Heidelberg/Rhein-Neckar, 02. Oktober 2012. (red/pm) Die rechtsextreme NPD darf am morgigen Mittwoch, 03. Oktober 2012, eine kurzfristig angemeldete Kundgebung abhalten. Die Stadt Heidelberg hatte die Veranstaltung aus Sicherheitsgründen verboten, das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat das Verbot am Abend im Eilverfahren aufgehoben.
Von Hardy Prothmann
Die Strategie der NPD geht auf. In diesem Jahr wurden bereits eine Kundgebung in Ludwigshafen und zwei in Mannheim abgehalten. Jeweils unter Einsatz starker Polizeikräfte. Da es keine Vorfälle gegeben hat, die die öffentliche Ordnung stören könnten, kann sich die rechtsextreme Partei auf die Demonstrationsfreiheit berufen, wie aktuell die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe gezeigt hat. Ein Einspruch der Stadt Heidelberg vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim scheint sinnlos, da dieser eine Bestätigung des Verwaltungsgerichts zum Demonstrationsverbots am 01. Mai in Mannheim aufgehoben hatte.
Der NPD-Landesverband hat die aktuelle Kundgebung am Tag der Deutschen Einheit unter dem Mottto „Deutschland einig Vaterland – In Gedenken an Kurfürst Otto von Bismarck“ angemeldet.
Das Verwaltungsgericht zitiert in seiner Entscheidung die Verbotsbegründung der Stadt Heidelberg:
„s sei zum einen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit massiven Konflikten und Ausschreitungen zu rechnen, durch die Versammlungsteilnehmer und unbeteiligte Dritte verletzt werden könnten. Zum andern würde es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch die Veranstaltung selbst beziehungsweise aus ihr heraus zu Straftaten wie Volksverhetzung und Verunglimpfung von Verfassungsorganen kommen.“
Dem ist das Gericht nicht gefolgt und hat entschieden:
Mit seinem gegen die Verbotsverfügung beim Verwaltungsgericht eingereichten Eilantrag hatte der NPD-Landesverband geltend gemacht, die strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Verbot einer Versammlung lägen nicht vor. Dem ist die Kammer in ihrem heutigen Beschluss im Ergebnis gefolgt und hat ausgeführt: Da die Versammlungsfreiheit, ähnlich wie die Meinungsfreiheit, für die Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen und für die demokratische Ordnung grundlegende Bedeutung besitze und Verbot und Auflösung einer Versammlung die intensivsten Eingriffe in das Grundrecht darstellten, seien sie an strenge Voraussetzungen gebunden und dürften nur ausgesprochen werden, wenn dies zum Schutz gleichwertiger Rechtsgüter notwendig sei und wenn eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung abgewendet werden müsse.
Die Polizei bereitet sich seit Montagvormittag, als man dort von der geplanten NPD-Veranstaltung erfahren hatte, auf einen Großeinsatz vor. Allerdings war bis zum frühen Abend nicht klar, ob die Veranstaltung stattfindet oder nicht. Polizeisprecher Harald Kurzer sagte auf Nachfrage:
Wir bereiten uns auf den Einsatz vor, ob er stattfindet oder nicht.
In Mannheim waren 1.200 Beamte im Einsatz, um 300 NPD-Anhänger von rund 2.500 Gegendemonstranten großräumig zu trennen. Dank des massiven Personaleinsatzes verlief die Veranstaltung friedlich. Rund 2.000 Demonstranten versperrten die geplante Wegstrecke, so dass die Veranstaltung abgebrochen werden musste.
Die Strategie der Gegendemonstranten wird in Heidelberg ähnlich sein. Vermutlich wird man versuchen, vor dem Bahnhof einen Kessel zu bilden, sodass die angemeldeten 100 NPD-Anhänger ihren „Marsch“ überhaupt nicht antreten können. Die Polizei sieht die Lage kritisch, da die sehr aktive Antifa-Szene in Heidelberg vermutlich große Unterstützung aus Mannheim und Karlsruhe erhalten wird. Aus Polizeisicht wird auch in Heidelberg eine großräumige Trennung das einzige Mittel sein, um Zusammenstöße zu verhindern.
