Südwesten, 02. März 2017. (red/pro) Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) gilt als seriöse Nachrichtenquelle – überwiegend. Auch dort passieren Fehler. Nur peinlich, wenn man sich vor den Karren der Politik spannen lässt, um gegen die AfD zu wettern. Aktuell präsentiert man Zahlen, die zeigen sollen, dass die AfD laut dem Parlamentarischen Geschäftsführer Hans-Ulrich Sckerl (Grüne) „Sand im Getriebe der Demokratie“ sei und „kein demokratischer Wettbewerber“. Ein Gegencheck zeigt, dass Herr Sckerl vermutlich bewusst falsch polemisiert und die dpa ihm auf den Leim geht.
Von Hardy Prothmann
Die AfD hat in der laufenden Legislaturperiode mit Abstand die häufigsten Anfragen gestellt und zieht damit Unmut auf sich,
schreibt die dpa in einer Meldung von heute. Und dokumentiert, dass die AfD seit Beginn der Legislatur am 01. Mai 2016 bis zum 01. März 2017 insgesamt 269 Kleine Anfragen gestellt habe. Bei den anderen Parteien seien die Zahlen wie folgt: FDP (133 Kleine Anfragen), CDU (87), SPD (85) und die Grünen (19).
So weit, so richtig.
Laut dpa bezeichnet der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Hans-Ulrich Sckerl, die hohe Zahl der Kleinen Anfragen durch die AfD als „Kampfinstrument“. Zitat aus der dpa-Meldung:
Die Fraktion klaue Anfragen aus anderen Bundesländern und stelle Fragen, deren Antworten längst öffentlich zugänglich seien. Für die Grünen stehe fest: Die AfD sei kein demokratischer Wettbewerber, sondern verstehe sich vielmehr als „Sand im Getriebe der Demokratie“.
Diese Aussage ist äußerst erstaunlich und man darf durchaus am demokratischen Verständnis des Herrn Sckerl zweifeln. „Kleine Anfragen“ sind ein Auskunftsinstrument für die Abgeordneten gegenüber der Regierung. Sie dürfen höchstens zehn Fragen umfassen und eine knappe Begründung. Sie sollen innerhalb von drei Wochen beantwortet sein, sonst kommen die Fragen ins Plenum.
„Wir arbeiten fleißig und haben viel Informationsbedarf“, sagte Fraktionschef Prof. Dr. Jörg Meuthen laut dpa.
Typischerweise haben Oppositionsparteien immer einen höheren Anfragenbedarf an die Regierung als die Regierungsparteien. Und noch mehr, wenn sie noch „frisch“ im Parlament sind.
Der aktuelle Vergleich der Zahlen zeigt klar auf, dass die mit Abstand meisten „Kleinen Anfragen“ in den ersten elf Monaten der 16. Wahlperiode von der AfD stammen.
Schaut man sich allerdings die ersten elf Monate der 14. Wahlperiode vom 01. Juni 2006 bis zum 01. April 2007 an, wird es interessant: Die Grünen in der Opposition hatten damals 70 Kleine Anfragen gestellt. Ok, das sind viel weniger als aktuell von der AfD. Weiter unten wird es spannend.
Folgt man der Einschätzung des Herrn Sckerl, wäre damals allerdings die SPD drauf und dran gewesen, einen veritablen Getriebeschaden zu verursachen: Die SPD stellte in diesem Zeitraum 289 Kleine Anfragen, also nochmals deutlich mehr als die AfD. Ist die SPD also „kein demokratischer Wettbewerber“ gewesen? Hat die SPD die Anfragen damals als „Kampfinstrument“ gegen die CDU/FDP-Regierung eingesetzt?
Und auch ein anderer Vergleich lohnt sich. Die AfD hat laut Parlamentsdokumentation bislang insgesamt 56 Anträge gestellt. Anträge sind häufig deutlich umfassender als „Kleine Anfragen“ und kommen in der Regel in die Ausschüsse zur Behandlung – sprich, Anträge machen deutlich mehr Arbeit als die Beantwortung von Kleinen Anfragen. Bündnis90/Die Grünen hatten in den elf Monaten der 14. Wahlperiode aber 183 Anträge gestellt, also mehr als das Dreifache der AfD aktuell mit 56 Anträgen. (Hinweis: Hier finden Sie die Geschäftsordnung des Landtags, §61 beschreibt Kleine Anfragen.)
Was Herr Sckerl wohl damals geantwortet hätte, wenn man den Grünen vorgeworfen hätte, sie seien „Sand im Getriebe der Demokratie“? Herr Sckerl streut den Menschen Sand in die Augen – mittels des treuen Helferleins dpa. Herr Sckerl hat übrigens in dieser Wahlperiode weder eine Kleine Anfrage noch einen Antrag gestellt – warum wohl? Hat er keine Fragen an die Regierung? Ist er beispielsweise mit der Abschiebepolitik der Regierung einverstanden oder nicht? Weshalb hat er dazu keine Fragen und stellt dazu keine Anträge? Weil er nicht mehr Opposition, sondern Opportunist ist?
Wie demokratieschädlich solche Täuschungsmanöver und die mediale Verbreitung sind, überlassen wir der Meinung unserer Leserschaft.
Anm. d. Red.: Besten Dank an einen Leser für den Hinweis. Wie das Beispiel zeigt, konnten wir mit einer kurzen quantitativen Recherche nachweisen, dass die dpa zwar korrekte Zahlen übermittelt, aber durch fehlende Einordnung ein unvollständiges Bild übermittelt. Das ist mindestens Pseudo-News auf dem Weg zu Fake News.
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