Mannheim/Rhein-Neckar, 02. Februar 2017. (red/momo) Das Problem des “Schwarzfahrens” ist nicht neu. Die rnv-Fahrscheinkontrolleure müssen aber mehr können, als nur Tickets zu überprüfen – sie müssen Kommunikationsprofis sein. Immer freundlich und manchmal auch bestimmt. Das Rheinneckarblog begleitete ein Team in der Straßenbahn bei einer Kontrollrunde.
Von Moritz Bayer
Guten Abend, wir hätten gerne einmal die Fahrscheine gesehen.
Der Ton ist freundlich, aber unmissverständlich. Jasmin Joshi, Sicherheitsbeauftragte bei der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (rnv), kündigt kurz nach dem Einstieg an der Haltestelle Käfertal Bahnhof an, was viele “Schwarzfahrer” fürchten: Die Fahrkartenkontrolle. Frau Joshi und ihre zwei Kolleginnen beginnen in zügigem Tempo, sämtliche Insassen der Straßenbahnlinie 5 auf gültige Fahrscheine zu überprüfen. Wenn sie flott sind, schaffen sie eine normal besetzte Bahn in zwei Minuten.
Wer keinen Fahrschein hat, ist für die erfahrenen Kontrolldamen meist bereits vor dem Ansprechen ersichtlich: Wenn ein Fahrgast bereits beim Eintreten der Kontrolleure unruhig wird, schnell zum Entwertungsautomaten geht oder den Weg Richtung Ausgang einschlägt, ist das meist ein Anzeichen für einen Schwarzfahrer.
Wird jemand ohne Ticket erwischt, werden die Daten erfasst und es gibt ein “erhöhtes Beförderungsentgelt” von 60 Euro. Hat jemand keine Papiere dabei, wird die Polizei gerufen. Die ist heute mit dabei – zwei Beamte und eine Beamtin. Jeder Polizist begleitet eine Kontrolleurin. Da gibt es wenig Ärger und die erwischten Fahrgäste kooperieren:
Wir sind sehr froh über die Begleitung der Polizei und tauschen uns auch sehr intensiv aus – denn die rnv möchte einen guten Service bieten und die Polizei will Sicherheit im öffentlichen Raum.
Heute kommen viele Fahrgäste ohne Fahrschein nochmal davon, denn der Schwerpunkt liegt auf der Präsenz der Mitarbeiter und der Kundenansprache – nicht auf möglichst vielen Treffern, was das “Erschleichen von Leistung”angeht, wie der Straftatbestand heißt.
Da die Damen nur zu dritt sind und lediglich von einer Seite des Fahrzeugs zur anderen vorgehen, entwischen einige “Schwarzfahrer”, indem sie an das andere Ende des Fahrzeugs laufen und bei der nächsten Haltestelle das Weite suchen. Klar könnten die Polizisten einschreiten, aber dann ginge es ab aufs Revier zur “Behandlung”. Die Folge: Die Beamten wären für diese Zeit nicht mehr in der Bahn.
Spätestens beim dritten Mal wird angezeigt
Bei einer Schwerpunktkontrolle wären Fahrgäste ohne Ticket chancenlos gewesen: Dann stehen an einer Haltestelle nämlich pro Tür mehrere – von Polizeibeamten unterstützte – Kontrolleure, die erst alle aussteigenden Personen und danach alle Fahrgäste durchchecken. Wer erwischt wird, wird von weiteren Beamten abtransportiert.
Die erschlichene Leistung wird dann als Straftat auch zur Anzeige gebracht. Bei “alltäglichen Kontrollen” zeigt sich die rnv äußert kulant: Zwar kostet das Schwarzfahren jedes Mal 60 Euro – aber die ersten beiden Male gibt es noch keine Anzeige. Erst beim dritten Mal gibt es dann kein Pardon mehr. Dann drohen zum “erhöhten Entgelt” noch Gerichtskosten.