Oberbürgermeister Eckart Würzner hat angekündigt, selbst als Gegendemonstrant anwesend zu sein, ebenso viele Stadträte. Bündnis90/Die Grünen Kreisverband Heidelberg und der DGB Heidelberg Rhein-Neckar hatten noch gestern sofort eine Gegendemo angekündigt, der sich auch andere Parteien angeschlossen haben. Die Gegendemonstranten wollen sich bereits ab 11:00 Uhr sammeln, die NPD-Veranstaltung ist von 13:00-19:00 Uhr angemeldet und mitten in der Stadt auf dem Bismarckplatz stattfinden.
Information der Stadt Heidelberg:
„Der NPD-Landesverband hatte bei der Stadtverwaltung Heidelberg kurzfristig einen Parteiaufmarsch am 3. Oktober 2012 am Bismarckplatz angemeldet. Die Stadt Heidelberg hat den Aufmarsch am heutigen Dienstag, den 2. Oktober 2012, mit Verweis auf Gefahren für die öffentliche Sicherheit verboten. Die NPD hat hiergegen einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Karlsruhe gestellt. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat diesem Antrag der NPD stattgegeben, sodass die Stadt Heidelberg gezwungen ist, die Veranstaltung – gegebenenfalls mit Auflagen – zu genehmigen. Gegen die Veranstaltung wurden Gegendemonstrationen am Hauptbahnhof und am Bismarckplatz angekündigt, zu denen mehrere tausend Teilnehmer erwartet werden.
Dazu Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner: „Heidelberg ist eine weltoffene und tolerante Stadt, in der Menschen von über 150 unterschiedlichen Nationalitäten friedlich zusammenleben. Wir sind gezwungen, den NPD-Aufmarsch auf gerichtliche Anordnung hin zu genehmigen. Es ist ein klares Signal, dass sich der Gemeinderat geschlossen gegen Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit ausgesprochen hat. Das verdeutlichen auch die breiten Aufrufe zu Gegendemonstrationen, an denen ich genauso wie viele weitere Mitglieder des Gemeinderats teilnehmen werde.“
Zum Aufmarsch der NPD werden nach Angaben des Antragstellers rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwartet. Mittlerweile liegen auch Anträge auf Genehmigung von Gegendemonstrationen in Heidelberg vor. Die Stadtverwaltung hat gemeinsam mit den Polizeibehörden geprüft, inwieweit von den Demonstrationen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht und kam zu dem Ergebnis, dass der NPD-Aufmarsch aus Sicherheitsgründen nicht zugelassen werden können. Die Veranstalter erhielten deshalb am Dienstag, den 2. Oktober, von der Stadt Heidelberg ein Demonstrationsverbot. Das daraufhin von den Veranstaltern angerufene Verwaltungsgericht Karlsruhe hat in einem Eilverfahren entschieden, dass die Demonstration der NPD zugelassen werden muss. Das Bundesverfassungsgericht stellt an ein Demonstrationsverbot hohe Anforderungen. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts erfüllen im vorliegenden Fall die von der Stadt in der Verbotsverfügung angeführten Gründe diese hohen Anforderungen nicht.
Dem geplanten NPD-Aufmarsch steht ein breites Bündnis entgegen, unter anderem geschlossen alle Mitglieder des Heidelberger Gemeinderats, Gewerkschaften, Kirchen und weitere gesellschaftliche Akteure. Der Heidelberger Gemeinderat hat zudem in seiner heutigen Sitzung am Dienstag, den 2. Oktober 2012, eine Resolution gegen einen geplanten NPD-Aufmarsch verabschiedet.“
Information des Verwaltungsgerichts Karlsruhe:
„Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe hat dem Antrag des NPD-Landesverbands Baden-Württemberg auf vorläufigen Rechtsschutz gegen ein Versammlungsverbot der Stadt Heidelberg stattgegeben. Dieses Verbot hatte die Stadt damit begründet, die für den 03.10.2012 im Zeitraum zwischen 13.00 Uhr und 19.00 Uhr in der Innenstadt von Heidelberg geplante Demonstration habe mit ihrem Thema „Deutschland einig Vaterland – In Gedenken an Kurfürst Otto von Bismarck“ einen zumindest indirekten Bezug zu nationalsozialistischem Gedankengut, was – auch durch den vorgesehenen Einsatz von Fahnen aus nicht mehr zu Deutschland gehörenden Gebieten – von demokratisch orientierten Gruppen als Provokation empfunden würde.
