteilt, nur so viel: „Die Investition lohnt sich, sonst würden wir sie nicht machen.“
Fernwärme wird noch klimafreundlicher
Die Anbindung des Kraftwerksstandortes an das Mannheimer Fernwärmenetz sorge gleichzeitig für eine zukunftsorientierte Verbesserung der Klimabilanz der heute schon umweltfreundlichen Fernwärme.
Wir ergänzen die hoch effiziente Erzeugung der Fernwärme in Kraft-Wärme-Kopplung mit Wärme aus Abfall. Wir machen damit unsere Fernwärme in Mannheim und der Region erneuerbarer,
sagte Dr. Joachim Manns, Geschäftsführer der MVV Umwelt.
Dies habe Auswirkungen auf den sogenannten Primärenergiefaktor (PEF) bei der Fernwärme. Diese Kennziffer sinke von heute 0,65 um rund ein Drittel auf dann nur noch 0,42. Der Effekt: Damit könnten Eigentümer privater und öffentlicher Gebäude, die mit Fernwärme beheizt werden, die gesetzlichen Anforderungen des Klimaschutzes leichter erfüllen. Ohne zusätzliche Dämmmaßnahmen im Neubau oder der Sanierung erreiche die Fernwärme mit dem künftigen PEF-Wert die Vorgaben nach KfW 55 – als einem Verbrauch von nur 55 Prozent gegenüber einem Referenzhaus. Die spezifischen CO2-Emissionen verringerten sich um knapp 20 Prozent.
In einem durchschnittlichen Einfamilienhaus können damit Kosten für Dämmung und Wärmerückgewinnung in einer Größenordnung von bis zu 20.000 Euro eingespart werden,
sagte Dr. Manns.
Allein in Mannheim sind derzeit mehr als 60 Prozent aller Gebäude an die umweltfreundliche Fernwärme angeschlossen. Die neue Einspeisung gebe zudem zusätzliche Sicherheit für die Versorgung mit Fernwärme im gesamten Netzgebiet.
Mit der Fernwärme-Anbindung steige auch die Energieeffizienz des Heizkraftwerks der MVV Umwelt weiter. Bereits im vergangenen Jahr sei die MVV Umwelt in die Liste der 100 ressourceneffizientesten Unternehmen in Baden-Württemberg aufgenommen worden. Mit der Investition erreiche man die physikalische Grenze der abschöpfbaren Energie. Am Standort Friesenheimer Insel sind rund 100 Mitarbeiter beschäftigt, 10-15 neue Stellen würden neu geschaffen.
Der Ausbau der Digitalisierung solle die äußerst komplexe Steuerung über „Big Data“ effizienter machen.
Innovatives Phosphorrecyling
Künftig wird am Standort auf der Friesenheimer Insel aus Klärschlamm der darin enthaltene Phosphor zurückgewonnen – man rechnet hier mit rund 1.000 Tonnen. Zum Vergleich: In Baden-Württemberg beträgt der jährliche Bedarf des Düngegrundstoffs rund 12.000 Tonnen. Bisher war Klärschlamm in Deutschland entweder in der Landwirtschaft auf die Felder aufgebracht worden, was aufgrund der darin enthaltenen Schadstoffe zu Belastung von Böden und Trinkwasser führte oder in Kraftwerken mitverbrannt.
Die MVV legt die Anlage auf 135.000 Tonnen aus. Klärschlamm ist ein Abfallprodukt der Wasseraufbereitung, vor allem aus kommunalen Kläranlagen. Die Entsorgung und Verwertung erfolgt über öffentliche Ausschreibungen.
Durch das Recycling könnten bei vollständiger Verwertung aller Klärschlämme rund 50 Prozent des Bedarfs im Südwesten abgedeckt werden. Deutschland verfügt über keine Phosphorvorkommen und muss diesen importieren.
Mit der neuartigen Behandlung des Klärschlamms in Drehrohröfen, die in das vorhandene Kraftwerk integriert werden, kann künftig das enthaltene Phosphor recycelt und Schadstoffe sicher und umweltfreundlich getrennt entsorgt werden.
Phosphor ist vor allem für die Herstellung von Dünger unverzichtbar. Das Recycling dient daher direkt der Schonung der natürlichen Vorkommen. Das Phosphorrecycling wird auch von Bundes- und Landesregierung als wichtige Zukunftsaufgabe angestrebt,
sagte Holger Franke, Leiter Geschäftsentwicklung bei MVV Umwelt. Man sei hier mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe im Gespräch, um Fördergelder zu erhalten. In welcher Höhe, sei offen.
Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für das Vorhaben lädt das Unternehmen alle Interessierten zu einer Informationsveranstaltung am Freitag, 10. November 2017, 18.00 Uhr, in seinem Infocenter auf der Friesenheimer Insel, Ölhafenstraße 10, ein. Um Anmeldung wird gebeten unter der E-Mail-Adresse kontakt@mvv.de.