Heute wird das Team von Frau Joshi von drei Polizeibeamten des Polizeireviers Käfertal begleitet. Die Augen der Beamten wandern über die Fahrgäste. Die Polizisten verhalten sich sehr ruhig und zurückhaltend – sind aber hellwach. Untereinander kommunizieren sie teils durch Gesten oder Mimik. Profis eben.
Die Präsenz der Schutzpolizei hilft – ohne Polizei gibt es deutlich häufiger “Ärger”:
Obwohl wir natürlich immer versuchen, deeskalierend zu wirken und das Gespräch suchen, müssen wir auf der Hut sein. Heutzutage geht es schnell mal ab,
erzählt eine der Kontrolleurinnen. Dafür sind die Mitarbeiter auch durch Deeskalationstrainings geschult. Auf die Frage, wer die meisten Probleme macht, gibt es eine überraschende Antwort.
Man sollte meinen, dass Männer schlimm sind, aber die haben oft zumindest vor uns weiblichen Kontrolleuren noch eine Hemmschwelle. Frauen hingegen, vor allem junge, die schlagen, beißen, kratzen und spucken manchmal direkt los.
Heute gibt es keine großen Probleme und Jasmin Joshi nutzt die Gelegenheit, mit einigen weiblichen Fahrgästen zu sprechen. Immer wieder gibt es Beschwerden über mangelnde Sicherheit innerhalb der Busse und Bahnen. Die rnv nimmt das sehr ernst und Frau Joshi zapft sozusagen die Quellen an – die Kunden.
Meinungen der Kunden sind wichtig
Sicherheitschefin Joshi spricht gezielt Frauen an, die sie für regelmäßige Nutzer der rnv hält. Ihre 100-prozentige Trefferquote spricht Bände über ihre Erfahrung und Kompetenz. Sie plaudert ganz ungezwungen, sehr zuvorkommend, zugewandt und höflich mit den Leuten. Gerne macht sie auch einen Scherz – ihre fröhliche Ausstrahlung bringt sie ganz schnell ins Gespräch mit den Fahrgästen. Sie fragt eine Mutter mit zwei Kindern, ob sie denn schon einmal “blöd angemacht” oder gar bedroht worden sei?
Nein, wirkliche Probleme habe ich noch nie gehabt. Je nach Uhrzeit und Ort ist es voller und der Ton auch schonmal rauer, aber ich lasse mich auch gar nicht anquatschen, oder gebe eben zur Not eine passende Antwort und gut ist. Ich finde es trotzdem gut, dass Sie hier vor Ort sind und kontrollieren,
sagt die junge Frau. Die direkte Ansprache kommt gut an bei den Fahrgästen – insgesamt sind alle Rückmeldungen positiv.
Eine etwa 70 Jahre alte Frau findet die Kontrollen gut und sagt lächelnd:
Kontrollieren Sie ruhig häufiger, das ist das erste Mal seit langer Zeit, dass ich mein Ticket zeigen muss.
Der Kontrollgang ist also viel mehr – nämlich Kundenkontakt und Kundenumfrage. Wie zufrieden sind die Kunden? Gibt es etwas zu bemängeln? Verbesserungsvorschläge? Das ist Service von Menschen für Menschen und nicht einfach nur der Versuch, über ein “erhöhtes Beförderungsentgelt” Kasse zu machen. Darum geht es nicht. Das “Produkt Transportleistung” rnv wird zwar von vielen Menschen gemacht – aber häufig ohne Kundenkontakt. Man kauft sein Ticket, steigt in die Bahn und wieder aus. Durch die Präsenz in Unternehmenskleidung und die Ansprache gleicht sich dieses Defizit etwas aus.
Kontrollieren und informieren
Das rnv-Team informiert geduldig über alle möglichen Fragen und Unklarheiten. Ein älterer Herr zeigt sein Smartphone vor – er hat die neue “eTarif-App” installiert. Kommt aber noch nicht so ganz damit zurecht:
Ich finde das praktisch, die App ist aber neu für mich und noch nicht so vertraut.