Es sei zum einen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit massiven Konflikten und Ausschreitungen zu rechnen, durch die Versammlungsteilnehmer und unbeteiligte Dritte verletzt werden könnten. Zum andern würde es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch die Veranstaltung selbst beziehungsweise aus ihr heraus zu Straftaten wie Volksverhetzung und Verunglimpfung von Verfassungsorganen kommen.
Mit seinem gegen die Verbotsverfügung beim Verwaltungsgericht eingereichten Eilantrag hatte der NPD-Landesverband geltend gemacht, die strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Verbot einer Versammlung lägen nicht vor.
Dem ist die Kammer in ihrem heutigen Beschluss im Ergebnis gefolgt und hat ausgeführt: Da die Versammlungsfreiheit, ähnlich wie die Meinungsfreiheit, für die Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen und für die demokratische Ordnung grundlegende Bedeutung besitze und Verbot und Auflösung einer Versammlung die intensivsten Eingriffe in das Grundrecht darstellten, seien sie an strenge Voraussetzungen gebunden und dürften nur ausgesprochen werden, wenn dies zum Schutz gleichwertiger Rechtsgüter notwendig sei und wenn eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung abgewendet werden müsse. Die Behörde dürfe insbesondere bei Erlass eines vorbeugenden Verbots keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen, zumal ihr bei irriger Einschätzung noch die Möglichkeit einer späteren Auflösung verbleibe. Nach dieser Maßgabe seien hinreichende Anhaltspunkte für eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bei Durchführung der Versammlung nicht ersichtlich. Soweit die Stadt Heidelberg aus dem Motto der Veranstaltung „Deutschland einig Vaterland – In Gedenken an Kurfürst Otto von Bismarck“, dem vorgesehenen Einsatz von Fahnen aus den ehemaligen Ostgebieten und anderen Umständen herleite, dass gerade bei dem Thema der Rückführung der Ostgebiete die Verbreitung von nationalsozialistischem Gedankengut und damit die Verwirklichung von Straftatbeständen (z.B. Volksverhetzung) zu erwarten sei, fehle es für eine dahingehende Gefahrenprognose an hinreichend konkreten Anhaltspunkten. Von der Stadt befürchteten eventuell strafrechtlich relevanten Handlungen oder Äußerungen könne durch die Erteilung von Auflagen begegnet werden. Soweit die Stadt – gegen die Demonstration gerichtete – gewalttätige Ausschreitungen befürchte, sei dies nicht geeignet, ein umfassendes Versammlungsverbot zu rechtfertigen. Es sei Aufgabe der zum Schutz der rechtsstaatlichen Ordnung berufenen Polizei, in unparteiischer Weise auf die Verwirklichung des Versammlungsrechts hinzuwirken. Im Übrigen setze das Verbot einer Versammlung als Ultima Ratio in jedem Fall voraus, dass das mildere Mittel der Erteilung von Auflagen ausgeschöpft sei. Derzeit sei nicht erkennbar, dass etwaigen von Gegendemonstranten ausgehenden Gefahren nicht durch die Erteilung von Auflagen insbesondere hinsichtlich des zeitlichen und örtlichen Verlaufs der Veranstaltung begegnet werden könne.
Der Beschluss vom 02.10.2012 – 4 K 2369/12 – ist nicht rechtskräftig. Die Stadt Heidelberg kann gegen ihn binnen zwei Wochen ab Zustellung beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim Beschwerde einlegen.“