Kein Problem – eine Kontrolleurin hilft ihm freundlich und kompetent.
Einer Ausländerin wird auf dem Rückweg von Viernheim beim Aussteigen in Käfertal der Fahrkartenautomat sowie der Weg in die Mannheimer Innenstadt erklärt – nicht in perfektem Englisch, aber doch so, dass der Kundin gut geholfen wird.
Ein junger dunkelhäutiger Fahrgast gibt vor, seine Papiere in der Unterkunft gelassen zu haben und nutzt den nächsten Halt, um zu entwischen. Für heute hat er “Glück” – denn er ist verpflichtet, die Papiere mit sich zu führen. Und eigentlich hat er damit automatisch einen Fahrschein, denn der wird eingestempelt. Wäre es keine “Kontrolle zur Veranschaulichung” und wären genug Kontrolleure und Polizeibeamte vor Ort gewesen, hätte er mit aufs Revier gemusst. Da hätte ihn dann noch eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz erwartet.
Wichtig ist das Augenmaß. Wir achten insgesamt darauf, dass alle einen gültigen Fahrschein oder ein Ticket haben. Klar kann es auch mal einen Ausnahmefall geben,
sagt eine der Kontrolleurinnen. Ausreden gibt es viele, was wäre ein Ausnahmefall?
Einmal kontrollierte ich einen Mann, der auf dem Weg zum Kreissaal war. Als ich den genervten Arzt, der eigentlich gleich das Baby entbinden wollte, ans Telefon bekam, habe ich den aufgeregten Mann natürlich weiterfahren lassen. Einmal gab eine Frau vor, ihr Kind habe das gültige Ticket gegessen – das hab ich dann mal geglaubt.
Dass Frau Joshi bei Bedarf ganz anders kann, bekommen zwei junge Männer mit vorhandenen, aber nicht abgestempelten Karten zu spüren. Kurz bevor sie kontrolliert werden, versuchen sie noch abzustempeln. Frau Joshi macht einen Ausfallschritt nach vorne und steht vor dem Stempelautomaten:
Was soll das? Ihr wisst ganz genau, dass ihr mit Betreten der Bahn stempeln müsst. Damit das klar ist: Ich merke mir eure Gesichter. Nächstes Mal seid ihr fällig. Und jetzt ab zum Stempeln,
der Blick von Frau Joshi ist jetzt nicht mehr freundlich, sondern sehr konzentriert. Und ihr Zeigefinger unterstreicht, dass sie sich über die beiden ärgert. Die stempeln ab und setzen sich sichtlich beeindruckt hin. Die Ansage ist angekommen. Leider ist das nicht immer der Fall:
Die “Hardliner” bekommen wir durch vereinzelte Kontrollen niemals dazu, sich Fahrkarten zu kaufen. Die würden wir morgen an gleicher Stelle wieder treffen. Hier geht es eher darum, im Rahmen unserer Möglichkeiten denen ein wenig die Suppe zu versalzen, die schwarz fahren. Allen anderen unserer Kunden wollen wir ein angenehmes und sicheres Gefühl vermitteln.
Der Job der Kontrolleurinnen ist anspruchsvoll und eben mehr als eine Fahrkartenkontrolle. Sorgen macht sich Frau Joshi als Sicherheitsbeauftragte über ein Phänomen, das immer häufiger vorkommt:
Die Bereitschaft, uns oder Schaffner anzugehen, ist klar gestiegen. Ich habe schon Kontrollen erlebt, bei denen es fast eskaliert ist. Sind Polizeibeamte dabei, hilft das meistens, aber nicht immer. Es kommt beispielsweise öfter vor, dass sich Fahrgäste mit Schwarzfahrern solidarisieren – warum auch immer.
Damit verweist sie auf ein Problem, über das wir schon häufiger berichtet haben – die zunehmende Gewalt gegen Polizeibeamte. Nicht nur gegen die Polizei, auch gegen andere Beamte und Mitarbeiter öffentlicher Einrichtungen.